USA 2018 · 92 min. · FSK: ab 0 Regie: John Chester Drehbuch: John Chester, Mark Monroe Kamera: John Chester Schnitt: Amy Wilson |
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Nicht gegen, sondern mit der Natur |
»Der Mensch und die Natur bekämpfen einander nicht, sie geben einander recht, sie treten nicht in Wettbewerb, laufen nicht um die Wette irgendeinem Vorurteil nach, sie gehen Hand in Hand.« – Knut Hamsun, Segen der Erde
Es reicht ja schon, sich einfach mal am Morgen durch die Rush-Hour Münchens treiben zu lassen, um zu sehen, dass hier etwas nicht stimmt. Den Irren zuzusehen, die sich ein Stück Grün in den Vorstädten und auf dem Land mit der täglichen, stundenlangen Existenz in einer Blechlawine erkauft haben. Und die dann an der Stadtgrenze doch nur auf durch konventionelle Landwirtschaft ausgemergelte Böden sehen, Land, das es sich eh kaum mehr zu bebauen lohnt, weil Bebauung und Versiegelung von Flächen viel lukrativer ist.
Das mag plakativ und undifferenziert klingen, doch wer sich John Chesters Dokumentarfilm Unsere große kleine Farm ansieht, der mag es vielleicht gleich noch ein wenig plakativer, dem könnten plötzlich nicht nur Erinnerungen an Knut Hamsuns großen, so oft missverstandenen Roman »Segen der Erde« kommen – für den er 1920 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde – dem könnten auch Erinnerungen an die Entstehungs- und Blütezeit der zweiten Umweltbewegung in den 1970er und 1980er Jahren kommen, der dürfte aber auch im nächsten Schritt sagen: warum nicht wieder, warum nicht jetzt erst recht?
Denn Chester erzählt seine Geschichte so einfach und selbstverständlich wie vor über 100 Jahren das auch Hamsun tat. Aber natürlich befinden wir uns nicht in Nordnorwegen, sondern in Los Angeles, wo der Dokumentarfilmer John Chester und seine Frau, die Foodbloggerin Molly, vor einem Dilemma stehen. Sie haben einen Hund aus dem Tierheim zu sich nach Hause geholt, doch der bellt so laut, dass die Nachbarn sich beschweren. Statt den Hund zurückzubringen, entscheidet sich das Paar 2010, einen ganz anderen Weg zu gehen. Sie lassen sich beraten und entscheiden sich, ein durch jahrelange Monokulturen völlig ausgelaugtes Stück Land zu kaufen, mit dem Ziel, diese »verbrannte« Erde zu retten. Über Jahre sehen wir in filmischen Tagebuchsequenzen dem Paar bei den ersten Rückschlägen zu, die nicht die letzten sein werden, nehmen am Leben des Schweins Emma teil, und erfahren, welche Gefahr Vögel und Coyoten sein können. Doch vor allem lernen wir, dass jede Gefahr letzten Endes auch eine Chance bietet, dass es sich auszahlt, mit der Natur und nicht gegen die Natur zu arbeiten. Die Geduld und Kreativität, aber auch Verzweiflung, die das über die Jahre erfordert, werden von Chester nie beschönigt und dogmatisiert, sondern stets berauschend schöne gnadenlos nüchternen Momenten gegenübergestellt.
Wie in jedem guten »Hollywood«-Film gibt es natürlich auch in Chesters Film aus der Ländlichkeit von Los Angeles ein Happy End, aber selbst das ist in seiner Bescheidenheit sympathisch. Und mehr noch wirklich überraschend: denn über den gelungenen Aufbau einer ökologischen Farm am Ende Tränen vergießen zu können, sagt nicht nur etwas über Chesters Können als Dokumentarfilmer aus, sondern vielleicht noch mehr über unsere verzweifelte Sehnsucht nach einer besseren Welt.