USA 2000 · 97 min. · FSK: ab 16 Regie: Joe Charbanic Drehbuch: David Elliot, Clay Ayers, Darcy Meyers Kamera: Michael Chapman Darsteller: James Spader, Keanu Reeves, Marisa Tomei, Ernie Hudson u.a. |
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Ein Cop, ein Manhunter, der aufgibt, resigniert sich flüchtet in eine fremde Stadt und in den betäubenden Medikamentenrausch. Ein Serienkiller, der sich viel weniger interessiert für seine Opfer als für seinen Jäger. Eine Psychologin zuletzt, die nichts aber auch gar nichts zu erklären weiß, die nur Fragen stellen kann.
Das Personal ist also bekannt, aus zahllosen Serienkillergeschichten. The Watcher erzählt von einem, der Frauen umbringt, in ihre
Wohnungen eindringt, sie zu einem unfreiwilligen Totentanz zwingt bevor er sie dann erdrosselt mit einer Klaviersaite. Erzählt von einem, der diesen Killer gejagt hat, jahrelang in Los Angeles und dann einfach verschwindet. Abtaucht in Chicago, wo er in einem schmuddeligen Appartement die Tage verdämmert. Der vergisst, was er im täglichen Leben nicht vergessen sollte, den Kopf umnebelt von Tranquilizern und dabei nicht vergessen kann, wovor er geflüchtet warden Feuertod seiner
Geliebten, die dem Killer zum Opfer fiel. Wo es persönlich wird, erleben die amerikanischen Helden gern ihre Apotheose. Da verbeißen sich die Schnüffler wie wir sie kennen erst so richtig in die Fälle, die sie bearbeiten. Nicht so der FBI-Mann Joel Campbell. Nur zu seiner Psychologin findet er regelmäßig den Weg. Wenn er ihr erzählt von den Eigenheiten des Killers, den er jahrelang beschattet hat, dann kommt richtig Leben in den Mann, der ansonsten ein ziemliches Wrack ist, bekommt
sein Blick etwas Versessenes.
Eine bekannte, eingespielte Konstellation: der Jäger, der Gejagte und die Psychologie, die Erklärung schafft und damit die Illusion von Kontrolle herstellt über das Unkontrollierbare. The Watcher wirbelt das ganze gehörig durcheinander, begreift diese Personenkonstellation direkt als ménage-à-trois. Verschiebt dabei die Objekte des Begehrens vom herkömmlichen love-interest zwischen den Jägern kontra den Killer hin zu einem irren amour fou, der sich tatsächlich entspinnt zwischen Cop und Killer, während die attraktive Psychologin ziemlich außen vor bleibt.
Vieles, was die schlechteren unter den Serienkiller-Geschichten ganz klischeehaft verbraten, wird hier intelligent auf den Kopf gestellt: das schmuddelige Appartement, das abgehalfterte Äußere ist ausgerechnet auf Seiten der Ordnungsmacht zu finden, während der Killer ziemlich schnieke daherkommt in schwarzer Lederjacke und überhaupt unverschämt adrett aussieht. Keanu Reeves ist natürlich durchaus attraktiv zu nennen und die Art, wie er in die Wohnungen seiner Opfer eindringt, ihnen auflauert und sie dann hinterrücks überwältigt hat sicher ein Vorbild in dem hübschesten unter den wahren Serienkillern: dem Nightstalker Richard Ramirez, der Mitte der 80er LA unsicher machte.
Die Beobachtung, die Observation spielt eine Rolle natürlich, die dem Film auch den Titel gibt aber auch hier sind die Grenzen fließend, wechseln die Rollen zwischen Killer und Cop: wenn Campbell seiner Psychologin berichtet, wie der Killer seine weiblichen Opfer ausspäht, wie er ihre Gewohnheiten, ihren Tagesverlauf minutiös aufnotiert, entlarvt sich der Jäger selbst als mindestens ebenso obsessiver Watcher. Fotos der Opfer, die der Killer seinem etwas anderen partner in
crime zuschickt vor der Tat, werden von der Polizei vergrößert, Ausschnitte angefertigt und die dermaßen zerstückelten Frauenkörper den intensiven Blicken der Investigative preisgegeben.
Begaffen, begehren, zerstückeln – die Zutaten, die Regisseur Joe Charbanic zur Verfügung hat für sein Spielfilmdebüt sind also vielversprechend umso enttäuschender ist, was er daraus zusammengebraut hat.
Keanu Reeves will als bad guy nicht so recht überzeugen (Was nicht zuletzt
deshalb schade ist, weil es nach einem großartigen Start, nach der Zusammenarbeit mit Gus van Sant, mit Stephen Frears, mit Kathryn Bigelow, mit Bernado Bertolucci, Kenneth Branagh und der Ritterschlag schlechthin – mit Regiegott Francis Ford Coppola für diesen Schauspieler mittlerweile so aussieht, als würde er seine Kariere mit den Matrix-Aufgüssen 2 bis 22 beschließen müssen). James Spader andererseits, der den zerquälten Aussteiger zwar durchaus überzeugend gibt, bleibt uns dennoch seltsam fremd dabei. Man nimmt nie wirklich Anteil an den Schicksalen, wird nicht warm mit den Personen. Will außerdem, spätestens nachdem ein Drittel des Films recht blutarm vor unseren Augen verschieden ist, immer wieder nach der Bierdose (alternativ
den Erdnüssen, dem Aldi-Wein, der Cola) neben dem Sessel greifen, nur um dann festzustellen zu müssen, dass man sich ja doch gar nicht im Pantoffelkino befindet. ist ein Film fürs Spätprogramm (wo er vielleicht sogar einen gewissen kleinformatigen Charme entwickeln würde), reicht ästhetisch nie hinaus über TV-Movie-Qualität.The Watcher
Wo der Regisseur davon schwärmt, wie schön man Chicago als Raum nutzen konnte um die kalte Anonymität der Großstadt sichtbar und spürbar zu machen, müssen wir feststellen, dass es in dieser Hinsicht wohl auch beim frommen Wunschdenken geblieben ist. Abgesehen einmal davon, dass selbst diejenigen, die Chicago nur von der Postkarte kennen, das touristische Highlight der Marina Towers glücklich erkennen werden, bleibt diese Stadt beliebig austauschbar (dabei ist ja gerade die Raumthematik immer eine besonders spannende nicht nur im Serienkillergenre. Wo sie aber immerhin auch schon großartig genutzt wurde, man denke unter anderem nur an Kalifornia, an den sträflich unterschätzten Kiss the Girls, von Meisterwerken wie Seven oder The Cell mal ganz zu schweigen).
Das Tüpfelchen auf dem i der Ärgernisse: mögen wir auch allesamt vergessen haben, wie Alzheimer mit Vornamen heißt, so können wir uns doch gerade noch merken, was wir fünf Minuten zuvor auf der Leinwand gesehen und gehört haben. Und reagieren daher unheimlich verschnupft, wenn uns selbiges in voice-over dann postwendend nochmals übergebraten wird. Denn merke: das Publikum ist intelligenter als so mancher denkt. Und übrigens ist das Publikum intelligenter, als so mancher denkt.