Dänemark/Deutschland 2018 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Christoffer Boe Drehbuch: Nikolaj Arcel, Bo Hr. Hansen, Mikkel Nørgaard Kamera: Jacob Møller Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Johanne Louise Schmidt, Søren Pilmark, Anders Hove u.a. |
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Ranziger Nachgeschmack |
Der Sommerwind, von dem Frank Sinatra zu Anfang singt, wird nicht nur Gutes bringen, das ist früh zu ahnen. Dänemark im Sommer 1961. Ein junges Paar küsst sich am Strand, von ihrem strengen Vater ist die Rede und dann ist er auch schon da und unterbricht das Liebestreffen. Die Tochter namens Nete wird auf ein Mädcheninternat gezwungen, das auf einer einsamen Insel gelegen ist und überaus streng geführt wird.
Dann springt die Filmhandlung in die Gegenwart. Carl Mørck (gespielt von Nikolaj Lie Kaas) ist ein scheinbar herzloser Polizist, Sonderermittler im Dezernat Q der Polizei von Kopenhagen. Seine Aggressionen hat er nicht gut unter Kontrolle. Am nächsten Tag übernimmt der Griesgram gemeinsam mit seinem Assistenten Assad (Fares Fares) einen besonderen Fall: Ein ganzes Zimmer in einer alten Wohnung war zugemauert. Als es geöffnet wird, entdeckt man ein Horrorkabinett: Drei mumifizierte Leichen, zwei Frauen und ein Mann, die um einem gedeckten Esstisch herum sitzen.
Die Spur führt die Ermittler auf die Mieterin der Wohnung, Gitte Charles. Wie die drei Toten lebte sie vor vielen Jahren in einer Klinik für sogenannte »schwierige Mädchen« auf der Insel Sprogø. Immer wieder wechselt die Zeitebene in diesem Film: Einerseits folgt der Film der jungen Nele und ihrem grausigen Schicksal in der Anstalt. Andererseits geht es um die Ermittlung: Zeugen werden befragt, alte Akten gesichtet, Puzzleteile und Indizien geordnet. Könnte eine Insassin des Internats
sich an dem Personal gerächt haben? Die Spur führt weiter zu Ärzten in Kopenhagen, die in einer geheimen Verschwörung noch heute diesen grausamen Plan verfolgen könnten.
Im Lauf der Zeit erkennen Mørck und Assad, dass im Internat eine Art faschistischer Geheimbund das Sagen hatte und seine Ideologie einer Herrenrasse in die Tat umsetzte: »Von den Mädchen war kaum eine wirklich krank. eine Art Gefängnis für leichtlebige Frauen. Die letzten Zuckungen der vom Staat gewollten
totalitären Einrichtungen der 1950er Jahre.«
Junge Frauen wurden von den Ärzten missbraucht, Zwangssterilisierungen wurden praktiziert. Tatsächlich wurden in Dänemark in den Jahren zwischen 1933 und 1962 11 000 Frauen zwangssterilisiert – so informiert der Abspann des Films. Die Zahl der Vergewaltigungen in Mädchenheimen ist nicht bekannt.
Nacht und Regen, Wind und Kälte, und entsättigte Farben prägen die Kulissen. Der Stil ist trotzdem kaum »Nordic Noir«, sondern braves Bebildern, gewürzt mit ein wenig Gesellschaftskritik.
Regisseur Christoffer Boe hat vor 16 Jahren mal mit Reconstruction ein beachtliches Debüt hingelegt, seitdem aber vor allem routinierte Fernseharbeiten veröffentlicht. So ist Verachtung im Ergebnis eigentlich nichts anderes als ein ZDF-Fernsehkrimi, gefördert mit Geldern der Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein – das mag für Hamburger
Patrioten und Mainzelmänner schon Grund genug sein, den Film gut zu finden.
Ansonsten bleibt eher der ranzige Nachgeschmack abgestandener Fernsehkost.