Thailand/F/D/I 2004 · 118 min. · FSK: ab 16 Regie: Apichatpong Weerasethakul Drehbuch: Apichatpong Weerasethakul Kamera: Vichit Tanapanitch, Jarin Pengpanitch, Jean-Louis Vialard Darsteller: Banlop Lomnoi, Sakda Kaewbuadee, Sirivech Jareonchon, Udom Promma, Huai Deesom u.a. |
Tropenkrankheiten gibt es viele. Die, von der der Thailänder Apichatpong Weerasethakul, der aufstrebende Komet am asiatischen Filmhimmel, in Tropical Malady erzählt, ist eine ganz besondere. Sie könnte »Liebe« heißen, aber auch »Realitätsverlust«, sie ist ganz gewiss ein Fieber, und je länger es andauert, um so stärker ergreift es auch den Zuschauer. Wer sich auf diesen Film einlässt, kann in einen Sog geraten, wird mitgerissen, und am Ende hat sich der Blick auf das Kino und auf die Welt unrettbar verändert. In Tropical Malady kann man versinken – man kann sich aber auch verirren wie in den Dschungel, in den er einen entführt, oder einfach das Sesam-öffne-Dich zu diesem meditativen, in wenigen langen Einstellungen erzählten, mitunter an Malerei erinnernden Film verpassen. Mitbringen sollte man jedenfalls Wachsamkeit und Geduld – sie werden belohnt.
Weerasethakul steht ganz besonders dem französischen Kino nahe, wie sich nicht nur daran zeigt, dass ihm bereits nach nur einer Handvoll Filmen eine Retrospektive in Nyon gewidmet wurde, und dass Tropical Malady nach seiner Premiere und einem Preis beim Festival von Cannes von der französischen Filmkritik zum besten Film des Jahres 2004 gewählt wurde. Es zeigt sich auch daran, dass umgekehrt die Filme des Thailänders voller Verweise auf französisches Kino und Malerei stecken. Vor allem Jean Renoir und Eduard Manet sind als Vorbilder deutlich erkennbar.
Dieser einmalige, mit nichts gleichzusetzende, sehr rätselhafte, hypnotisierende Film ist durch eine Minute Leinwandschwarz in zwei grundverschiedene Hälften gespalten. Ihren gemeinsamen Kern bildet die Vorstellung der Tiernatur des Menschen, seine in der thailändischen Mythologie angelegte Möglichkeit, sich in ein Tier zu verwandeln, und die romantische Liebesgeschichte zwischen einem Soldaten und einem Dorfbewohner, die mehr und mehr eine mythische Dimension erhält.
Ein paar Manierismen zwischendurch irritieren, lassen die Furcht aufkommen, dass hier wieder einen in Künstlerposen sich flüchtet und eigentlich nur ein Kaiser ohne Kleider ist. Klar, wenn der Vorspann erst in der Mitte kommt, dann ist das vielleicht ein Gag, aber ist es wirklich auch »ein dekonstruktivistisches Spiel mit den Grundlagen des Kinos«, wie eine Kollegin damals aus Cannes schrieb? Der Zweifel überwiegt, denn eigentlich ist so etwas abgegriffene Avantgardepose, und das dekonstruktivistische Spiel mit den Grundlagen des Kinos, vor allem wenn es so plump daherkommt, längst eine Üblichkeit des Hollywood-Mainstream. Jedenfalls unnötige Wichtigtuerei, die Tropical Malady nie nötig hat.
Im zweiten Teil befindet man sich zu einem thailändischen »Dejeuner sur l’herbes« im Dschungel, und Weerasethakul lässt sich ganz auf dessen Atmosphäre und Körperlichkeit ein. Das Dominierende der letzten Stunde sind diese Urwaldgeräusche: Das Rauschen der Blätter und des Wassers, das Zirpen und Pfeifen der Insekten, Affenschreie und Vogelgezwitscher, sowie die mehr spür- als hörbare Präsenz eines Tigers, den wir irgendwann dann auch zu Gesicht bekommen. Wenn das geschieht, wird es, auch weil dieser ein Mensch sein könnte, zur magischen Erfahrung. Der Urwald gibt sein Geheimnis genauso wenig preis, wie dieser Film, doch sein Zauber hält uns längst umfangen.