GB/F/NZ 2004 · 125 min. · FSK: ab 12 Regie: Mike Leigh Drehbuch: Mike Leigh Kamera: Dick Pope Darsteller: Imelda Staunton, Richard Graham, Eddie Marsan u.a. |
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Vera Drake wird verhaftet |
Vera ist eine »Frau und Mutter«, so der vielsagende deutsche Nebentitel des Films, die Menschen aus der Not hilft. Sie ist von unscheinbarer Erscheinung, eher plump, ein wenig bucklig und von breiter Statur. Die Augen sind ohne Glanz, der Teint ist fahl – doch – wie heißt es doch so schön bei Saint-Exupéry: Man soll nur mit dem Herzen sehen, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Mike Leigh scheint in seinem neuen Film Vera Drake, für den er in Venedig den Goldenen Löwen erhielt, sich genau dies als Leitthese für seinen Film vorgenommen zu haben. Denn hinter dem faden Äußeren von Vera Drake verbirgt sich ein großes, selbstloses Herz.
Wir befinden uns im London der späteren Nachkriegsjahre. Die Hinterhöfe und Treppenhäuser der Arbeiterviertel sind dunkel und wenig einladend. Vera ist das Oberhaupt einer vierköpfigen Familie, die Kinder sind erwachsen. Ihre Tochter ist ganz die Mutter, der Erscheinung nach, der Sohn ist wie der Vater eher schmuck und baggert die schönen Mädels der besseren Gesellschaft an. Auch die Mutter hat zu tun mit jener Welt der Reichen, in der sie als Putzfrau die Messingknöpfe in lichtdurchfluteten Wohnzimmern poliert.
Gerne würde man hier die These von der mobilen Gesellschaft finden, ein Wandern der sozialen Schichten unter dem Aspekt des Nützlichseins und des Amusements. Mike Leigh aber ist mehr ein Verfechter der Klassenordnung. Seine Geschichte um Vera Drake und das London, in dem sie lebt, erhebt den Anspruch, eine Geschichte über die Misere und gesellschaftliche Benachteiligung der Arbeiterklasse demonstrieren zu wollen.
So herrscht in den dunklen Hinterzimmern der Armut Verzweiflung. Zumindest bei den jungen Mädchen, die Vera nachmittags aufsucht, um bei ihnen als Engelmacherin sanfte Abtreibungen auszuführen, durch Ausspülungen der Vagina mit dem Schlauch. Die Adressen der Mädchen erhält sie von einer alten Bekannten aus Schulzeiten, die nicht nur die Notlage der Mädchen durch die Provisionen, die sie für die Vermittlung der Engelmacherin entgegenimmt, kapitalistisch ausnutzt, sondern die auch bei Vera, wenn sie ihr die Adressen der Bedürftigen mitteilt, einen Schwarzhandel mit Zucker, Tee und Keksen betreibt. Gegen so viel Abgefeimtheit erhebt sich das Werk von Vera, die kein Geld für die Abtreibungen nimmt, als reine Nächstenliebe.
Und dann gibt es da noch die kurze Parallelhandlung von der Tochter aus dem guten Haus, in dem Vera putzen geht. Sie wird bei einem Rendez-Vous von ihrem »Ehrenmann« vergewaltigt, wird schwanger. In einem schnell durcherzählten Strang exemplifiziert Leigh die ganze soziale Ungerechtigkeit: Wenn man es sich leisten kann, wenn man die Kontakte und das nötige Kleingeld hat, erwartet die ungewollt Schwangeren eine komfortable Abtreibungsklinik. Vertuschen lässt sich das Ganze leicht durch den klassenkonformen Hinweis auf ein »Wochenende auf dem Land«.
Hier sei einmal gesagt: Vera Drake ist trotz der Geschichte von der Engelmacherin in den schwierigen Zeiten nach dem Krieg ein durch und durch unpolitisches Drama. Vor allem stellt sich die Frage, weshalb Leigh seine Fiktion in die fünfziger Jahre fernrückt, ganz als gäbe es illegale, heimlich vorgenommene Abtreibungen nicht mehr. Auch als gäbe es heute nicht eine nicht nur restaurative, sondern mehr noch erzkonservative Bewegung in Europa, der die Selbstbestimmung der Frau als sündenhaft erscheint, sündenhaft auch, weil sie meist ohne Trauschein und ohne Mann verläuft (man denke an den letzten Skandal zur Wahl der Europäischen Kommission). Leigh bräuchte also weder die historische Distanz, um seine Geschichte erzählen zu können, noch drängt sich die Person von Vera Drake als unbedingt zu erzählende Lebensgeschichte auf, der Tribut gezollt werden muss – sie ist eine rein fiktionale Figur, die nicht auf eine authentische Vorlage zurückgeht, anders als Chabrols Eine Frauensache mit Isabelle Huppert als Engelmacherin in den Kriegsjahren, die schließlich am Schaffott endet.
So ist es umso suspekter, was Leigh in Vera Drake erzählt. Die Abtreibungen nämlich reihen sich ein in einen ganzen Katalog an Handlungen für Menschen in Not, die Vera vollbringt. Nach ihrer Arbeit als Putzfrau (was strukturell gesehen auch eine Beseitigung von Not, nämlich der Not um die Sauberkeit bedeutet) versorgt sie ihre bettlägrige Mutter, verschafft ihrer Tochter, einem vor der Zeit verblühten Mauerblümchen, einen Ehemann (der selbst seine beiden Eltern im Krieg verloren hat und ein einsames Junggesellendasein führt), bessert Wäsche aus, brüht Tee auf und summt dabei. Man könnte sich ja fragen, ob dieses Summen, etwas ist, das verdecken will, was allzu offensichtlich ist: Dass die Zeiten schlecht sind, dass auch das Leben, das Vera führt, schlecht ist, und dass sie die Kluft zwischen ihrer Existenz und einer glücklichen Zeit gewissermaßen hinwegsummen möchte, um ihrer Umgebung Gutes zu tun, indem sie Fröhlichkeit und Optimismus verbreitet.
Veras Summen aber ist nichts von alledem. Vera Drake ist eine Maschine, die funktioniert ohne zu reflektieren, bei der das Hilfsprogramm automatisch, immer, wenn es sich anbietet, abläuft. Der Mutter richtet sie schnell die Betten, kaum ein Wort geht über ihre Lippen, dem Mädchen, das nach der Abtreibung in Tränen ausbricht, sagt sie, dass am anderen Tage bestimmt der Abgang käme. Vera ist ein helfende Hand ohne psychologische Begabung, ohne Weitblick für das Dahinter der Situation, die sie sich ihr präsentiert. Dies wird vor allem deutlich nach ihrer Verhaftung als Engelmacherin. Nicht nur, dass sie nicht beim Namen nennen kann, was sie gemacht hat (sie half Mädchen »raus«), auch ist sie ganz erstaunt, dass ihre Tätigkeit strafbar ist. Mit Vera Drake hat Leigh eine Figur kreiert, die ganz weit weg ist nicht nur von einem Bewusstsein der Arbeiterklasse, auch von einem weiter gefassten gesellschaftlichen Denken, das sich mit Realitäten befasst. Der Figur wird ganz und gar abgesprochen zu reflektieren, das eigene Handeln zu befragen oder es gar mit einer gewissen Bewusstheit auszuführen. Hier wird ein mechanistisches Menschenbild deutlich, das Leigh aufruft, um die Unschuld von Vera Drake umso deutlicher hervortreten zu lassen. Und das ist dann fast schon wieder ein politisches Statement von Leigh: Seine anti-emanzipatorische Figur handelt aus einer völligen Naivität heraus, in der sich Abtreibungen mit Essenkochen in eine Reihe stellen.
Bleibt zum Schluss nur noch die Möglichkeit zur Redundanz: Der Film heißt Vera Drake, ist ein Film also von und für eine Person, für die Schauspielerin Imelda Staunton, die gekonnt die farblose Hilfsmutter darstellt, und dafür auch für den Oscar nominiert ist. Dass Leigh aber sich ausgerechnet die These »gut ist arm und hässlich und durch und durch naiv« vornehmen musste, in Abwandlung des Bibelspruchs »Selig sind die geistig Armen, denn ihnen gehört das Himmelsreich«, um eine Charakterrolle zu entwerfen, bleibt ein Rätsel.
Vera Drake ist ein Engel. Einer, wie er sonst oft durch die Filme Lars von Triers geistert. Der sich mit großem Herzen um seine Umwelt kümmert, der naiv und mit unerschrockenem Glauben an das Gute im Menschen durchs Leben gleitet, bis sich eine seiner gutgemeinten Taten ins fatale Gegenteil kehrt und das Schicksal im Kleid der Gesellschaft über ihn her fällt.
Schon immer hatte Regisseur Mike Leigh einen besonderen Blick auf das Soziale. Und nicht erst seit Lügen und Geheimnisse im Jahr 1996 lag die Familie auf dem Seziertisch seiner oft schmerzhaft tiefgehenden Filme. Bei Vera Drake wirkt das Drama rund um den Kosmos Familie nun erst mal sanfter und unaufdringlicher, als man es vom Engländer gewohnt ist. Die Einbettung in die Vergangenheit trägt einen großen Teil dazu bei. Im Jahr 1950 lebt Vera mit ihrem Mann Stan und den beiden erwachsenen Kindern Sid und Ethel in einer kleinen Arbeiterwohnung in London. Stan ist Mechaniker in der Autowerkstatt seines Bruders, Sid ist Schneider und Ethel steht am Fließband einer Glühbirnen-Fabrik. Vera arbeitet als Putzfrau, schrubbt und poliert die glänzenden Räume der Upper Class. Ansonsten kümmert sie sich um ihre kranke Mutter und hilft jungen Frauen ihre ungewollte und unbezahlbaren Schwangerschaften abzubrechen. Ein Schlauch und ein Bottich Seifenwasser genügen ihr dabei. Geld nimmt sie keines. Als ein Mädchen nach dem Eingriff ernsthaft erkrankt, kommt ihr die Polizei auf die Spur und überführt die reumütige Vera. Als Todesengel wird sie schließlich vor Gericht gebracht.
Gleich nachdem er letztes Jahr in Venedig den goldenen Bären als bester Film gewonnen hatte, begannen die Diskussionen um Vera Drake, der so unauffällig wie unbarmherzig seine bittere Geschichte vorträgt, so langsam wie langatmig, ohne je den mächtigen Rhythmus zu verlieren. Zu bekannt erschien seinen Kritikern die Geschichte, zu unspektakulär die Erzählweise. Dabei liegt in der ästhetischen wie dramaturgischen Rücknahme die Stärke von Vera Drake. Nur wenige Blicke in die mit dunklen Blumenmustern tapezierten, hübsch eingerichteten Zimmerchen der Familie Drake benötigt man, um die ganze Zufriedenheit trotz der Beschränkung zu spüren. Nur einen kurzen Moment muss Vera durch den düsteren Verhau ihrer bettlägerigen Mutter schleichen, in den beengten Dachkammern der Schwangeren nach den verdreckten Wasserbecken suchen, oder auf Knien die goldenen Leisten im großbürgerlichen Wohnzimmer säubern: Leigh und sein langjähriger Kameramann Dick Pope genügen stets der behutsame Blick auf ein wenig Raum, um dem Film einen immensen Reichtum an Atmosphären zu geben. Zwischen den Verzweiflungen der schwangeren Frauen und der Selbstgefälligkeit der Reichen. Natürlich auch dank der ebenso behutsam und dadurch äußerst eindringlich agierenden Schauspieler, die Leigh mit seiner Erfahrung als Theatermann noch immer ganz präzise zu inszenieren versteht.
Imelda Staunton lässt ihre Vera bei all dem Leid, dem sie täglich entgegen tritt, ihre gradlinige Miene bis zum Zusammenbruch niemals absetzen. Mit einem strengen Blick lenkt sie zu Hause ihre beiden Männer, ein schelmischer Augenaufschlag soll die schüchterne Tochter aus der Reserve locken. Dabei hat der einstige Chef-Zyniker Leigh, der etwa 1993 in Nackt David Thewlis mit einer apokalyptisch-bösen Zunge durchs nächtliche England schickte, auch seinen Humor in feinere Bahnen gelenkt. Alex Kelly als Tochter Ethel und ihr Schwarm Reg, gespielt von Eddie Marsan, geben in ihrer Schüchternheit ein herrlich verklemmtes Paar ab, das aber glücklich die Allee entlang schlurft. Die Schärfe der Dialoge wird besonders bei Veras Schwager Frank und dessen zickiger Frau Joyce deutlich, die sich gerne mit ein paar Luxusartikel in höhere Klassen einkaufen möchte.
Vera Drake ist weniger eine Parabel als ein feinsäuberlich erzähltes Sozialdrama. Natürlich lässt sich die Abtreibungsproblematik auch ohne weiteres ins Heute übertragen. Dank der Historisierung gewinnt Leigh aber einen Spielraum, den er mit großer Liebe zum Detail für eine dichte Milieuschilderung nutzt. Ob beim schmierigen Mief der Autowerkstatt, oder beim großen Zauber, den der kleine, weiße Karton mit den Weihnachtspralinen verbreitet. Außerdem kann Leigh die beiden Pole gutmütig-naive Wohltat und gefährlich-blinder Gesetzesbruch durch das Setting in der Zeit des spießbürgerlichen 50er-Jahre-London mit der braven Vera Drake viel stärker auf die moralische Spitze treiben, als es bei einer aktuellen Version möglich wäre. Auch am Ende, beim Prozess, sieht der Film keinen Grund zur Eile, verfolgt in aller Ruhe den Leidensweg von Vera mit der immer wiederkehrenden Anklage, der Beweismittelaufnahme, der Verteidigung. Nach Ken Loach und dessen Just a Kiss meldet sich mit Mike Leigh nun ein weiterer Großmeister des britischen Dramas zurück -zwar ein wenig leiser, aber mindestens ebenso energisch.
»Summ summ summ« – nur böse Menschen kennen bekanntlich keine Lieder, und Vera Drake kennt so viele, wie sie herzensgut ist. Den lieben langen Tag singt sie gern vor sich hin, ein Mensch mit reinem Gewissen, und um das zu untermauern, trägt sie auch immer ein Lächeln auf den Lippen. Und wenn sie mal den Text vergessen hat, dann summt sie eben
Vera arbeitet gern, ihr Geld verdient sie als Putzfrau, ihren Mann Stan hat sie lieb, und Sohn und Tochter sind auch wohlgeraten und fleißig. Aber die ein wenig ergraute Frau mit den gütigen Gesichtszügen und den ausgeleierten Strümpfen kümmert sich nicht nur um sie, sie schaut selbstredend auch bei ihrer Mutter vorbei, pflegt mal eben noch die kranken Nachbarn, ermahnt sie – freundlich aber bestimmt – dass sie ihren Teller auch schön leer essen – und lächelt noch mal kurz im Türrahmen Hart und karg war das Leben schon im London der 50er, wo es kein Wirtschaftswunder gab, und noch immer die Folgen des Krieges den Alltag mit seinen rationierten Lebensmitteln bestimmten. Den Händen von Vera Drake sieht man auch an, dass sie gelegentlich kräftig zupacken musste – aber eigentlich war alles irgendwie doch idyllisch. Der Ofen dampft, schnell wird noch ein Tee für den Besuch aufgesetzt – nimmermüde und immerfroh ist Vera die Hingabe und Großherzigkeit selbst, DIE gute Frau von London von solch' einem riesigen und völlig ungebrochenen Ausmaß an positiven Charaktereigenschaften, dass man sie sich als wunderbare Gestalt in einer Komödie, von den Monthy Pythons zum Beispiel, vorstellen könnte.
Nur – eine Komödie ist Vera Drake, der neue Film von Mike Leigh, mit dem der Brite 2004 einen überaus schwachen Wettbewerb bei den Filmfestspielen von Venedig gewann, ganz und gar nicht. Vielmehr handelt es sich um einen bebilderten Leitartikel und ein saftiges Stück jenes sozialpädagogischen Depressionskinos, das man von Leigh seit 30 Jahren gewohnt ist.
Denn natürlich wird die ganze Idylle nur so fein säuberlich und putzig ausgemalt, um sie hernach mit geradezu perverser Genüßlichkeit zu zerstören. Vera ist nämlich eine »Engelmacherin«, heimlich hilft sie jungen Frauen, die durch eine Schwangerschaft in Nöte verschiedenster Art geraten. Auch dies macht sie so perfekt, wie alles andere, ohne bluttriefende Pannen, dafür mit einfühlsamer Zärtlichkeit. Geld nimmt sie für ihre Dienste selbstverständlich auch nicht. Eines Tages fliegt nun das Ganze auf, und und während der zweiten Filmhälfte mutiert die gute Frau zu einem schweigenden Opferlamm, und der Film zu einem Gerichtdrama mit vorhersehbarem Ausgang.
Eine wahre Begebenheit. Aber Wahrheit ist kein künstlerisches Argument. Das eigentliche Drama ist allemal ein persönliches – die innerfamiliären Folgen der Entdeckung von Veras heimlichem Tun. Wäre Leigh an Politik interessiert, wäre dies nicht notwendig ein besserer Film geworden. Aber zumindest hätte er, um dem Ganzen nicht schon vorab alle Sprengkraft zu nehmen, die Handlung in der Gegenwart ansiedeln müssen. So wirkt alles wie die Sehnsucht eines alten Mannes nach
den großen Jahren der Arbeiterbewegung, als alles noch so schön einfach war. Am Übelsten sind nämlich die Klischees, ohne die Leigh offenbar kein Kino machen kann: Gute Menschen singen hier nicht nur und haben angenehme Stimmen, sie sind bei ihm auch aus Prinzip hässlich, und in triste Farben gekleidet. Der Mittelstand ist bunter, aber eben materialistisch, konsumgeil und ergo unmoralisch – und wer aus der Unterklasse in den Mittelstand aufsteigen will – und warum
sollte man das eigentlich nicht wollen? – ist einfach nur unmoralisch. Die Reichen und Mächtigen sind eh böse. Ein Kino, das nur Schwarz-Weiß kennt, keinen einzigen Grauton, dass künstlerisch nichts zu bestellen hat, sondern seine Handlung naturalistisch Szene für Szene illustriert, wie ein Fotoroman.
Welch ein Unterschied zu den Filmen von Ken Loach, die auch positiven Figuren Schwächen zugestehen, in denen Menschen in ihrer Vielfalt zu sehen sind, keine eindimensionalen
Abziehbilder! Und die einfach besser, genauer und einfallsreicher erzählt sind. Es geht hier gar nicht darum, die moralischen und politischen Positionen Mike Leighs zu verwerfen – allerdings können sie auch umgekehrt kein Argument sein, um einen schlechten Film nicht ganz so schlecht zu finden – sondern die Tatsache, dass sie bei Leigh in schlechten Geschmack, genau gesagt Polit- und Moralkitsch münden.
Man muss kein Gegner der Abtreibung sein, um sich von einem solchen hölzernen Unglücksmarathon enerviert zu fühlen, der dem Zuschauer keine Chance läßt, sondern ihm von der ersten Minute an undiskursiv vorgibt, was er zu denken und zu fühlen hat. Ähnlich wie Michael Moores Fahrenheit, aber weitaus weniger unterhaltsam, ist Vera Drake biederes Holzhammerkino ohne jede cineastische Vision, das keinen nicht bereits Bekehrten überzeugt – und seinem durchaus sympathischen Anliegen, für die Erniedrigten und Beleidigten Partei zu ergreifen, mehr schadet, als nutzt.