Frankreich/B 2018 · 71 min. · FSK: ab 12 Regie: Quentin Dupieux Drehbuch: Quentin Dupieux Kamera: Quentin Dupieux Darsteller: Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Marc Fraize, Anaïs Demoustier, Orelsan u.a. |
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Geduldig aufs Verhör warten (Foto: Little Dream Entertainment) |
Die Füße auf dem Schreibtisch, den Pistolenhalfter an, grüner Rollkragenpullover, zurückgelehnte Haltung, während die Details fürs Wochenende am Telefon besprochen werden: Keine Frage, die belgische Polizei ist bei der Arbeit. Dem tiefenentspannten Kommissar gegenüber sitzt der, der eigentlich verhört werden sollte. Er wartet höflich, bis die Privatplaudereien vorbei sind. Nur Hunger habe er, entsetzlichen Hunger. Der Kommissar kramt einen angebissenen Mars-Riegel aus der Schublade. »Und, wie schmeckt’s?« Was Herzhaftes wäre ihm jetzt lieber, sagt der andere.
Belgiens Regiemeister fürs Absurde, Quentin Dupieux, hat diesmal mit Die Wache eine Kriminalfarce gemacht, bei der nicht nur der Verhörte nicht weiß, woran er eigentlich ist. Benoît Poelvoorde spielt den zerknitterten Kommissar Buron, der mit der sprichwörtlichen (Nach-)Lässigkeit der belgischen Polizei besagtes Verhör führt. Polizeilich befragt wird Fugain (Grégoire Ludig), der eine Leiche gefunden hat, und, nachdem er die Polizei alarmiert hat, jetzt als Tathauptverdächtiger festgenommen wurde. Ein Bügeleisen, das er auf seinem nächtlichen Rundgang mit sich führte, stand seltsamerweise in der Blutlache des Toten. Und wenn sich im Laufe des Verhörs auch alles aufklären mag, schnappen am Ende dann doch wieder die Handschellen zu.
Dupieux, Poelvoorde, Ludig: In Die Wache versammelt sich ein belgisches Trio humoristischer und parodistischer Werke. Poelvoorde ist hierzulande der bekannteste der drei. Mit seinem dunklen Schauspiel-Debüt Mann beißt Hund (1992) gab er dem belgischen Kino neue Facetten, in jüngster Zeit spielte er einen verlotterten Gott (Das brandneue Testament, 2015) oder war an der Seite des aus dem Leim gegangenen Gérard Depardieu zu sehen (Mammuth, 2010, Saint Amour, 2016). Sein spezieller Poelvoorde-Touch ist die Nonchalance, das zerstreute Spiel, das Understatement, mit dem er den unterdurchschnittlich begabten und ehrgeizlosen Mann von nebenan spielt. Er taugt damit zum Gesicht Belgiens, das für die mörderischen Machenschaften seiner Landsleute berühmt geworden ist – zumindest dem Klischee nach. Dupieux, Poelvoorde und Ludig, Stammschauspieler von Dupieux, befeuern das mit lustvoller Verve.
Dupieux' Universen sind absurde Welten, in denen die Tücke des Objekts ihren großen Auftritt bekommt. Mal entwickelt eine Videokassette ein ungemütliches Eigenleben (Reality, 2014), mal ist es eine Wildlederjacke (Le daim, 2019). Am bekanntesten ist Rubber (2010), in dem Dupieux einem Autoreifen die mörderische Hauptrolle gab. In Die Wache ist die Situation insgesamt ins Absurd-Komische getaucht, ein Geodreieck und ein Bügeleisen sorgen für wesentliche Plotpoints. Running-Gag ist die sprachliche Besonderheit des Kommissariats, von der sukzessive alle befallen werden: »Sozusagen« fällt als Füllwort in fast jedem Satz, eine geniale Übertragung von »c’est pour ça« des Originals, ein scheinbar alles erklärender Nachsatz, der sozusagen an jedes Satzende gesetzt werden kann, deshalb also. Ein simpler, aber ansteckender Spaß mit den inflationär gebrauchten Floskeln unserer Worthülsen-Sprache. Dupieux liebt derartige Einfachheiten. Und wenn im Kommissariat immer wieder die Situationskomik alles beherrscht, ist auch das ein denkbar simpel gestrickter Spaß. Der aber zeigt, wie gut Komödie funktionieren kann, wenn man es mit ihr nicht übertreibt. Da reicht es schon, wenn im richtigen Moment die falschen Türen aufgehen.