Großbritannien 2008 · 133 min. · FSK: ab 6 Regie: Julian Jarrold Drehbuch: Andrew Davies, Jeremy Brock Kamera: Jess Hall Darsteller: Matthew Goode, Ben Whishaw, Hayley Atwell, Emma Thompson, Michael Gambon u.a. |
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Verliebt in einen Lebensstil |
Wiedersehen mit Brideshead – bereits Anfang der 80er Jahre war der TV-Mehrteiler nach Evelyn Waughs berühmtem Roman Brideshead Revisited auch in Westdeutschland ein Fernsehhit. Durch den wurde unter anderem Jeremy Irons zum Weltstar und einem der gefragtesten Schauspieler der folgenden Dekade.
In Waughs Buch dreht sich alles um Vergänglichkeit, aus jeder Zeile des exzellenten Romans tropft der satte Überdruss einer Weltmacht, die noch herrscht, aber schon weiß, dass ihre Tage gezählt sind. Die Menschen im Zentrum sind die oberen Zehntausend, sie arbeiten nicht, sie wollen nichts, um so mehr Zeit bleibt ihnen zum Genießen des Lebens und zur Nabelschau.
Am Anfang steht der Beginn der Freundschaft zwischen zwei Gleichaltrigen: Die beiden Oxforder Studenten Charles und Sebastian freunden sich schnell an. Doch unter der Oberfläche stehen gleich zwei unausgesprochene Konflikte: die Ungleichheit zwischen dem adeligen Sebastian und dem bürgerlichen Charles. Und die Tatsache, dass Sebastian schwul ist und sich für Charles recht unverhohlen auch sexuell interessiert. Dennoch ist das Leben für beide zunächst schön. Charles nimmt die Einladung nach Brideshead an, den Landsitz von Sebastians Familie, und genießt dort über lange Zeit die Annehmlichkeiten des dekadenten Adelslebens, zu denen auch die Gesellschaft von Sebastians Schwestern gehört.
So weit so schön. So weit allerdings auch vor allem die Romanvorlage. Evelyn Waugh war selbst zerrissen: Erzkonservativ und bisexuell, Alkoliker und Moralprediger, Katholik und Zyniker wusste er, wovon er redete, wenn er über Doppelmoral schrieb. Julian Jarrold, der Regisseur der Neuverfilmung von Waughs Klassiker ist nun bestenfalls ein anständiger Handwerker. Oberflächlich mag sein Film jenen Produktionen von James Ivory und Ismael Merchant ähneln, die in der langen Dekade zwischen 1985 und 1999 vor allem in der Verfilmung von Romanen von E.M. Foster und Henry James schilderten, was vom britischen Empire übrigblieb. An Kostümen, »elegischer« Musik, und prächtig arrangierten Bildern ist auch hier kein Mangel. Doch Merchant-Ivory boten immer mehr als Zeitkolorit, Nostalgie und Wehmutskitsch. Satire, gar Gesellschaftskritik, die sich in den Merchant-Ivory-Filmen zahlreich finden und ihr inneres Zentrum ausmachen, die Skepsis gegenüber der Klassengesellschaft, fehlen bei Jarrod. Man müsste schon sehr gewagt interpretieren, um von der ebenso hübschen wie parasitären Oberklasse des verfallenden britischen Empire der späten 20er Jahre vielleicht gewisse Linien zu den neuen maßlos Reichen unserer Tage zu ziehen, auch wenn in deren neuen Kleidern dieselbe alte Dekadenz stecken mag. Jarrold setzt vielmehr primär auf billige Sensationen, indem er die im Roman eher versteckt verhandelte Homosexualität ins Zentrum rückt.
Mag Brideshead Revisited sich daher auch primär auf seine ausgepolsterte Kulisse beschränken, ist der Film dennoch nicht ohne Reiz. Dafür sorgt Emma Thompson als bigotte Katholikin und Übermutter, die von ihrer Macht skrupellos Gebrauch macht: So treibt sie im Laufe der Geschichte ihren Gatten in Zynismus und Tod, den Sohn Sebastian in den Suff, die Tochter Julia – in die sich Charles zwischenzeitlich verliebte – in Zweckheirat und Depression und den ohnehin nur geduldeten Emporkömmling Charles endgültig aus Brideshead fort, bevor dieser von ihr nur als Parasit Betrachtete sich falsche Hoffnungen macht. Jahre später wird Charles dann als Offizier im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet in Brideshead einquartiert und sucht vergeblich die alte Faszination. In was hat er sich seinerzeit verliebt? In Julia, in Sebastian, in einen Lebenstil? Oder nur in den Traum vergangener Zeiten, in ein Märchenreich, das schon damals nicht von dieser Welt war?
Regisseur Jarrold geht es umgekehrt. Er badet in den alten Zeiten. Vielleicht ist gerade das dann aber sehr zeitgemäß: Wo Waugh von Zerrissenheit erzählt, bietet Jarrold eine Ode an die alte Ordnung.