GB/IRL/D/I/E 2006 · 127 min. · FSK: ab 12 Regie: Ken Loach Drehbuch: Paul Laverty Kamera: Barry Ackroyd Darsteller: Cillian Murphy, Pádraic Delaney, Liam Cunningham, Orla Fitzgerald, Mary Riordan u.a. |
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Irland in den 1920er Jahren |
Der Titel ist eine poetische Metapher: The Wind That Shakes the Barley heißt wörtlich übersetzt »Der Wind, der die Gerste schüttelt«. Es ist zwar windig in den irischen Hügeln, doch selbstverständlich ist hier noch mehr, noch anderes gemeint: Der Wind, der ist auch das Schicksal, und die Getreidehalme auf dem Feld sind auch die jungen Männer des Landes, die gleich reihenweise vom Schicksal hinweggemäht werden, wie die Gerste vom Mähdrescher.
Dreizehn Jahre nach Land and Freedom, seinem Film über den Spanischen Bürgerkrieg, erzählt der Brite Ken Loach wieder von einem Bürgerkrieg, dem britisch-irischen Konflikt in der Phase seiner Radikalisierung während der 20er Jahre. Und dies war, das zeigt Loach eindrucksvoll, eben sehr wohl ein Bürgerkrieg wie er es in Nordirland noch heute ist – nicht nur ein »Befreiungskampf« um die irische Unabhängigkeit, wie es die Mythen der irischen Geschichts(um)schreibung bis heute darzustellen versuchen.
Loach zeichnet in seinem Kostümfilm zunächst einmal das Portrait einiger braver irischer Proletarier, Idealtypen der Arbeiterbewegung mit ihren offenen Gesichtern, sportlichen Körpern und schicken Arbeiterkappen – vor prächtig grüner irischer Landschaft. Sie sind dermaßen ohne Fehl und Tadel und von so ungebeugten Heldenmut, dass einem schon früh Angst und Bange wird um diesen Film.
Loach verschränkt in seinem gewohnten Stil das Private mit dem Politischen und
beschreibt die Folgen des Konflikts für die Familien. Im Zuge des Kampfes gegen die britischen Machthaber entzweien sie sich, es kommt schließlich zum offenen Bruderkrieg.
Das ist zuerst interessant und überaus aktuell, weil Loach am Beispiel dieser junger Iren auch zeigt, wie man Terroristen macht: Sie erleben die Willkür und die Gewalt der Briten, und man muss schon blind sein, um bei alldem nicht auch an die Amerikaner im Irak zu denken. Doch genau diese Versuchung zu gegenwärtigen Analogien – zu der sich Loach offen bekennt, und die ihm vermutlich im Mai die Goldene Palme von Cannes einbrachte – hat den Regisseur offenbar diesmal selbst blind gemacht für die feineren Unterschiede, die sonst seine Filme fast immer auszeichnen. In der Regel ist Loach ein nachsichtiger Moralist, dessen Moralismus vor der Kraft des Lebens kapituliert – aber diesmal übertüncht er alles. Loach missversteht den britisch-irischen Konflikt als Klassenkampf, und seine Anspielungen auf die irakische Gegenwart wirken etwas deplatziert, erst recht aber sein emotionaler Freispruch für die IRA. Nur in Bezug auf die Iren malt der Regisseur wenigstens am Anfang ein differenziertes Bild, ansonsten erlebt man, wie böse Briten gute Iren quälen, und das quält dann irgendwann auch den Zuschauer – zu eindimensional und sichtbar ungerecht sind diese Karikaturen einer Gewaltherrschaft. Zudem Loach die Szenen in den Folterkellern mit naturalistischer Deutlichkeit ausmalt.
Am interessantesten sind da noch die beiden britischen Kapitalisten, die Schurken des Films, die das Drehbuch allerdings schnell zu Tode bringt. Der eine nennt die IRA hübsch treffend »Straßenjungs mit Illusionen von Glamour«, was noch verharmlosend ist, und sagt zu recht: »Gott behüte, dass Irland in solche Hände fällt.«
Solche Schwarzweißmalerei funktioniert im Einzelnen gut, aber in diesem Stil ist der ganze Film gehalten: Politisch in seiner Simplifizierung
ärgerlich, ist dies ein Lehrstück ohne brechtsche Überraschungseffekte – ein Thesenfilm ohne die Verspieltheit, den Humor und die Poesie, die Loachs Werk sonst auszeichnen.