Deutschland/F 2021 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Anne Zohra Berrached Drehbuch: Stefanie Misrahi, Anne Zohra Berrached Kamera: Christopher Aoun Darsteller: Canan Kir, Roger Azar, Özay Fecht, Jana Julia Roth, Ceci Chuh u.a. |
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Modernität, toujours | ||
(Foto: @Razor film Christopher Aoun / Neue Visionen) |
Am Anfang steht eine süße Liebesgeschichte, am Ende eine Tragödie internationalen Ausmaßes und das brennende Gefühl, damit verbunden zu sein. Mit Die Welt wird eine andere sein will Anne Zohra Berrached (24 Wochen) die Verbindung von Privatem und Politischem an einem ganz besonderen Beispiel zeigen, das auf den ersten Blick ganz alltäglich ist. Um welche Katastrophe es sich nun konkret handelt, soll hier nicht verraten werden, über diesen Film kann man auch ohne diesen Spoiler ausreichend sprechen. Wichtiger ist erst einmal die Frage, ob der Versuch geglückt ist.
Wir befinden uns in den Neunzigern: Im Leben der jungen Türkin Asli (Canan Kir) ist soweit alles im Lot: Das Medizin-Studium läuft wunderbar, sie hat einen festen Freundeskreis um sich und dann lernt sie noch Saeed (Roger Azar) kennen. Der gleichaltrige Araber ist nach Deutschland gekommen, um Zahnarzt zu werden. Und das, obwohl die Menschen in diesem Land »nie lächeln«. Im Grunde will er sowieso Pilot werden, aber die Familie in der Heimat sitzt am längeren Steuerknüppel. Es entwickelt sich schnell eine Romanze zwischen den beiden, die gefühlt genauso schnell von Heiratsplänen gekrönt wird. Nun ist Aslis Mutter davon alles andere als begeistert, auf einen Araber als Schwiegersohn kann sie gern verzichten (ein Konflikt, der sicher auch nicht jedem bewusst ist). Doch wer nichts wagt, gewinnt nichts! Die Hochzeit wird heimlich in einer Moschee vollzogen und so steht dem ewigen Glück der Beiden nichts mehr im Wege. Oder?
In Die Welt wird eine andere sein hält sich Berrached recht streng an ein konventionelles Erzählmuster. Das ist auch nicht weiter schlimm, die sympathische Schauspielleistung lässt den Zuschauer gern am Ball bleiben.
Danach beginnt das ganze Unternehmen jedoch zu holpern. Gefühlt genauso rasant wie die Heirat in die Wege geleitet wurde, entwickelt sich Saeed in eine sehr ungesunde Richtung. Der nun mit Vollbart ausgestattete junge Mann beginnt seine Frau immer mehr zu bevormunden, zeigt deutlich aggressive Tendenzen und wettert gegen die zionistischen Bankiers und ihre Weltherrschaftspläne. Teilweise nimmt ihn Asli sogar noch in Schutz, die Risse der romantischen Fassade werden jedoch immer deutlicher. Und dann ist er auf einmal weg, zurückgekehrt in die Heimat, um eine dubiose Ausbildung zu absolvieren.
Das große Manko bei der ganzen Sache: Man nimmt Saeed den Wandel vom Vorzeige-Migranten zum islamistischen Hardliner nicht ab. Die Transformation vollzieht sich viel zu schnell, um wirklich glaubhaft zu sein. Fairerweise muss man sagen, dass Berrached mit Die Welt wird eine andere sein keinen reinen Film über Radikalisierung machen wollte, die in sehr vielen Fällen durchaus schleichend vor sich geht. Viel eher konzentriert sie sich auf die Figur von Asli, die als Opfer und Zeugin neben ihrem verhärteten Ehemann steht. Leider erwachsen daraus auch keine neuen Erkenntnisse. Man sieht sie zwar mit ihren Zweifeln und Verzweiflungen, doch dringt man nicht wirklich in die Protagonistin ein. Als Saeed überraschend wieder vor ihrer Tür steht, ist sie natürlich sauer, nötigt ihn, Schnaps zu trinken, und bewegt sich am Rande des Nervenzusammenbruchs. Aber die Schnelligkeit, mit der sie ihm wieder verfällt, macht das Ganze nicht besonders glaubwürdig. Die Darstellung dessen, was wirklich in ihr vorgeht, bleibt im Ansatz stecken. So sagt der Film letztendlich auch nichts Neues über Privates und Politisches, Schuld und Loyalität, Radikalismus und Wahn aus. Viel eher bleibt das Gefühl, den bloßen Ansatz einer Auseinandersetzung gesehen zu haben. So richtig taucht man in die Figuren und die grundsätzliche Problematik, die der Film anspricht, nicht ein. Was schade ist, denn die Gedanken, die sich Berrached macht, sind interessant und das moralische Dilemma, das mit der ewigen Treue zusammenhängt, wäre am Beispiel, das sie gewählt hat, eine fruchtbare Diskussionsgrundlage. Aber nach diesem Film bleibt die Welt erst einmal, wie sie ist.