Verachtung

Journal 64

Dänemark/Deutschland 2018 · 119 min. · FSK: ab 12
Regie: Christoffer Boe
Drehbuch: , ,
Kamera: Jacob Møller
Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Johanne Louise Schmidt, Søren Pilmark, Anders Hove u.a.
Ranziger Nachgeschmack

Brave Bilder

Der Sommer­wind, von dem Frank Sinatra zu Anfang singt, wird nicht nur Gutes bringen, das ist früh zu ahnen. Dänemark im Sommer 1961. Ein junges Paar küsst sich am Strand, von ihrem strengen Vater ist die Rede und dann ist er auch schon da und unter­bricht das Liebes­treffen. Die Tochter namens Nete wird auf ein Mädchen­in­ternat gezwungen, das auf einer einsamen Insel gelegen ist und überaus streng geführt wird.

Dann springt die Film­hand­lung in die Gegenwart. Carl Mørck (gespielt von Nikolaj Lie Kaas) ist ein scheinbar herzloser Polizist, Sonder­er­mittler im Dezernat Q der Polizei von Kopen­hagen. Seine Aggres­sionen hat er nicht gut unter Kontrolle. Am nächsten Tag übernimmt der Griesgram gemeinsam mit seinem Assis­tenten Assad (Fares Fares) einen beson­deren Fall: Ein ganzes Zimmer in einer alten Wohnung war zuge­mauert. Als es geöffnet wird, entdeckt man ein Horror­ka­bi­nett: Drei mumi­fi­zierte Leichen, zwei Frauen und ein Mann, die um einem gedeckten Esstisch herum sitzen.

Die Spur führt die Ermittler auf die Mieterin der Wohnung, Gitte Charles. Wie die drei Toten lebte sie vor vielen Jahren in einer Klinik für soge­nannte »schwie­rige Mädchen« auf der Insel Sprogø. Immer wieder wechselt die Zeitebene in diesem Film: Einer­seits folgt der Film der jungen Nele und ihrem grausigen Schicksal in der Anstalt. Ande­rer­seits geht es um die Ermitt­lung: Zeugen werden befragt, alte Akten gesichtet, Puzzle­teile und Indizien geordnet. Könnte eine Insassin des Internats sich an dem Personal gerächt haben? Die Spur führt weiter zu Ärzten in Kopen­hagen, die in einer geheimen Verschwö­rung noch heute diesen grausamen Plan verfolgen könnten.
Im Lauf der Zeit erkennen Mørck und Assad, dass im Internat eine Art faschis­ti­scher Geheim­bund das Sagen hatte und seine Ideologie einer Herren­rasse in die Tat umsetzte: »Von den Mädchen war kaum eine wirklich krank. eine Art Gefängnis für leicht­le­bige Frauen. Die letzten Zuckungen der vom Staat gewollten tota­litären Einrich­tungen der 1950er Jahre.«

Junge Frauen wurden von den Ärzten miss­braucht, Zwangs­ste­ri­li­sie­rungen wurden prak­ti­ziert. Tatsäch­lich wurden in Dänemark in den Jahren zwischen 1933 und 1962 11 000 Frauen zwangs­ste­ri­li­siert – so infor­miert der Abspann des Films. Die Zahl der Verge­wal­ti­gungen in Mädchen­heimen ist nicht bekannt.

Nacht und Regen, Wind und Kälte, und entsät­tigte Farben prägen die Kulissen. Der Stil ist trotzdem kaum »Nordic Noir«, sondern braves Bebildern, gewürzt mit ein wenig Gesell­schafts­kritik.

Regisseur Christoffer Boe hat vor 16 Jahren mal mit Recon­struc­tion ein beacht­li­ches Debüt hingelegt, seitdem aber vor allem routi­nierte Fern­seh­ar­beiten veröf­fent­licht. So ist Verach­tung im Ergebnis eigent­lich nichts anderes als ein ZDF-Fern­seh­krimi, gefördert mit Geldern der Film­för­de­rung Hamburg-Schleswig-Holstein – das mag für Hamburger Patrioten und Main­zel­männer schon Grund genug sein, den Film gut zu finden.
Ansonsten bleibt eher der ranzige Nach­ge­schmack abge­stan­dener Fern­seh­kost.