USA/F 2009 · 92 min. · FSK: ab 12 Regie: Woody Allen Drehbuch: Woody Allen Kamera: Harris Savides Darsteller: Larry David, Evan Rachel Wood, Patricia Clarkson, Ed Begley jr., Conleth Hill u.a. |
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Rückkehr zu den Zeiten des »Stadtneurotikers« |
Nach ein paar Filmen in Europa ist Woody Allen dorthin zurückgekehrt wo er sich letztlich doch am wohlsten fühlt: In seine Heimat New York, wo er zuletzt 2004 gedreht hatte. Seinen Lieblingsthemen ist er sowieso treu geblieben: Der Sinn des Lebens, der Unsinn der Religion, der Zufall der Liebe, die Fragilität aller menschlichen Gefühle und ein Misanthrop als Hauptfigur.
Den spielt diesmal zwar nicht Allen selbst, sondern der vor allem aus dem US-Fernsehen und dem New Yorker Theater bekannte Komiker Larry David, der zudem der Schöpfer des Comedyhits »Seinfeld« ist. Aber er tut das so gut, so passgenau, dass man fortwährend an Allen denken muss – eine starke Leistung. Seine Figur heißt Boris Yellnikoff. Regelmäßig bekommt er Panikattacken und schlägt sich mit Selbstmordgedanken herum, seinen Lebensunterhalt bestreitet der ehemalige Physiker als Schachlehrer für – unbegabte – Kinder. Eines Tages ändert sich das Leben des Menschenhassers: Da trifft er auf Melody (Evan Rachel Wood), eine ehemalige Schönheitskönigin aus den Südstaaten, auch wenn sie auf Boris' Schönheitsskala zwischen 1 und 10 allenfalls eine 6 einnimmt. Melody ist ein Mensch, der in jeder Hinsicht sein Gegenteil ist: Jung und optimistisch, schön und unschuldig, ohne jede Bosheit, stattdessen ein wenig naiv in ihrer ständigen Offenheit und guten Laune geht sie durch die Welt. Die Beziehung zwischen beiden steht im Zentrum des Films. Boris ist schlagartig gerührt und verliebt. Aber er bleibt Boris, und darum dauert er nicht lang, bis er beginnt, sie zum Objekt seiner Erziehungsversuche zu machen, und ihr Unterricht in Welthass, Sarkasmus und Nihilismus gibt, ihr Vorträge über die Vergänglichkeit der Jugend hält und darüber, warum Beethoven eigentlich nichts taugt. Ein wenig »Pygmalion« war immer wieder mal in den Filmen Allens, und so heiratet Boris schließlich die Blonde mit dem großen Herz.
Das Drehbuch zu seinem neuen Film Whatever Works schrieb Allen bereits zur Zeit von Annie Hall (Der Stadtneurotiker), also vor über 30 Jahren. Es verschwand in der Schublade, wirkt heute aber durchaus frisch in seinem Dialogwitz und der Überzeichnung der Launen eines alten Griesgrams. Um Sex und Religion geht es, aber auch um das Verhältnis von New York zum übrigen Amerika: Denn eines Tages tauchen auch Melodys Eltern auf, beides Klischees des zurückgebliebenen Südens mit seiner Bigotterie, seinem Puritanismus, seinen christlichen Werten. Doch schnell lassen auch sie sich vom sündigen Treiben der Großstadt bezirzen, und entdecken ihr wahres Ich – die Mutter wird Aktfotografin und der Vater schwul. Das ist albern, aber nie blöde.
Auch die Inszenierung ist einfallsreich, verglichen mit dem, was sonst im Kino so geboten wird: Wie einst in The Purple Rose of Cairo durchbricht Allen die »vierte Wand«, die Grenze zwischen Leinwandhandlung und Zuschauern: Die Hauptfigur spricht uns im Publikum mitunter direkt an, kommentiert das Geschehen, erzählt aber auch den Freunden am Stammtisch, dass jetzt mal langsam etwas zu geschehen habe, schließlich hätten die Zuschauer im Kinosaal dafür viel Geld bezahlt.
Erstaunlich leichthändig und souverän ist das alles gemacht. Whatever Works ist eine gelungene Komödie, zudem eine Form von Humor, die das absolute Gegenteil von dem ist, was im zeitgenössischen Kino in der Regel als witzig gilt: Bissig und schonungslos, geistreich und im richtigen Moment melancholisch. Ein vergnüglicher Film, der noch aus der Schwere des Lebens einen guten Witz macht.