USA 1999 · 96 min. · FSK: ab 12 Regie: Sofia Coppola Drehbuch: Sofia Coppola Kamera: Edward Lachman Darsteller: Kirsten Dunst, Josh Hartnett, Hanna Hall, Kathleen Turner u.a. |
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»Cecilia was the first to go.« Diese Worte des Erzählers aus dem Off bestärken die Vermutungen, die schon der Titel des Films The Virgin Suicides im Zuschauer erweckt: Der Selbstmord von Cecilia, der Jüngsten der fünf Lisbon-Schwestern, wird nicht der einzige bleiben. Sofia Coppola wandelt in ihrem Spielfilmdebüt gekonnt zwischen den Sphären adoleszenter Teenager-Träume und der Realität einer konservativen Vorort-Familie in den USA der Mittsiebziger.
Die Lisbons sind eine typische amerikanische Familie und sie haben fünf Töchter, die allesamt wunderschön sind und eine entsprechende Faszination auf das männliche Geschlecht ausstrahlen. Der Vater, kongenial interpretiert von James Woods, ist mit Leib und Seele Mathematiklehrer, die Mutter eine perfekte Hausfrau und streng gläubige Katholikin. Wie können diese beiden Eltern gleich eine ganze Reihe von solch perfekten weiblichen Geschöpfen zustande bringen? Dies fragen sich die Nachbarsjungen, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Sie fühlen sich von den unnahbaren Töchtern schon immer magisch angezogen, doch der Selbstmord der 13-jährigen Cecilia (Hanna Hall) erschafft schließlich ein Mysterium, dem die Jungen auf den Grund gehen müssen.
Den Lisbons wird von ärztlicher Seite dazu geraten, dass ihre Töchter die Möglichkeit zu mehr sozialen Kontakt – sprich: Jungs – bekommen sollten, damit weiteres Unglück verhindert werden kann. Trotz des gescheiterten Versuchs einer Party im Hause Lisbon schafft es der Mädchenschwarm Trip Fontaine (Josh Hartnett) ein letztes Mal, die fünf Schwestern aus der gut bewachten Festung ihres Elternhauses wenigstens für einen Abend zu befreien. Denn obwohl ihm alle Mädchen hinterherlaufen – oder gerade deswegen –, hat er sich unsterblich in die Älteste der Lisbons namens Lux (Kirsten Dunst) verliebt, die ihn nicht an sich heranlassen will. Trip schafft es, mit den Eltern die Erlaubnis für ein gemeinsames Ausführen der Töchter zum Abschlussball auszuhandeln und so haben fünf Jungs die seltene Ehre, mit den exklusivsten Mädchen des Ortes auszugehen. Der Verlauf des Abends bestätigt die schlimmsten Befürchtungen der Eltern, alle zaghaften Versuche, die Töchter in die Freiheit zu entlassen, sind am Ende zum Scheitern verurteilt. Mrs. Lisbon, sehr überzeugend von Kathleen Turner umgesetzt, reagiert mit der absoluten Abschottung ihrer Familie nach außen, die Isolation führt jedoch nicht zur Rettung der Töchter, sondern zur Katastrophe.
Einen Film über das Leben von Teenagern zu machen, ist keine einfache Aufgabe. Entweder wird daraus einer der typischen High-School-Filme mit helden- oder auch monsterhaften Lehrern, mit Football spielenden Jungs und den scheinbar unvermeidlichen Cheerleaderinnen. Wählt man einen anderen Zugang, so gerät man leicht in die Schusslinie, wie z.B. Larry Clark mit seinem vieldiskutierten Kids, der angeblich zu unkritisch mit der Drogen- und Sexualitätsthematik umgeht. Die schlechten High-School-Filme möchten nun all jene Fragen beantworten, die eigentlich nicht beantwortbar sind, die Fragen nach dem Dahinter, dem tieferen Sinn und Grund des Daseins. The Virgin Suicides versucht hingegen nicht, die Ängste der Teenager angesichts dieser Fragen aufzulösen oder gar irgendwelche Patentrezepte für ein glückliches Leben anzubieten. Die aufkeimende Sexualität bleibt hier monströs und die Gedankenwelt der fünf Schwestern ein Buch mit (mindestens) fünf Siegeln. Die Phase der Adoleszenz ist eine Zeit der Zerstörung von Unschuld und die Romanvorlage des Films von Jeffrey Eugenides nimmt die Beschreibung dieses Zerstörungsprozesses in ihren Fokus. Sofia Coppola respektiert die offene, an Detailbeschreibungen orientierte und aus der Distanz agierende Erzählstrategie des Buches, die sich auf die subjektiven Beobachtungen der Perspektivfiguren verlässt. Der Blick der Kamera ist der Blick der Nachbarsjungen, die die langsame Selbst-Zerstörung der Lisbon-Familie beobachten und nichts dagegen anrichten können.
Die Distanz ist ebenfalls eine zeitliche, die Off-Narration erzählt die Geschichte aus einer 25 Jahre späteren Sichtweise. Dieser dramaturgische Schachzug erlaubt dann auch die verklärende Zusammenschau der Ereignisse aus dem Blick des Erzählers, der aus der Geschichte der Schwestern einen Mythos herausdestilliert, den Mythos über das Mysterium des Weiblichen. Die Schönheit der Lisbon-Schwestern macht sie zu unerreichbaren, engelhaften Wesen, der Beschützerwahn der Eltern verhindert ihre Einbettung in die reale Welt und belässt sie in einer Traumwelt, die ein dankbares Feld für die Projektionen der Jungen bietet und deren Untergang vorherbestimmt ist. An dem Gang des Schicksals und dem unabwendbaren Ende lässt der Film auch keinen Augenblick einen Zweifel, was mit Sicherheit eine seiner Stärken darstellt: Der Blick des Zuschauers ist freigegeben auf die kleinen Details in der Entwicklung der Figuren und ihren Beziehungen, und dieser Blick ist nicht weniger erstaunt oder fasziniert als jener der Nachbarsjungen.
Die Traurigkeit und das Atmosphärische des Kinodebüts von Sofia Coppola wird äußerst stimmig von einem Soundtrack des französischen DJ-Duos »Air« untermalt, der seinen Weg auf den deutschen Markt wesentlich schneller gefunden hat als der dazugehörige Film. Das Spielfilmdebüt wurde von der Firma »American Zoetrope« des Vaters der Regisseurin, Francis Ford Coppola, produziert, womit auch die Finanzierung ihrer weiteren Filme gesichert sein dürfte. Nach der äußerst sehenswerten Leistung mit The Virgin Suicides darf man diesbezüglich schon sehr gespannt sein.