Die Truman Show

The Truman Show

USA 1998 · 103 min. · FSK: ab 12
Regie: Peter Weir
Drehbuch:
Kamera: Peter Biziou
Darsteller: Jim Carrey, Laura Linney, Noah Emmerich, Natascha McElhone u.a.
Truman in seiner Show

Das Leben als Show

Wenn ein Massen­me­dium über ein Massen­me­dium räson­niert, und Mani­pu­la­ti­ons­tech­niken beklagt, denen es sich selbst bedient, ist Skepsis geboten.

Truman Burbank, der Held der TV-Show Truman Show ist auch der Held des Films Die Truman Show. Wir Film­zu­schauer machen also im Kino genau das, was die TV-Zuschauer im Film auch machen, und wofür sie von Regisseur Peter Weir sanft eins auf die Finger kriegen. Woran Post­struk­tu­ra­listen ihre helle Freude haben, läßt uns erst einmal nach­denk­lich die Stirn runzeln.
Darum der Reihe nach:

1.
»Der Wunsch den Mutter­leib zu verlassen, war der Haupt­grund, warum er ausge­wählt wurde«. Schnell ist klar, daß Truman Burbank (Jim Carrey), über den dies irgend­wann gesagt wird, nach wie vor in einem zweiten, viel größeren Mutter­leib gefangen ist. Truman, der schon all-american aussieht, lebt in Seahaven, einer in Küsten­stadt, in der er ein in jeder Hinsicht voll­kom­menes all-american-Spießer­leben führt. »Pursuit of happiness«, das in der US-Verfas­sung verspro­chene Streben nach Glück scheint gar nicht mehr nötig zu sein – so happy sind alle in diesem »small town america«, das so perfekt ausge­leuchtet ist, daß nicht einmal der kleinste Schatten die Idylle stört. Selbst die Sonnen­un­ter­gänge sind optimal wie auf der schönsten Kitsch-Postkarte. Wäre nicht eines Tages ein Schein­werfer vom Himmel gekracht, viel­leicht hätte Truman sein ange­passtes Konsu­men­ten­leben nie in Frage gestellt.

So aber beginnt er allmäh­lich zu ahnen, das etwas nicht stimmt. Der Zuschauer weiß, warum: Alles ist Show. Bei seiner Geburt wurde Truman von einer Vermark­tungs­firma adoptiert, seitdem ist er der Haupt­dar­steller seines eigenen Lebens (»You were real. Thats it, what made you so good to watch«), die als Truman-Show seit 30 Jahren non-stop in aller Welt ausge­strahlt wird. Seahaven ist das größte TV-Studio der Welt, alle Freunde, selbst seine Frau und seine Mutter sind nur Schau­spieler. Noch im intimsten Moment wird ihnen der neueste Dialog (inklusive kurzem Product Placement) souf­fliert. Herr über diese Welt ist der Regisseur Christof (Ed Harris), der als gott­glei­cher Übervater-Mani­pu­lator Tod und Leben, Dialoge und Wetter kontrol­liert.

Von diesem schrägen, dikta­to­renglei­chen und ein wenig medi­en­ty­coon­haften Papa (»In my world, you have nothing to fear«) muß Truman sich irgend­wann lösen und Papa – im über­tra­genen Sinne, klar – umbringen (Zu diesem Thema ein andermal mehr). Er bricht mit dem Gehorsam, schön bibel­m­e­ta­pho­risch ißt er vom Baum der Erkenntnis und ist danach etwas weniger glücklich, aber dafür viel freier. Die Probe auf den Ausbruch aus dem Garten Eden (»Seahaven is the way, the world should be«) geht zunächst einmal schief. Doch dann macht er’s besser, nimmt ein Schiff, das heißt wie das von Columbus, als er ausfuhr, und eine neue Welt entdeckte. Und jetzt klappt es besser, obwohl Gott-Vater Christof zeusmäßig alle Urge­walten entfes­selt, Blitze schleu­dert, und beinahe den Sohnemann umbringt – Wer mich nicht liebt, soll sterben. Der Wust mythi­scher Bezüge ist kaum zu ordnen, wir arbeiten auch noch daran, sinn­vollen Sinn in alle Anspie­lungen zu bringen.
Jeden­falls: Auch Truman muß Amerika entdecken, und das tut er dann auch.

2.
Der Austra­lier Peter Weir ist einer der großen Erzähler des Kinos. Wie in den meisten seiner früheren Geschichten (z.B.: Der einzige Zeuge) geht es auch hier um Selbst­er­fah­rungs­pro­zesse, um eine sehr ameri­ka­ni­sche, das heißt sehr indi­vi­dua­lis­tisch gedachte persön­liche Freiheit, die vom Einzelnen gegen die ganze Welt errungen werden muß.
Zugleich fragt Die Truman-Show auch danach, was das Ich in einer mani­pu­lierten Massen­ge­sell­schaft überhaupt sein kann. Denn Trunans Geschichte kann man durchaus auch verstehen als Psycho-Studie über einen Para­no­iden, der nur glaubt, daß alles um ihn herum mani­pu­liert werde, und sein Leben eigent­lich eine TV-Show sei. Viel­leicht ist das sogar die rich­ti­gere Erklärung, denn der Film ist so surreal wie ein Traum.
Mit derar­tigen Themen befindet sich Weir in guter Gesell­schaft: Andrew Niccol, der das Drehbuch schrieb, verfaßte schon Gattaca. Und andere – ansonsten ganz unter­schied­liche – Hollywood-Filme fragen in diesem Jahr nach der Identität in einer konfor­mis­ti­schen, vor sich hin ratternden Gesell­schafts­ma­schine.
Plötzlich, ganz unver­hofft und in sehr unter­schied­li­cher Form stellen viele US-ameri­ka­ni­sche Filme die Frage: Was ist das Ich ?
Mit Truman Burbank wird aller­dings einer zum Helden gemacht, der mit »absoluter Null­che­cker« noch höchst milde beschrieben ist. »Mit dem sollen wir uns iden­ti­fi­zieren ?« fragt man sich. Weir vergröbert ganz gewaltig, sonst könnte er seine Geschichte gar nicht erzählen.

Zudem bewegt sich das alles nicht etwa in den Bahnen des klas­si­schen Bildungs­ro­mans, wie vorge­geben wird, denn Held Truman kann eigent­lich schon alles, weiß vieles, und das Herz sitzt sowieso auf dem rechten Fleck. Was faul ist, ist der Staat Dänemark und der Rest der Welt.
Das ist zwar nicht richtig schlimm, aber doch mindes­tens so naiv, wie Truman selbst.

Muß man hinzu­fügen, daß Weir teilweise bril­li­ante Bilder setzt, die die Rela­ti­vität des Blicks deutlich machen, und das dieser Film ebenfalls sehr Weir-typisch viel gute, etwas intensive, etwas kitschige Musik einsetzt?

3.
Satire- und Medi­en­kri­tik­mäßig kommt das alles zunächst einmal natürlich gut.

Weirs thema­tisch über­reiche, gut unter­hal­tende Dialektik von Freiheit und Glück ist in jeder Hinsicht heraus­ra­gend. Am Ende steht aller­dings ein ambi­va­lentes Happy-End: Denn dies insze­niert Weir genauso pathe­tisch und mit genau den Tricks, die er zuvor ad absurdum geführt hatte.

Positiv könnte man auch tatsäch­lich sagen: Der Film hat uns vor der Insze­nie­rung schon seine eigenen Tricks erklärt, sie damit schon ad absurdum geführt.
Aber auch das Gegenteil ist richtig: Am Ende fällt der Film hinter sein eigenes Niveau zurück, macht er den eben aufge­klärten Zuschauer wieder dumm und zum Gefan­genen eines Kino-Mythos.

Oder populär gespro­chen: Wer anderen eine Grube gräbt...

Oder gibt es doch ein Leben nach dem (TV-)Tod ?

4.
Jeden­falls lernen wir: Die richtige Welt ist hinter der falschen.
Aber die inter­es­san­teste Frage ist damit erst überhaupt ange­deutet: Baut Peter Weir hier nicht einen großen Trug­schluß auf, eine riesige plato­ni­sche Lüge.
Der gute Wille zum Sein, wird gegen den bösen Schein gestellt. Fast ist man versucht, ein Lob der Passi­vität zu singen, und zu sagen: Bleib doch da, Truman, »Life is so fragile«.
Es gibt kein richtiges Leben hinter dem falschen.

5.
Wo ist nur das verdammte TV-Programm ?