Deutschland 2024 · 101 min. · FSK: ab 12 Regie: Thomas Arslan Drehbuch: Thomas Arslan Kamera: Reinhold Vorschneider Darsteller: Misel Maticevic, Marie Leuenberger, Alexander Fehling, Tim Seyfi, Marie-Lou Sellem u.a. |
||
Alles austauschbar... | ||
(Foto: Piffl Medien) |
Es passiert selten, dass ein Film keine Assoziationen evoziert. Thomas Arslans Film ist so ein Film. Nicht eine Notiz, nicht ein Stichwort habe ich während des Films oder nach dem Film aufgeschrieben. Was bleibt, ist ein Herantasten über einen Text, über assoziatives Schreiben. Am einfachsten dabei ist sicherlich der Bezug zu Arslans Film Im Schatten aus dem Jahr 2010. Verbrannte Erde ist die Fortsetzung von Im Schatten. Schon damals schwieg sich ein großartiger Mišel Matičević als Trojan körperlich präzise durch eine alltagsgeprägte Noir-Handlung mit Überfällen, Toten, verlorener Liebe und verlorenen Chancen.
Nicht anders ergeht es Trojan auch jetzt. So wie damals aus dem Gefängnis kehrt er jetzt aus dem Gefängnis einer umnachteten Vergangenheit zurück, trifft alte Weggefährten, die überrascht sind, ihn zu sehen, die bürgerlich und austauschbar geworden sind wie das inzwischen durchsanierte Berlin, das Arslan mit der Kamera von Reinhold Vorschneider so fotografiert als wäre es nicht Berlin, sondern eine Stadt wie jede andere.
Auch das Verbrechen ist inzwischen austauschbar, es sieht sich inzwischen wie in jedem Blockbuster an, die Computeranimationen eines Überfalls, eines Kunstraubs sind replizierbar und könnten für jedes Verbrechen stehen. So wie Kunst hier »augenfällig« ein Investitionsprodukt ist, auch wenn es sich um Caspar David Friedrich handelt. Die Kunst ist so wie die Stadt, so wie das Verbrechen und so wie die Protagonisten, ihre Beziehungen und die verkümmerte Sehnsucht nach Nähe ein Ding ohne Eigenschaften.
Arslan treibt diesen Entfremdungsprozess bis ins Finale seines Films gnadenlos voran. Das bedeutet in diesem sehr thetischen Ansatz dann aber auch, dass die klassischen Bestandteile eines Film Noirs nach und nach diesem Entfremdungsprozess zum Opfer fallen, die Spannung nicht mehr spannend und die Gewalt belanglos wird. Es sind Menschen wie Hüllen und Taten ohne Sinn und Zweck. Konsequenterweise löst Arslan den Film auch dementsprechend auf, bleibt nichts von dem, was war, was hätte sein können.
Diese Leere, diese entsetzliche Leere unterbindet dann auch jegliche Assoziationsketten und lässt den Betrachter so unterkühlt und verloren zurück, wie der Film in seinem monolithischen Anspruch.
Was bleibt, ist nicht die Erinnerung an die Verwandlung von Arslans Helden und seiner Stadt, sondern die Erinnerung an zwei andere Filme mit ähnlichen Helden, die sich statt zu verlieren, finden. Sowohl in Daniel Rakete Siegels und Denis Moschittos Schock (2023) als auch in David Nawrath Atlas (2018) erfinden sich auch die Städte, in denen die schweigsamen Helden operieren, neu, ist sowohl das Köln in Schock als auch das Frankfurt in Atlas so körperlich, so organisch wie die Helden in diesen Filmen. Es sind die besseren Städte, Städte, die so dunkel es auch sein mag, glitzern und schimmern, die noch im Untergang leuchten und eine sogartige Faszination ausstrahlen, so wie die Menschen, die ihnen ausgeliefert sind.
Bei Arslan ist alles tot, von Beginn an. Niemand entwickelt sich hier mehr. Die Stadt Berlin ist zu Tode durchinvestiert und die Menschen dort sind Zombies, lebende Tote, die mit dem bisschen Hirn, was aus ihrer Vergangenheit noch geblieben ist, das tun, was sie immer schon getan haben. Seelenlos, leblos.