Deutschland 2002 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Dani Levy Drehbuch: Dani Levy, Rona Munro Kamera: Carsten Thiele Darsteller: Sebastian Blomberg, Maria Schrader, Ezra-Valentin Lenz, Christiane Paul u.a. |
»So viele Tage hat Mama mit Dir gehabt«, erklärt Marco (Sebastian Blomberg) seinem kleinen Sohn, indem er großzügig Kieselsteine aufeinandertürmt. »Und so viele Tage sind wir jetzt zusammen«, fährt er fort und weist auf das mickrige Häuflein daneben. »Fällt Dir was auf?« Steinerne Bilanz einer zerbrochenen Ehe. Das kann sogar ein Sechsjähriger kapieren. Auf dass sein Steinhäufchen ein bisschen höher werde, hat Marco, vom Bannstrahl des Besuchsrechtenzugs getroffen, Benny (Ezra Valentin Lenz) kurzerhand entführt.
Lang vorbei, so scheint es, sind Wilhelm Buschs Tage, als Papa Knopps Kontakt zu Baby Julchen sich in einem herzhaften Schmatz auf die frischgepuderte Pobacke erschöpfte. Moderne Väter, so führt uns die Werbung vor, tollen mit ihren Kindern umher und machen auch schon mal eigenhändig eine Tütensuppe auf. So auch Marco, der für Benny ein prima Kumpel ist und den Dreikäsehoch verschwörerisch an der Bierflasche nippen lässt. Doch schaut man genauer hin, hat sich seit Papa Knopp vielleicht doch nicht so viel getan: Väter von heute sind immer noch überwiegend Ferien- und Freizeitpapis. Wenn es hart auf hart kommt, fällt die Entscheidung zwischen Kind und Karriere zugunsten des Jobs. Und so rettet Marco ohne zu zögern den neuen Großauftrag, indem er gegen den Kotzbrocken von der Bauaufsichtsbehörde ein Porscherennen fährt. Seine Frau Melanie (Maria Schrader) muss derweil in die Bresche springen und ihr liebstes Projekt sausen lassen, weil Benny verlassen auf den Stufen des Kindergartens hockt.
Levys Film zeigt, wie der Alltag den Lack der Bilderbuchehe zerfrisst. Im Vordergrund stehen die Organisation des Chaos und das virtuose Ausbügeln von Pannen – von verbranntem Toast bis hin zu vergessenen Medikamenten. Und so scheitern auch Melanie und Marco an der perfiden Banalität des täglichen Trotts. »Nur Idioten glauben, dass die Ehe glücklich macht«, ist der lakonische Kommentar von Melanies Mutter angesichts der aufbrechenden Misere.
Was dann kommt ist ein bisschen Kramer gegen Kramer made in Germany. Entgegen der Ausgangsidee hat Levy durchgesetzt, dass es in dem einsetzenden Schlagabtausch keinen allein Schuldigen gibt: Sowohl Melanie als auch Marco benehmen sich schuftig, versuchen wieder aufeinander zuzugehen, werden bockig abgewiesen, stoßen ihrerseits den anderen zurück. Wechselseitig schlechtes Timing verhindert die Aussöhnung. Erst als Marco seinen Job verliert, für den er im Kampf ums Kind nicht mehr 100-prozentig zur Verfügung steht, scheint eine Annäherung wieder möglich. Müssen sich heute auch Männer zwischen Karriere und Familie entscheiden? Ist Glück angesichts gesellschaftlich hochgeschraubter Erwartungen überhaupt noch möglich? Levys Film hat keine Antworten parat, außer der einen: Nur wer bereit ist, immer wieder auf den anderen zuzugehen, hat überhaupt eine Chance.