USA 1998 · 103 min. · FSK: ab 12 Regie: Peter Weir Drehbuch: Andrew Niccol Kamera: Peter Biziou Darsteller: Jim Carrey, Laura Linney, Noah Emmerich, Natascha McElhone u.a. |
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Truman in seiner Show |
Wenn ein Massenmedium über ein Massenmedium räsonniert, und Manipulationstechniken beklagt, denen es sich selbst bedient, ist Skepsis geboten.
Truman Burbank, der Held der TV-Show Truman Show ist auch der Held des Films Die Truman Show. Wir Filmzuschauer machen also im Kino genau das, was die TV-Zuschauer im Film auch machen, und wofür sie von Regisseur Peter Weir sanft eins auf die Finger kriegen. Woran Poststrukturalisten ihre helle Freude haben, läßt uns erst einmal nachdenklich die Stirn runzeln.
Darum der Reihe nach:
1.
»Der Wunsch den Mutterleib zu verlassen, war der Hauptgrund, warum er ausgewählt wurde«. Schnell ist klar, daß Truman Burbank (Jim Carrey), über den dies irgendwann gesagt wird, nach wie vor in einem zweiten, viel größeren Mutterleib gefangen ist. Truman, der schon all-american aussieht, lebt in Seahaven, einer in Küstenstadt, in der er ein in jeder Hinsicht vollkommenes all-american-Spießerleben führt. »Pursuit of happiness«, das in der US-Verfassung
versprochene Streben nach Glück scheint gar nicht mehr nötig zu sein – so happy sind alle in diesem »small town america«, das so perfekt ausgeleuchtet ist, daß nicht einmal der kleinste Schatten die Idylle stört. Selbst die Sonnenuntergänge sind optimal wie auf der schönsten Kitsch-Postkarte. Wäre nicht eines Tages ein Scheinwerfer vom Himmel gekracht, vielleicht hätte Truman sein angepasstes Konsumentenleben nie in Frage gestellt.
So aber beginnt er allmählich zu ahnen, das etwas nicht stimmt. Der Zuschauer weiß, warum: Alles ist Show. Bei seiner Geburt wurde Truman von einer Vermarktungsfirma adoptiert, seitdem ist er der Hauptdarsteller seines eigenen Lebens (»You were real. Thats it, what made you so good to watch«), die als Truman-Show seit 30 Jahren non-stop in aller Welt ausgestrahlt wird. Seahaven ist das größte TV-Studio der Welt, alle Freunde, selbst seine Frau und seine Mutter sind nur Schauspieler. Noch im intimsten Moment wird ihnen der neueste Dialog (inklusive kurzem Product Placement) souffliert. Herr über diese Welt ist der Regisseur Christof (Ed Harris), der als gottgleicher Übervater-Manipulator Tod und Leben, Dialoge und Wetter kontrolliert.
Von diesem schrägen, diktatorengleichen und ein wenig medientycoonhaften Papa (»In my world, you have nothing to fear«) muß Truman sich irgendwann lösen und Papa – im übertragenen Sinne, klar – umbringen (Zu diesem Thema ein andermal mehr). Er bricht mit dem Gehorsam, schön bibelmetaphorisch ißt er vom Baum der Erkenntnis und ist danach etwas weniger glücklich, aber dafür viel freier. Die Probe auf den Ausbruch aus dem Garten Eden (»Seahaven is the way,
the world should be«) geht zunächst einmal schief. Doch dann macht er’s besser, nimmt ein Schiff, das heißt wie das von Columbus, als er ausfuhr, und eine neue Welt entdeckte. Und jetzt klappt es besser, obwohl Gott-Vater Christof zeusmäßig alle Urgewalten entfesselt, Blitze schleudert, und beinahe den Sohnemann umbringt – Wer mich nicht liebt, soll sterben. Der Wust mythischer Bezüge ist kaum zu ordnen, wir arbeiten auch noch daran, sinnvollen Sinn in alle Anspielungen
zu bringen.
Jedenfalls: Auch Truman muß Amerika entdecken, und das tut er dann auch.
2.
Der Australier Peter Weir ist einer der großen Erzähler des Kinos. Wie in den meisten seiner früheren Geschichten (z.B.: Der einzige Zeuge) geht es auch hier um Selbsterfahrungsprozesse, um eine sehr amerikanische, das heißt sehr individualistisch gedachte persönliche Freiheit, die vom Einzelnen gegen die ganze Welt errungen werden muß.
Zugleich fragt Die
Truman-Show auch danach, was das Ich in einer manipulierten Massengesellschaft überhaupt sein kann. Denn Trunans Geschichte kann man durchaus auch verstehen als Psycho-Studie über einen Paranoiden, der nur glaubt, daß alles um ihn herum manipuliert werde, und sein Leben eigentlich eine TV-Show sei. Vielleicht ist das sogar die richtigere Erklärung, denn der Film ist so surreal wie ein Traum.
Mit derartigen Themen befindet sich Weir in guter Gesellschaft: Andrew
Niccol, der das Drehbuch schrieb, verfaßte schon Gattaca. Und andere – ansonsten ganz unterschiedliche – Hollywood-Filme fragen in diesem Jahr nach der Identität in einer konformistischen, vor sich hin ratternden Gesellschaftsmaschine.
Plötzlich, ganz unverhofft und in sehr unterschiedlicher Form stellen viele US-amerikanische Filme die Frage: Was ist das Ich ?
Mit Truman
Burbank wird allerdings einer zum Helden gemacht, der mit »absoluter Nullchecker« noch höchst milde beschrieben ist. »Mit dem sollen wir uns identifizieren ?« fragt man sich. Weir vergröbert ganz gewaltig, sonst könnte er seine Geschichte gar nicht erzählen.
Zudem bewegt sich das alles nicht etwa in den Bahnen des klassischen Bildungsromans, wie vorgegeben wird, denn Held Truman kann eigentlich schon alles, weiß vieles, und das Herz sitzt sowieso auf dem rechten Fleck. Was faul ist, ist der Staat Dänemark und der Rest der Welt.
Das ist zwar nicht richtig schlimm, aber doch mindestens so naiv, wie Truman selbst.
Muß man hinzufügen, daß Weir teilweise brilliante Bilder setzt, die die Relativität des Blicks deutlich machen, und das dieser Film ebenfalls sehr Weir-typisch viel gute, etwas intensive, etwas kitschige Musik einsetzt?
3.
Satire- und Medienkritikmäßig kommt das alles zunächst einmal natürlich gut.
Weirs thematisch überreiche, gut unterhaltende Dialektik von Freiheit und Glück ist in jeder Hinsicht herausragend. Am Ende steht allerdings ein ambivalentes Happy-End: Denn dies inszeniert Weir genauso pathetisch und mit genau den Tricks, die er zuvor ad absurdum geführt hatte.
Positiv könnte man auch tatsächlich sagen: Der Film hat uns vor der Inszenierung schon seine eigenen Tricks erklärt, sie damit schon ad absurdum geführt.
Aber auch das Gegenteil ist richtig: Am Ende fällt der Film hinter sein eigenes Niveau zurück, macht er den eben aufgeklärten Zuschauer wieder dumm und zum Gefangenen eines Kino-Mythos.
Oder populär gesprochen: Wer anderen eine Grube gräbt...
Oder gibt es doch ein Leben nach dem (TV-)Tod ?
4.
Jedenfalls lernen wir: Die richtige Welt ist hinter der falschen.
Aber die interessanteste Frage ist damit erst überhaupt angedeutet: Baut Peter Weir hier nicht einen großen Trugschluß auf, eine riesige platonische Lüge.
Der gute Wille zum Sein, wird gegen den bösen Schein gestellt. Fast ist man versucht, ein Lob der Passivität zu singen, und zu sagen: Bleib doch da, Truman, »Life is so fragile«.
Es gibt kein richtiges Leben hinter dem falschen.
5.
Wo ist nur das verdammte TV-Programm ?