USA 1997 · 104 min. · FSK: ab 12 Regie: Mick Jackson Drehbuch: Jerome Armstrong, Billy Ray Kamera: Theo Van De Sande Darsteller: Tommy Lee Jones, Anne Heche, Gaby Hoffmann, Don Cheadle u.a. |
Nach Perioden eruptiver Aktivität scheinen sie wie verschwunden; doch latent schwelen sie vor sich hin, nur um zu unerwartetem Zeitpunkt erneut auszubrechen und weitflächig Schrecken hervorzurufen: ja, so sind sie, die Filmgenres.
Viel wurde schon geschrieben über die merkwürdige Rennaissance des Katastrophenfilms in den letzten zwei Jahren, und hier soll nicht erneut über deren Ursachen spekuliert werden. Fest steht nur: spätestens seit dem epochal imbezilen
Totalaussetzer Twister ist der windgebeutelte Filmfan bei jeder neuen Inkarnation des Desasterfilmes versucht, mit Beethovens Opus 135 zu fragen: »Muß es sein?«
Doch nun, da der Strom der Katastrophenfilme es gerade der Oderflutwelle gleichzutun scheint und man ihn schon fast gänzlich abgeebbt wähnte, schwappt mit Volcano noch einmal einer seiner späten Ausläufer
in unsere Kinos, der sich, Wunder über Wunder, als positive Überraschung entpuppt.
Über die Story läßt sich nicht viel sagen, was nicht der Titel des Filmes schon hinreichend deutlich ahnen ließe: Mitten auf der Miracle Mile von Los Angeles bricht ein Vulkan aus, und Katastrophenschutz-Chef Mike Roark (Tommy Lee Jones) und Seismologin Dr. Amy Barnes (Anne Heche) haben alle Hände voll zu tun, um die Lavamassen daran zu hindern, das Parkplatzproblem der kalifornischen Metropole ein für allemal radikal zu lösen.
Freilich, so innovativ, daß er ohne die üblichen, nervigen Ingredenzien des Katastrophenfilms auskäme, ist auch Volcano nicht. Der peinlichen Momente sind genug; wie immer müssen Kinder und Hunde gerettet werden, Nebendarsteller geben in heroischen Rettungsaktionen ihr Leben hin, und die Katastrophe lehrt die Menschen in einer pathetischen Epiphanie, daß sie alle gleich sind und zusammenarbeiten müssen, ungeachtet ihrer Hautfarbe oder sozialen Schicht. Aber wo andere Filme auf diesen Punkten unerbittlich herumreiten, erledigt Volcano sie eher en passant, als würde er sich selbst etwas schämen, daß er sich nicht traut, auf sie zu verzichten. Erspart bleibt dem Publikum immerhin schon mal die genreübliche Exposition, in der Dutzende von stereotypen Randfiguren vorgestellt werden, die dem Desaster später als Opfer zu dienen haben. Volcano ist nach zehn Minuten bei der Sache, und das ist wohltuend.
Gegenüber seinen Konkurrenten kann Volcanogrundsätzlich mit zwei Tugenden glänzen: Rhythmus und Selbstironie. Regisseur Mick Jackson, Kameramann Theo van de Sande, den Cuttern Michael Tronick und Don Brochu, sowie dem Soundtrack von Alan Silvestri gelingt es, von Anfang an ein flottes Tempo vorzulegen und dies sicher bis zur letzten Minute durchzuhalten; sie geben dem Film Fluß und Struktur. Gepaart mit den schön anzusehenden Spezialeffekten kommt da
durchaus Stimmung auf – streckenweise wirkt Volcano richtig aufregend, was ich schon lange von keinem Film seiner Art mehr behaupten konnte.
Von den Plünderern, die die Ausrüstung von Dr. Barnes mitgehen lassen, bis zu den (echten, sich selbst darstellenden) Fernsehreportern, die über das Tierhospital berichten, in dem inmitten des Chaos Hängebauchschweinen und Schlangen Verbände angelegt werden, beweist der Film außerdem andauernd, daß er sich
selbst nicht annähernd so ernst nimmt wie manche sauertöpfischen Kritiker. Mick Jackson hat es sich nicht nehmen lassen, nach seinem L.A. Story erneut liebevoll satirisch über seine Wahlheimat herzuziehen, und diese willkommene Dosis Humor macht das ganze Unterfangen gleich um etliches sympathischer.
Was Volcano jedoch vor allem auszeichnet ist, daß er das Genre des Katastrophenfilms eben mit dem des Los Angeles-Films paart. Der Film ist zwar nicht minder allegorisch als der übliche Katastrophenfilm (sehr deutlich steht das eruptive Potential des Vulkans für das eruptive Potential der schwelenden Rassenproblematik), aber dadurch, daß er sich in einem konkreten (und durch die (Film-)Geschichte stark mit Assoziationen besetzten) Ort ansiedelt, wird er deutlich vielschichtiger. Es wird nicht nur die unbelebte Lava zum wie bewußt handelnden Bösewicht des Filmes, sondern ihr Gegenspieler ist eigentlich auch mehr die Stadt an sich als einzelne Helden. Der Schauplatz ist nicht nur Kulisse: Die Geographie von L.A., dieses Terrain von Macht, Geld und Träumen, hat eine tragende Rolle, und gekämpft wird im Grunde (egal ob Menschen gegen Lava oder Menschen gegen Menschen) um die privilegierte Verfügung über Raum.
Als L.A.-Film ist Volcano letztlich auch vor allem ein Film über Stimmen. Er beginnt mit einer akustischen Montage der vielsprachigen Kakophonie morgendlicher Radio- und Fernsehsendungen in Los Angeles, und von da an zieht sich der Versuch von Menschen, sich Gehör zu verschaffen in einer exzessiv polyphonen Welt leitmotivhaft durch den Film. Kommunikation zu schaffen – oder zumindest nicht die Stimme zu verlieren – gegen die dröhnende,
lärmende, schreiende Bedrohung, das ist es, was alle Figuren des Films treibt.
Und wenn dieser chaotische Chor am glücklichen Ende schließlich verstummt und einmündet in Randy Newmans »I Love L.A.«, dann möchte man am liebsten mit einstimmen und sagen: »So muß es sein!«