USA 2012 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Akiva Schaffer Drehbuch: Jared Stern, Seth Rogen, Evan Goldberg Kamera: Barry Peterson Darsteller: Ben Stiller, Vince Vaughn, Jonah Hill, Richard Ayoade, Rosemarie DeWitt u.a. |
||
Jungs am Fenster... |
Frühestens seit den singenden Tankwarten wissen wir es: Ein guter Freund ist nicht nur das Schönste, was es gibt, und zwar durch alle Moden und Ideologien hindurch, sondern auch etwas enorm Praktisches. Den kann man sich nämlich aussuchen, im Gegensatz zur buckligen Verwandtschaft, und ihn eigenmächtig in die Familie aufnehmen. Oder warum sonst ist der »brother«, amerikanisch-schick abgekürzt »bro'«, gleichzeitig das Synonym für den guten Freund? Mit ihm lässt sich jeder Schwachsinn aushecken, sei er noch so gefährlich, und dann sorgsam mit dem Label »bro' time« versehen – ist doch eh alles nur Spaß und gute Zeit, Mann.
In The Watch – Nachbarn der 3.Art gibt es diese »bro' time« zuhauf. Gleichwohl nicht zu Beginn. Da will der nette Supermarkt-Filialleiter Evan eine Bürgerwehr gründen, mit der er den nächtlichen Mord an einem Sicherheitswart an seinem Arbeitsplatz aufklären will. Seinem Ruf zur Nachbarswache folgen drei Männer, doch sehr zu Evans Verdruss und entgegen seinen ursprünglichen Vorstellungen haben die drei Mitstreiter einen großen gemeinsamen Nenner: sie wollen während des Wachdiensts eben jene »bro' time« haben, also viel Spaß mit den neuen Kumpeln – mit schlüpfrigen Sprüchen, diversen Getränken und dem ganzen dreckigen Drum und Dran. Als immer deutlicher wird, wer hinter dem Supermarkt-Mord und den vielen anderen merkwürdigen Dingen in der Nachbarschaft steckt, ist das für den selbst ernannten Wachtrupp noch lange kein Grund, klein beizugeben. Denn mit richtig großen Gegnern fängt doch der Fun erst so richtig an…
Diese Bro'zeit hat einen üblen Beigeschmack: Weniger wegen der Fäkalsprache, die sich in praktisch jedem Ausatmer der Akteure ergießt. Da wimmelt es von Schwänzen (gelutscht oder herausgerissen), Wichse (tot oder grün), auch daneben gezielter Toiletten-Humor darf nicht fehlen. »Wenn der Zweck darin besteht, Leute zum Lachen zu bringen, bin ich gerne eklig und vulgär«, kommentiert Regisseur Avika Schaffer sein Feuerwerk der Geschmacklosigkeiten. Dagegen wäre zunächst nichts zu einzuwenden. Doch in dieser so genannten »deftigen Komödie« fehlt jedem Gag der Witz, Schweinereien werden nur um ihrer selbst Willen vom Stapel gelassen. So stirbt die Hoffnung bei diesem Film zuerst – auf wenigstens eine Notlandung auf dem Flugzeugträger der Ironie, aber die ist nirgends in Sicht. Auch die uninspirierten Special Effekts, die undurchdachte Handlung und der unlustige Ben Stiller, der wieder einmal erfolgreich unter Beweis stellt, dass Humor nicht wirklich vererbbar ist, sind nicht das eigentliche Problem des Films.
Viel schlimmer ist, dass unter der Verkleidung der unbekümmerten Ordinär-Orgie auch zuweilen handfeste schmutzige Kriegspropaganda steckt. Frei nach dem Motto »jedem sein Recht auf Blödheit« wird so ein beunruhigender Freak wie Nachbarschaftswächter Franklin in keiner Szene hinterfragt, der den Einstellungstest der Polizei nicht bestanden hat und bei der Sicherheitswache seine persönlichen Ideen von Recht und Gesetz verwirklichen will. Im Kampf gegen das mordende Böse, von wo auch immer es herkommen mag, heiligt der Zweck das überbordende heimische Waffenarsenal, das dieses »seltsame, aber lustige Individuum« (Darsteller Jonah Hill über Franklin) in seinem Zimmer bei Mami aufbewahrt. Das beeindruckt die Mitstreiter mächtig und wäre wahrscheinlich demnächst bei Franklins Amoklauf zum Einsatz gekommen, hätte sich die Bürgerwehr nicht aufgetan – doch davon wird hier nicht erzählt.
Sentenzen wie »Das Erste was man im Krieg verliert, ist die Unschuld«, entfleuchen Bob dem Spaß- und Nachbarschaftswachtmeister unvermittelt, unmotiviert und mit großem Vergnügen. Damit meint er sicher nicht das, worauf die Aussage zutrifft: Die Szenen in seinem Partykeller, wo das Aufpasser-Quartett fröhliche Aufnahmen mit dem gefangenen und vermeintlich ausgeknockten Bösewicht machen. Sämtliche Posen erinnern unweigerlich an Charles Graner, Lynndie England und den anderen US-Soldaten auf den Bildern aus Abu Ghraib, die 2004 um eine geschockte Welt gingen. Nicht einmal zehn Jahre später werden die Straftaten der Soldaten in einer schlechten Komödie als Partygag zitiert, von Figuren, die, wie sie, angeblich ein bisschen Spaß wollen – ein fragwürdiger Platz für die Kriegsverbrechen im kollektiven Gedächtnis der Vereinigten Staaten. Aber es ist ja alles nur lustig gemeint, und deshalb geht sicher so mancher Jugendliche mit dem Gefühl aus dem Kino, dass dort, wo kräftig geballert wird, auch automatische jede Menge Spaß auf ihn wartet. Uncle Sam wants you, bro'.