Die Unschärferelation der Liebe

Deutschland 2023 · 92 min. · FSK: ab 6
Regie: Lars Kraume
Drehbuch: ,
Kamera: Jens Harant
Darsteller: Caroline Peters, Burghart Klaußner, Carmen-Maja Antoni u.a.
Filmszene »Die Unschärferelation der Liebe«
Gemeinsam einsam
(Foto: X Verleih/Warner Bros.)

Logorrhö in Berlin

Lars Kraumes Adaption des Theaterstücks »Heisenberg« von Simon Stephens versucht zwar Liebesklischees auszuhebeln, verzettelt sich aber zunehmend in boulevardesker Laberei um nichts und wieder nichts

Klingt eigent­lich nach einer guten Idee. Zwei bekannte Schau­spieler (Burghart Klaußner und Caroline Peters) in einem Kammer­spiel zusam­men­zu­führen, in dem es darum geht, das Unver­ein­bare zu vereinen. Einen einsamen, älteren Metzger mit einer eher jüngeren schön­geis­tigen und ebenfalls einsamen Frau, die gerne ein bisschen lügt und viel redet. Alexander redet natürlich nicht gern und ist auch eher an der Wahrheit inter­es­siert, bricht aber immerhin bei Bach in Tränen aus.

Lars Kraumes Die Unschär­fe­re­la­tion der Liebe bewegt sich zumindest im Titel nah an Simon Stephens Vorlage (die aller­dings in London und nicht in Berlin spielt). Doch ähnlich wie bei der deutschen Erst­auf­füh­rung 2016 im Düssel­dorfer Schau­spiel­haus unter der Regie von Lore Stefanek mit den gleichen Haupt­dar­stel­lern wie in Kraumes filmi­scher Adaption legt auch Kraume den Fokus auf die boule­var­desken Elemente von Stephens Stück.

Zwar wird auch bei Kraume ange­deutet, dass wir es mit Liebe im expe­ri­men­tellen Umfeld zu tun haben, der Physiker und Vater der Quan­ten­theorie, Heisen­berg, dem Stück einen natur­wis­sen­schaft­li­chen Bezugs­rahmen gibt und wir im Kern zwei Teilchen dabei zusehen, wie sie zu einem verschmolzen werden sollen. Natürlich mit dem Heisen­berg­schen Wissen, dass sich die Energie eines beob­ach­teten Gegen­stands durch die bloße Beob­ach­tung verändert. Oder wie es Metzger und Teilchen Alexander zu Lebens­künst­lerin und Teilchen Greta irgend­wann sagt: »Wenn du’s richtig beob­ach­test, verlierst du es aus den Augen. Das ist wissen­schaft­lich!«

Doch das war es dann auch schon. Der Rest sind laue, ins Zentrum gestellte Gags (250 Gramm Hack ohne Fleisch), explizit betonte Wort­un­ge­tüme (Haupt­lieb­lings­son­der­be­schäf­ti­gung) und Monologe und Dialoge, die so aufge­setzt, thea­tra­lisch und lebens­fern wirken, dass es immer wieder weh tut, etwa als Greta an einer Stelle zu Alexander sagt: »Du bist wie Europa, alt und begeis­te­rungs­fähig.« Das hat in den sich kreu­zenden Dialog­wir­beln zwar dann und wann etwas vom neuro­ti­schen Charme der Bezie­hungs- und Iden­ti­täts­su­chen früher Woody Allen-Filme, bleibt dann aber doch meistens im leblosen Dialog­sumpf stecken oder wird aggressiv, aber völlig unpassend um den nächsten Lacher im Publikum gebuhlt.

Das ist schade. Denn Kraume kann ernstere, bessere, wich­ti­gere Filme machen, das zeigte er erst vor kurzem mit Der vermes­sene Mensch. Und es ist schade, weil Stephen, der von der deutschen Thea­ter­kritik für seine stets marode Trends der Gegenwart aufde­ckenden Stücke etliche Male zum wich­tigsten fremd­spra­chigen Autor gewählt worden ist, das Boulevard eigent­lich nur an der Ober­fläche bedient, steht bei ihm eigent­lich die Einsam­keit und nicht der seichte Kalauer im Zentrum, ist es vielmehr ein komplexes Reiz-Reaktions-Schema, das hier auf Menschen über­tragen wird und zeigt, dass die Entschei­dungs­ho­heit am Ende nicht beim Menschen selbst liegt, es also fast ein wenig alter­tüm­lich zugeht: Mensch denkt, Gott lenkt, natürlich im etwas erwei­terten quan­ten­phy­si­ka­li­schen Sinn von Werner Heisen­berg.