USA/D 2014 · 109 min. · FSK: ab 16 Regie: Marjane Satrapi Drehbuch: Michael R. Perry Kamera: Maxime Alexandre Darsteller: Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver, Ella Smith u.a. |
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Halbgare Genremischung |
Nach dem herausragenden Persepolis, in welchem Regisseurin Marjane Satrapi ihre autobiographisch gefärbte, vierbändige Graphic Novel gleichen Titels über ihre Jugendzeit in Teheran und Wien in einem erfrischend frechen und zugleich kritischen Animationsfilm umsetzte, folgten mit dem süßlichen Huhn mit Pflaumen und dem unausgewogenen The Gang of the Jotas zwei Realfilme, welche dem Esprit ihres Erstlings nicht das Wasser reichen konnten. Mit The Voices präsentiert die Regisseurin nicht nur ihren ersten Hollywoodfilm, sondern auch eine überraschend blutige Thriller-Komödie, die man ihr so nicht zugetraut hätte. Bei all den skurrilen und abstoßenden Vorkommnissen, welche der von tierischen Stimmen geleitete Protagonist im verspielten Bonbon-Look erlebt, ist man schon bald zwischen Amüsement und Abscheu hin- und hergerissen.
Dexter Morgan ist der Serienkiller mit (fraglichem) Ehrenkodex, Hannibal Lector der monströs- durchtriebene, aber irgendwie auch beeindruckende Gourmetkiller und Sweeney Todd mordet mit speziellem Babier-Stil und lässt die Reste seiner Opfer dann auch noch gewinnbringend weiterverarbeiten: Geschichten um Serienmörder haben ihren dämonischen Reiz – den Zuschauer interessiert, was diese Menschen zu ihren unmenschlichen Taten antreibt, was sie dabei verspüren und ob sie so etwas wie Reue empfinden. Marjane Satrapis Serienmörder ist hingegen keine beeindruckende Mörder-Persönlichkeit, sondern ein unter Schizophrenie leidender, von seinen Mitmenschen weitgehend isoliert lebender junger Mann, der mit der Realität nicht klarkommt. Doch die Chance die Mörder-von-Nebenan-Story um den dauergrinsenden Jerry Hickfang (Ryan Reynolds) mittels eines ironischen Unterbaus zur Satire auf die morbide Serienkillerfaszination unserer Zeit weiterzuentwickeln, lassen sich die Regisseurin und ihr Drehbuchautor Michael R. Perry leider entgehen.
„Hören Sie Stimmen?“, „Nehmen Sie auch Ihre Medikamente?“ – Jerry’s Psychologin Dr. Warren (Jacki Weaver) spult diese Fragen bei seinen regelmäßigen Therapiestunden etwas zu routiniert herunter und geht auch mit den Antworten ihres Patienten zu unkritisch und nachsichtig um. Fahrlässigerweise sieht auch sie in Jerry nur den seltsamen, aber eben auch nett und harmlos erscheinenden jungen Naivling, obwohl sie, im Gegensatz zu den übrigen Bewohnern des verschlafenen Städtchens, die Krankenakte Ihres Patienten vor sich hat und daher zur größten Aufmerksamkeit angehalten sein sollte. Denn schon bald setzt Jerry eigenmächtig seine Medikamente ab, um in seine eigene heimelige Welt entfliehen zu können, in welcher er sein Leben aus einer naiv-positiven Perspektive heraus wahrnehmen und Zwiegespräche mit Hund und Katz führen kann.
Die iranisch-französische Regisseurin legt für ihren ersten Hollywoodfilm inhaltlich jegliche Süßlichkeit ab und frönt, bei Beibehaltung ihrer verspielt- bunten Ästhetik, dem tiefschwarzen Humor und dem blutrünstigen Witz. Satrapi inszeniert ihre schwarze, in Pastelloptik gehaltene Killerkomödie ausgehend von der Innensicht ihres schizophrenen Protagonisten, der eigentlich rechtmäßig und moralisch handeln will, aber letztlich immer die falschen Entscheidungen trifft. Dabei gelingt es der Regisseurin, die konträre Außenweltwahrnehmung Jerrys eindrücklich zu visualisieren und damit die Verlockung der Psychopharmaka- Entsagung für ihren fragwürdigen Helden herauszustellen. Die erste halbe Stunde von The Voices, mit der Einführung des schrägen Jerry, der im rosa Badewannenfabrik-Overall von einem Date mit der koketten Betriebsbuchhalterin Fiona (Gemma Arterton) träumt und auf einmal seinen Tötungstrieb entdeckt, spielt das schwarzhumorige Potenzial der Geschichte voll aus und reißt mit ihren bitterbösen Einfällen mit. Doch dann verfängt sich der auf Tupperwaren schwörende Mörder in eine vorhersehbare Gewalt- und Vertuschungsspirale und fängt zudem die Humorebene an merkliche Repetitionsschleifen einzulegen.
Dabei versucht der Film, sich auch mit den Hintergründen und Symptomen des psychisch kranken Protagonisten auseinanderzusetzen. Jerrys immerwährender innerer Zwiespalt tritt dabei überdeutlich in den Diskussionen mit seinem gutmütigen Hund Bosko und seiner bösartig-süffisanten Katze Mr. Whiskers zutage, die ihm als verantwortungsvoller Moralapostel und diabolischer Einflüsterer seine Handlungsmöglichkeiten anhand eines Schwarz-Weiß-Schemas aufzeigen. Während die tierischen Zwiegespräche, bei denen Ryan Reynolds sich mit unterschiedlichen Stimmlagen und Akzenten austoben kann, die schwarzhumorige Grundstimmung unterstützen, fallen die (natürlich) auf ein Kindheitstrauma hinauslaufenden Erklärungsversuche für Jerrys Wesen und seine unverzeihlichen Taten arg beliebig und ironiefrei aus. So wollen die auf einmal ernstgemeinten Thrillerelemente und drögen Psychologisierungstendenzen weder zum gewählten komödiantischen Tonfall passen, noch vermögen sie den comichaft angelegten Charakteren eine größere Tiefe zu verleihen. The Voices erweist sich damit als eine zu Beginn äußerst unterhaltsame, aber letztlich halbgare Genremischung, bei der eine von ausgefallenen Ideen befeuerte tiefschwarze Komödie auf antriebslose Psychothrilleransätze trifft.