USA 2017 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Ry Russo-Young Drehbuch: Maria Maggenti Kamera: Michael Fimognari Darsteller: Zoey Deutch, Halston Sage, Logan Miller, Kian Lawley, Elena Kampouris u.a. |
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Und täglich grüßt das Teenie-Murmeltier |
Manche Filme sind zum Zeitpunkt ihres Erscheinens so einzigartig, dass sie später als ewige Referenz für alle Filme mit einer ähnlichen Grundidee dienen. So ist Akira Kurosawas Rashômon von 1950 längst zum Synonym für die Unzuverlässigkeit der subjektiven Schilderung von Ereignissen anhand einer multiperspektivischen Erzählung geworden. Ein anderes Beispiel ist Und täglich grüßt das Murmeltier von 1993 für das Gefangensein in einer Zeitschleife. War der ursprüngliche Film mit Bill Murray eine familientaugliche Komödie, zeigte Edge of Tomorrow, dass die gleiche Idee auch hervorragend in einem Sci-Fi-Actionspektakel funktioniert. Jetzt mutiert das ewig wiederkehrende Murmeltier in Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie zu einem Mystery-Drama für ein jugendliches Publikum.
Die Handlung des Films spielt in der tiefsten Provinz im pazifischen Nordwesten der USA. Dort sind die 17-jährige Samantha (Zoey Deutch) und ihre Freundinnen Lindsay (Halston Sage), Ally (Cynthy Wu) und Elody (Medalion Rahimi) die absoluten It-Girls an ihrer Schule. Die vier Mädels sind so cool und hübsch wie arrogant und gehässig. Wer aus ihrer Sicht nicht mithalten kann oder wer sonst wie aus der Reihe fällt, der wird von ihnen gnadenlos runtergeputzt und gemobbt. Keine von ihnen kommt jemals auf die Idee, ihr Verhalten zu hinterfragen. Doch eines Nachts erleiden sie nach einer Party gemeinsam einen fatalen Autounfall. Obwohl auch Sam dabei stirbt, erwacht sie anschließend unbeschadet in ihrem Bett. Dabei stellt sie nach und nach fest, dass dies nicht der nächste Tag, sondern erneut der Tag der Party ist. Ab sofort gibt es für sie nur noch diesen Tag.
Der auf Lauren Olivers Jugendroman »Before I Fall« (so auch der kurze Originaltitel des Films) basierende Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie unternimmt gar nicht erst den Versuch, das Rad neu zu erfinden. Wer Und täglich grüßt das Murmeltier kennt, findet die gleiche Grundstruktur fast eins zu eins in diesem Film wieder. Trotzdem gelingt es der Regisseurin Ry Russo-Young (Versuchung – Kannst du widerstehen?) aus der bekannten Prämisse etwas Eigenes zu kreieren, indem sie neue Akzente setzt. Während sich Und täglich grüßt das Murmeltier auf die komischeren Aspekte dieser täglich wiederholten Zeitschleife konzentrierte, schält das neue Teenagerdrama den existenziellen Kern der Geschichte heraus. Dazu passend verschiebt sich der Ton vom Humoristischen zum Mysteriösen. Im Zentrum steht die Frage: »Was für ein Mensch will ich sein?«
Dabei unternehmen die Regisseurin Ry Russo-Young und die Drehbuchautorin Maria Maggenti eine inhaltliche Gratwanderung: Auf der einen Seite ist Wenn du stirbst… keineswegs klischeefrei und eindeutig im Mainstream verortet. Zugleich soll der Film sein jugendliches Zielpublikum zum Nachdenken bewegen. Das Ergebnis ist durchaus ambivalent: So krankt der Film an vielen Stellen an seiner Überdeutlichkeit. Man kann aber ebenso sagen, dass er sein Publikum dort abzuholen versucht, wo es vermutlich steht, um anschließend wie ein Trojanisches Pferd auch ein wenig unbequemere Dinge auf die Zuschauer loszulassen.
Diese doppelte inhaltliche Codierung spiegelt sich auf gelungene Weise in der visuellen Gestaltung und der akustischen Untermalung des Films: Die kühlen und in ihrer leichten Stilisierung fast wie gelackt wirkenden Bilder von Kameramann Michael Fimognari (Before I Wake) tauchen das zunächst denkbar banale Treiben in eine hyperreale Atmosphäre, die das Alltägliche von Anfang an in die Nähe des Traumhaften und Mysteriösen gleiten lässt. Dazu passend ertönt als musikalische Untermalung als erster Song ausgerechnet »Oblivion« von Grimes, also ein Stück genau der kanadischen Sängerin, die gerne als eine »Mischung aus Abba und Aphex Twin« bezeichnet wird. Das bekannte Video zu diesem Lied ist selbst ein Musterbeispiel für die Vermengung des denkbar Banalen mit einer fast mystischen Grundstimmung.
Im weiteren Verlauf des Films wird Sam immer stärker mit ihrer eigenen Oberflächlichkeit konfrontiert. Parallel dazu legt das coole Zickendrama Schicht um Schicht seinen um existenzielle Fragen kreisenden Mystery-Kern frei. Doch verläuft dies insgesamt nicht vollkommen überzeugend. So beißen sich die durchgehend eindimensionalen Charaktere mit der angestrebten inhaltlichen Tiefe. Auch wirkt die humanistische Botschaft des Films ein wenig schal, wenn sich die wenigen Individualisten in der Klasse nach und nach allesamt als verstörte Abweichler entpuppen, die alle »ein echtes Problem« haben.