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Män som hatar kvinnor

Schweden/DK/D 2009 · 153 min. · FSK: ab 16
Regie: Niels Arden Oplev
Drehbuchvorlage: Stieg Larsson
Drehbuch: ,
Kamera: Eric Kress
Darsteller: Noomi Rapace, Michael Nyqvist, Sven-Bertil Taube, Peter Andersson, Peter Haber u.a.
Was wird gewonnen, was geht verloren?

Groß angekündigt

Der Däne Niels Arden Oplev hat den ersten Teil der Mill­en­nium-Best­seller-Trilogie von Stieg Larsson verfilmt, die auch im Kino gleich als Drei­er­pack beworben wird. Der Enthül­lungs­jour­na­list Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) bekommt den Auftrag, ein altes Fami­li­en­rätsel des Indus­tri­ellen-Clans der Vangers zu lösen: das Verschwinden des Mädchens Harriet unter unge­klärten Umständen. Dabei wird er unter­s­tützt von der unter Vormund­schaft stehenden Lisbeth Salander (Noomi Rapace), einer Hackerin mit sehr spezi­ellen Recherche- und Geschäfts­me­thoden. Die knapp 700 Seiten kürzt der Regisseur sportlich zusammen, so dass er schon nach 153 Minuten das Ziel erreicht. Was wird dabei gewonnen, was geht verloren?

Der Film ist kompakt gebaut und farblich und licht­dra­ma­tur­gisch gekonnt insze­niert. Die Musik (Jacob Groth) trägt viel zur Span­nungs­stei­ge­rung bei. Die Handlung ist extrem entschlackt und das hat gegenüber der Buch­vor­lage durchaus Vorteile, da so allzu ausführ­liche Fami­li­en­schil­de­rungen und Verwandt­schafts­ver­stri­ckungen wegfallen. Der Fami­li­en­stamm­baum erscheint als mit Karten gestecktes Schaubild an der Wand Blomkvists, die Indus­tri­el­len­fa­milie wird außerdem in einem kurzen Film vorge­stellt. So gewinnt Oplev Zeit für seine zwei Haupt­cha­rak­tere und hier vor allem für Lisbeth Salander. Diese wird von Noomi Rapace beein­dru­ckend tough und schroff verkör­pert. Man erfährt, auch durch eine Rück­blende in ihre Vergan­gen­heit, im Film fast mehr über sie als im Buch. Aller­dings ist ihre verletz­liche Seite, die sie erst zu einer komplexen und faszi­nie­renden Figur macht, kaum ausge­spielt, so dass die psycho­lo­gi­sche Tiefe fehlt. Ihre im Roman immer wieder mühsam erkämpfte psychi­sche Selbst­kon­trolle oder ihre Verletz­lich­keit in Sachen Liebe werden, wenn überhaupt, nur ange­deutet. Oder stellen ein großes Tattoo auf dem Rücken und einige Piercings schon eine hinrei­chende Charak­te­ri­sie­rung dar? Ihre Welt wird einfach zu duster geschil­dert, um Nuancen sichtbar machen zu können.

Auch die Figur des Mikael Blomkvist verliert in der Verfil­mung einiges von ihrer Komple­xität und Leben­dig­keit. Der Womanizer der Buch­vor­lage, der ein außer­ehe­li­ches Verhältnis mit seiner Arbeits­part­nerin pflegt und auch eine Affäre mit Cecilia Vanger, einem verdäch­tigen Clan­mit­glied, eingeht, ist hier nur noch ein ernster und ziel­stre­biger Jour­na­list auf der Verbre­chens­fährte. Seine Gewis­sens­qualen, ob er die dunklen Geheim­nisse, die er am Ende aufdeckt, veröf­fent­li­chen soll, werden aufgrund der geän­derten Handlung ganz wegge­lassen. Der schwe­di­sche Schau­spieler Nyqvist hat zwar eine starke Lein­wand­prä­senz, ist aber hier mimisch wenig variabel und daher insgesamt zu einer eher lang­wei­ligen Figur ohne Beson­der­heiten degra­diert. Auch die Liebes­be­zie­hung der extrem unter­schied­li­chen Prot­ago­nisten, der Zusam­men­prall der zwei sozialen Universen, bleibt ohne (filmische) Höhe­punkte oder Verdich­tungen und weckt kein Interesse. Kaum eine Szene geht unter die Haut.

Männer, die Frauen hassen

So konzen­triert sich denn alles auf den Krimiplot und hier kostet Oplev die visuellen Möglich­keiten der Vorlage aus. Die Jagd nach dem entschei­denden Foto und seinen verrä­te­ri­schen Einzel­heiten ist in einer Art Blow Up-Zitat gestaltet und macht Spaß. Auch die Spuren­suche nach den geheim­nis­vollen Abkür­zungen und Namen in Archiven und am Laptop sind routi­niert und schlüssig in Szene gesetzt. Viel­leicht liegt es an einer gewissen Sättigung durch zu viele Genre­filme oder an der Vorkenntnis des Buches, dass einen schließ­lich die finalen Schrecken der Seri­en­morde nicht wirklich schrecken. Das Folter- und Quällabor im eigenen Haus­keller, der pseu­do­bib­li­sche Tötungs­wahn­sinn über zwei Gene­ra­tionen – all dies wird gezeigt und aufge­deckt, die Spannung bis zur größt­mög­li­chen Lebens­ge­fahr des Ermitt­lers gestei­gert, aber all dies, ohne eigene Konturen zu gewinnen oder neue filmische Mittel zu kreieren.

So wächst Verblen­dung kaum über Krimi­se­rien und Filme mit ähnlichen Hand­lungen hinaus und bebildert und gestaltet zwar in gelun­gener Dunkel-Ästhetik und ange­mes­sener Rasanz die Buch­vor­lage, verschenkt aber die psycho­lo­gi­schen und damit schau­spie­le­ri­schen Dimen­sionen seiner Figuren.