Deutschland/Österreich 2015 · 97 min. Regie: Isabelle Stever Drehbuch: Isabelle Stever Kamera: Phillip Kaminiak Darsteller: Maria Furtwängler, Mehmet Sözer, Anne von Keller, Jim Broadbent, Barbara Bouchet u.a. |
![]() |
|
Die bekannte Geschichte von der Frau in der Männerwelt |
Irgendwo im uns so fernen, Nahen Osten: Eine Frau sitzt im Auto, auf langen Fahrten durch die Wüste. Sie heißt Dorothea, ist blond und nicht mehr ganz jung. Bald sieht man sie auf Partys in eleganten Abendkleidern, wo sie mal auf den Tischen tanzt – »dann ist mein Projekt finanziert« –, mal auf der Damentoilette entnervt einer Bekannten gesteht: »Gott gehen mir diese Leute auf die Nerven«. Später sagt sie Drehbuchsätze wie »Meine Frisur gehört zu meiner Arbeit«.
Man sieht sie auch bei Verhandlungen, meist mit Männern fortgeschrittenen Alters, die ihre Gegenwart zu genießen scheinen, vor allem aber sieht man sie im Zimmer ihres Luxus-Hotels mit einem jüngeren einheimischen Mann. Dem lässt sie allerhand durchgehen, mal besäuft er sich auf ihre Kosten, mal spielt er so laut Musik, dass sich die Zimmernachbarn beschweren, mal haut er kurzerhand wie ein Rockstar das ganze Mobiliar entzwei. Und frech wird er auch: »Ich verkaufe Blut. Und weißt Du, was die machen aus dem, Blut? Plasma für Anti-Aging-Cremes.« Aber ihr gefällt’s. Und zahlen muss sie auch.
Dorothea trinkt erkennbar zuviel, konsumiert auch andere Drogen. Allmählich kommt sie sich selbst abhanden. Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren.
Die Berliner Regisseurin Isabelle Stever porträtiert in ihrem neuen Film mit dem poetisch-geheimnisvollen Titel »Das Wetter in geschlossenen Räumen« eine Karrierefrau, die als PR-Fachdame für die UNHCR in Diensten der UNO in einem namenlosen Land des arabischen Raumes (gedreht wurde in Jordanien) Gutes tun will, sich aber in den Hotelfluren so verliert, wie andere nur in der Wüste.
Maria Furtwängler, bisher eine reine Fernsehdarstellerin mit limitiertem Rollen-Spektrum spielt in einem unerwarteten Auftritt diese eiskalte Charity-Lady am Rande des Nervenzusammenbruchs – immer wie aus dem Ei gepellt, mal mit Schal, mal ohne, mal mit Lockenwicklern und meist wohlmanikürten Händen in Hotellobbys und Jeeps sitzend, mal Englisch, oft französisch plaudernd, und immer etwas beleidigt guckend, wie als ob ihr eigentlich etwas anderes und vor allem mehr zustünde.
Irgendwann kommt eine Controllerin aus Europa, die Dorotheas Gehabe gar nicht lustig findet. »Du solltest mit einem Psychologen reden. Deine Alkoholeskapaden sind Gesprächsthema.« warnt sie noch wohlwollend, doch die antwortet: »Die größten Spenden akquiriere ich im Delirium.«
Wenn sie nicht gerade müde stöhnend ihren Kater verarbeitet, wird ihr Leben immer exzessiver: Sie grölt vom Hotelbalkon, bepöbelt das Personal, kokst und holt sich auch mal zwei arabische Boys auf einmal ins Bett, die ihr dann Komplimente machen: »Ich hab noch keine Frau gesehen, die soviel trinken kann.« Viele dieser Szenen bleiben aber leere Rock-Gesten, die man dem Film und erst recht dieser Figur nicht ganz glaubt.
Aber der Schauplatz von Das Wetter in geschlossenen Räumen fasziniert, ebenso die unverhohlen porträtierte Dekadenz der Vertreter des Westens und das frivole Treiben der westlichen Hilfsorganisationen in der übrigen Welt. Letzteres ist gewiss gut recherchiert und wirkt glaubwürdig, hat aber zugleich etwas zynisch Denunziatorisches: Hat denn auch Hilfe vor Ort keinen Sinn? So stellt Klein-Fritzchen sich die UNO vor.
Was man hier aber auch sieht: Den arabischen Mann als Sexualobjekt einer frustrierten deutschen Frau – oder ist auch das wieder nur ein Klischee?
Isabelle Stever, eine gestandene und deutschlandweit renommierte Filmemacherin, erzählt von Drogen, Alkohol, Einsamkeit und dem Sich-verlieren in der Fremde. Es ist im Grunde die immer gleiche, altbekannte Geschichte vom sich verlieren in der Fremde – von Lawrence von Arabien über Beruf: Reporter bis zu Lost in Translation – Phrasen, Lügen, Nachhausegehen oder Dableiben, Älterwerden, Einsamsein. Es ist auch die bekannte Geschichte von der Frau in der Männerwelt. Am Schluss dann wickelt sich die Charity-Tussi im Abendkleid in eine strubbelige UNHCR Decke. Was will uns das jetzt sagen?
Gleich drei ARD-Sender – BR, WDR, NDR – wollten in diesem Film dabei sein, ein seltenes Glück für die Regisseurin. Und ein bisschen absurd. Was haben die sich dabei gedacht? Und für die Dramaturgie bekommt tatsächlich der vor eineinhalb Jahren verstorbene Harun Farocki eine Nennung im Abspann. Da wüssten wir schon gern, für welchen Ratschlag jetzt genau.