S/DK/GB/FIN 2009 · 81 min. Regie: Erik Gandini Drehbuch: Erik Gandini Kamera: Manuel Alberto Claro, Lukas Eisenhauer Schnitt: Johan Söderberg |
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Szene 1 |
Zwei Szenen:
Lele Mora, italienischer Medienmogul, enger persönlicher Freund Berlusconis und öffentlich bekennender Mussolinianhänger, sitzt auf dem Sofa in seiner Villa und hält stolz sein Handy in die Kamera, auf dem ein faschistischer Marsch spielt.
Silvio Berlusconi streitet vor internationalen Kritikern den Vorwurf ab, er benutze seinen Einfluß auf die italienischen Medien zur Stimmungsmache in seinem Volk. Direkt darauf sieht man ein Wahlwerbevideo mit Karaokeuntertiteln zum Mitsingen, wie es auf seinen Sendern lief.
Das sind die zwei Momente, die Videocracy legitim bestätigen, dass sich die Dokumentation mit der Manipulation des italienischen Volkes durch die von ihrer Regierung kontrollierten Medien auseinandersetzt.
Unerklärlich ist es, dass Regisseur Gandini nicht weiter auf diese durchaus brisanten Momente aufbaut. Statt dessen bekommt man Clip an Clip Auschnitte aus diversen albernen Unterhaltungsshows zu sehen. Dies geschieht fast kommentarlos, so
dass man teils amüsiert, teils arrogant über den Mangel an Qualität im italienischen Fernsehen urteilt, während man gleichzeitig insgeheim weiß, daß ebendiese Shows fast ausnahmslos auch im deutschen, oder generell westlichen Fernsehen laufen könnten. Dafür schämt man sich dann ein bißchen, weiß aber immer noch nicht, was daran nun speziell politische Meinungsmache sein soll.
Sicherlich, wenn der größte Traum vieler junger Italienerinnen ist, neben einem Showhost pausenfüllend und schweigend tanzen zu dürfen, ist das kein Paradebeispiel für den Feminismus; ein Vortanzen für diesen Traumjob in einem Einkaufszentrum mitzufilmen, allerdings auch kein unumstößlicher Beweis für die sexistische Beeinflussung des Volkes durch die Regierung.
Ebenso ist ein Fernsehprogramm, das seine Schwerpunkte zwischen Big Brother und seichten Unterhaltungsshows ansiedelt, gewiss kein Ersatz für politische Diskussionsrunden und literarische Zirkel. Den Sendern aber systematische Volksverdummung nachzuweisen, erfordert eben mehr als nur Ausschnitte aus Spielshows zu zeigen.
In der zweiten Hälfte des Films verliert Gandini zusehends sein eigentliches Ziel aus dem Blick. Den größten Teil verbringt er hier mit einer Kurzbiographie über Fabrizio Corona, einen notorisch erpresserischen Paparazzi. Dieser sieht sich selbst als modernen Robin Hood, indem er von den Reichen nimmt, und das Geld selbst behält. Er schimpft über seine Opfer, die arroganten Reality TV Stars, und wird aufgrund seiner erpresserischen Handlungen hinter Gitter gesperrt, nur um danach selbst zu versuchen, seinen Publicityhunger mit Fernsehauftritten zu stillen.
Ist diese allseits präsente Mediengestalt ein taugliches Vorbild für die beeinflußbare Jugend? Sicher nicht. Hat sein Werdegang etwas an sich, das die Allmacht des Präsidenten über die Medien – und somit die politische Beinflussung des Volkes – erläutert? Nein. Ist die Ernennung zweifelhafter Charaktere zu Celebrities ein typisch italienisches Phänomen, wie es erst in den letzten Jahren aufgetreten ist? Leider nein.
Mein Problem mit dem Film liegt in der mangelnden Reflexion über das gezeigte Material. Zusammenhänge zwischen Regierung und Medien werden angedeutet, aber eben nicht näher erklärt. Was dann unter dem Strich bleibt ist die verbitterte Erkenntnis, dass das Abendland schon wieder untergeht, und immer noch das Fernsehen daran schuld ist. Eine viel zu allgemeine Anklage für einen Film, der sich aufmachte, Korruption und Zwielichtigkeit einer Regierung und ihrer Handlanger aufzudecken.