USA 2016 · 92 min. · FSK: ab 18 Regie: Anna Foerster Drehbuch: Cory Goodman Kamera: Karl Walter Lindenlaub Darsteller: Kate Beckinsale, Theo James, Tobias Menzies, Trent Garrett, Lara Pulver u.a. |
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Film noir, garniert mit einer Prise Heavy Metal |
»Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.« –Karl Marx, Friedrich Engels, »Manifest der Kommunistischen Partei«, 1847
»Ich gestehe, dass es Börsenspekulanten, Händler, Geschäftsleute gibt, die eine Menge Blut aus dem Volk heraussaugen, aber diese Herren sind überhaupt nicht tot, allerdings ziemlich angefault. Diese wahren Sauger wohnen nicht auf Friedhöfen, sondern in wesentlich angenehmeren Palästen.«– Voltaire, um 1770
»Ich habe nichts mehr, alles ist verschwunden. Meine ganze Existenz... Ich bin verhasst bei Vampiren und Lycanern.« Mit melancholischer Stimme erzählt uns das, in den ersten Filmsekunden, die Heldin Selene aus dem Off. Kaum gealtert wirkt sie, von der blendend aussehenden Kate Beckinsale gespielt, im zusätzlich erotisierenden Lederdress, seit sie vor 13 Jahren im gleichen Gewand, ebenfalls in einer verregneten Londoner Nacht auf einem Dachsims den ersten Film einleitete – eine Catwoman der Apokalypse.
Sich in diesem Universum eines seit Jahrtausenden tobenden Kampfes zwischen Vampiren und »Lycanern« (so heißen hier die Werwölfe) zurechtzufinden, ist für denjenigen, der keinen der vier Underworld-Vorgängerfilme seit 2003 gesehen hat, trotz solcher Erklärungen nicht einfach. Man kann sich helfen, indem man sich diesen Kampf, bei dem die Menschen nicht einmal als Statisten in Erscheinung treten, als einen archetypischen Klassenkampf und die Welt als Klassengesellschaft vorstellt: – »Das Kapital ist verstorbene Arbeit, die sich nur vampirmäßig belebt durch Einsaugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt.« Die Lycaner sind wie das Klischees der Lumpenproletarier: Gut gelaunt, aber schmutzig, körperlich, triebhaft und in Rudeln organisiert, getrieben von »basic instincts«. Marx schreibt: »Die passive Verfaulung der untersten Schichten der Gesellschaft, ... von den Abfällen der Gesellschaft lebend, Leute ohne bestimmten Arbeitszweig, Herumtreiber, dunkle Existenzen, verschieden nach dem Bildungsgrade der Nation, der sie angehören, nie den Tagediebcharakter verleugnend; ...Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner, Gaukler, Tagediebe, Taschendiebe, Taschenspieler, Spieler, Zuhälter, Bordellhalter, Lastträger, Literaten, Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz, die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin- und hergeworfene Masse, die die Franzosen la bohème nennen ... dieser Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen...«
Die Vampire wirken demgegenüber wie überfeinerte, dekadente, von Todes-Blässe angekränkelte britische Aristokraten. Individualistischer und zivilisierter zwar, aber auch dem Untergang geweiht und letztlich untot. »Wir verlieren diesen Krieg« sagt eine Vampirfrau früh im Film, was nicht überrascht, denn natürlich sind Proletarier erfolgreicher im Kampf ums Dasein, doch es nervt, dass Blut und Reinheit (»all this purity nonsense...«) und Blutlinien so maßgebend sind
– hier wird Popkultur zu Bewahrer des Archaischen, Biologistischen, Rassistischen.
Trotzdem sind auch die Zuschauer-Sympathien in diesem Film klar: Der Zuschauer fühlt mit dem »Wir«, den Vampiren, denen auch Selene angehört, obwohl sie, seit ihrer Liebe zu einem Werwolf aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde.
Die gemeinsame Tochter wird von beiden gesucht, ist selbst für die Mutter nicht zu finden. Und so sind in Underworld: Blood Wars Blood Wars bereits mehrere mögliche Fortsetzungen angelegt. Bemerkenswert an diesem B-Movie-Epos von erstaunlicher Langlebigkeit ist, dass es sich um eine europäische, nicht-amerikanische Franchise handelt. Gedreht wurde in Großbritannien, der tschechischen Republik und in Skandinavien. Ebenso bemerkenswert ist, dass nicht nur das Drehbuch (Cory Godman), sondern auch die Regie von einer Frau stammt: Der in Deutschland geborenen, in den USA lebenden Anna Foerster, die als Kamerafrau von Roland Emmerich erste Sporen verdiente, und jetzt ihre erste Spielfilm-Regie vorlegt. Eine gelungene Arbeit, deren weibliche Note in verstärkter Sensibilität, Verzicht auf übertriebene Brutalität und feministischen Momenten erkennbar ist: Frauen kämpfen, reden und denken hier besser als die altmodischen Herren.
Im Design mischt sich Heavy Metal und Vampir-Mythologie mit einem Hauch von »Games of Thrones« – ein drittes Volk tritt auf, dass an die Elben bei Tolkien erinnert, mit seinen Vampirzähnen am Ende mit den Vampiren hält und dem Werwolfsheißhunger Einhalt gebietet.
So erleben wir, eng an der Seite der Hauptfigur, wie sie – »Water is the path« – einmal stirbt und wiederaufersteht, nunmehr mit blonden Haaren und der Fähigkeit zur Teleportation: »I am now one of three chosen ones. ... I no longer fear death, for I know it already. ... There’s no beginning, there’s no end, only becoming...«
Sogar, wer Politisches herauslesen (oder hineindeuten?) will, wird fündig: Der Film zeigt, was passiert, wenn die Marktwirtschaft zu Vampir- und Werwolfs-Kapitalismus wird: Alles wird am Ende verwertbar. Es herrschen postdemokratische Verhältnisse, als eine ehrgeizige Vampirin einen Putsch gegen den obersten Vampirrat unternimmt.
Es geht um Pluralität, um das Zusammenleben verschiedener Völker, und um Anti-Terror-Kampf: »We fought our finest battle in our darkest hour.« Oh, könnte das der demokratische Westen doch auch von sich behaupten! Doch das Wichtigste: Diese Mischung aus Film-Noir und schwarzer Romantik, Fetischsmus und Decadence macht Spaß und ist allemal schön und vergnüglich anzusehen.