Deutschland 2001 · 108 min. · FSK: ab 6 Regie: Lars Kraume Drehbuch: Lars Kraume, Tom Schlessinger Kamera: Andreas Doub Darsteller: Alexander Scheer, Götz George, Chulpan Khamatova, Maria Schrader u.a. |
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In der Werbung, so will es das Vorurteil, wird sowieso nur gelogen und betrogen. Ausschließlich aus Aufschneidern und Blendern scheint sich diese geheimnisvolle Welt zusammenzusetzen, deren einziges Ziel darin besteht, das Publikum möglichst effektiv zu manipulieren. Die gleichen Gesetze auch im Innern: unter schöner Oberfläche ein Abgrund aus Intriganz, Amoral, Gier und Karrierestreben. Trotzdem (oder gerade deswegen?) gilt der Werbeberuf nach wie vor als Traumjob in einer Zeit, die sich mit Vorliebe dem Fake, dem Unechten, im Zweifelsfall Vorgetäuschten verschrieben hat, in der die Kunst des Betrugs wie des trickreichen Ausnutzens menschlicher Schwächen zum wichtigsten »sozialen Kapital« gehört.
Auch Viktor Vogel (Alexander Scheer), die Hauptfigur von Viktor Vogel – Commercial Man, kennt kein höheres Ziel, als als Art Director bei einer Frankfurter Werbeagentur anzuheuern. Nur hat er weder eine Ahnung von dem, was er dafür wissen sollte, noch verfügt er über ein Minimum jener Benimmregeln, die ihm vielleicht die Tür zur Chefetage öffnen könnten. Vielmehr herrscht der Betrug von der ersten Minute an. Unerlaubt erhält Viktor Zutritt zu einer wichtigen Besprechung, und diese geglückte Hochstapelei ist schon fast Qualifikation genug – zumindest als Strohmann für den alternden, erfolglosen Creative Director Eddie Kaminski (Götz George) wird er an einem großen Auftrag beteiligt.
Regisseur Lars Kraume (dem mit Dunckel vor zwei Jahren ein passables Debüt gelang) präsentiert seinen Helden als eine Art Taugenichts, der von zuhause hinaus in die weite Welt gezogen, schließlich zum Hans im Glück wird. Dabei möchte der Film, zu dem Kraume auch das Drehbuch schrieb, gleich mehreres auf einmal sein: Einerseits eine Gesellschaftssatire, vollgespickt mit Alltagspartikeln, mal mehr, oft weniger subtilen Anspielungen auf die Verhältnisse und
dem einen oder anderen cineastischen Insiderverweis. Andererseits geht es auch um Amüsement der schlichteren Sorte, das im Niveau seines Humors dabei genau auf jenes Publikum zielt, das zum Teil selbst die süßen Träume von der großen Werberkarriere teilt – und für deren entlarvende Dekonstruktion darum naturgemäß eher unaufgeschlossen ist.
Mit der ist es allerdings sowieso nicht weit her. Theoretisch möchte Kraume ganz offensichtlich das längst ausgeleierte
Schema jener deutschen Beziehungskomödien vermeiden, die in der zweiten Hälfte der 90er immer wieder simple Geschichten aus schönen, bunten, teuer ausgestatteten Lofts in München und Berlin erzählten und banale Schicksale zu künstlichen Dramen hochkochten.
In der Praxis fällt er aber genau in diese Falle. Viktor Vogel ist ein infantiler Film, der aller Wirklichkeit enthoben ein Stereotyp hinter das nächste reiht, und weder dem Schauplatz Frankfurt, noch der Konfrontation von Kunstszene – Viktor verliebt sich in die Videokünstlerin Rosa (Chulpan Khamatova), verstrickt sich aber auch im Privatleben von Anfang an in Lügen – und Wirtschaftskreisen etwas Neues abgewinnen kann. Auch dem Werbemilieu
bringt Kraume kein echtes Interesse, sondern nur diffuse Klischees entgegen. Die Schauspieler lassen sich von alldem anstecken. Bis auf Khamatova agieren sie sämtlich unter Standard, besonders George bietet einen der Tiefpunkte seiner Kinolaufbahn.
In unnötiger Hektik, überdreht, und voller hysterischem »Witz« wird der Film heruntergenudelt, stilistisch desinteressiert bis anspruchslos, ohne eine Spur von der Gelassenheit die einst ein Klassiker der Werbe-Komödie wie Ein Pyjama für Zwei besaß, oder der Selbstironie, die noch Film-Mainstream wie Das Geheimnis meines Erfolges auszeichnete.
Letztere ist hier nur behauptet. Stattdessen wird in läppisch-unkritischer Form ein Lob des Kapitalismus und der moralischen Korruption zelebriert. Zu unserer allmählich überalternden Gesellschaft passt zudem, dass der Film sein junges Zielpublikum einmal mehr auf einen Sieg der Väter über die rebellierenden Söhne einschwört. Denn im letzten Viertel scheitert Viktor kläglich, beruflicher wie privater Betrug fliegen auf, und für die Rettung des Happy Ends sind dann letztlich – Papa wird’s schon richten – doch der zuvor abgehalfterte Ersatzvater Kaminski und ein alter Auftraggeber zuständig. Die Alten entscheiden, die Jungen ziehen sich mit einem Koffer voller Geld und mit schöner Begleiterin in ewige Ferien auf eine ferne Insel zurück, wo er dann neue Ideen ausspinnen und sie folgenlos Kunst machen darf. Die fromme Hoffnung, dass Liebe und Freundschaft alle Wunden heilen, wird so zur Ideologie. Und der Rest ist nicht »bloß Unterhaltung«, sondern einfach schlecht.