Deutschland 2014 · 82 min. · FSK: ab 0 Regie: Franz Müller Drehbuch: Franz Müller Kamera: Kawe Vakil Darsteller: Eva Löbau, Samuel Finzi, Laura Tonke, Janek Bielawski, Mirek Balonis u.a. |
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Einer der lustigsten Filme des Kinojahres. |
Das Kino liebt es, auf sich selbst zu blicken. Dreharbeiten zu einem Film sind ein organisiertes Chaos. Das haben Filmemacher wie Francois Truffaut in Die amerikanische Nacht und Federico Fellini in 8½ schon mehrfach thematisiert.
Aber was passiert erst, wenn bereits alles vorbereitet ist und wenn der Dreh dann doch plötzlich wieder abgeblasen werden muss? Genau das ist dem deutschen Regisseur Franz Müller tatsächlich passiert. Die Dreharbeiten für einen Film vor dem Hintergrund der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine waren komplett vorbereitet, da sprang sechs Wochen vor dem Dreh ein Produzent wieder ab, und Müller stand mit seinem Team vor dem Nichts. Ein echtes »Worst Case Scenario«. Doch der Regisseur machte aus der Not eine Tugend, vertraute seiner Spontaneität und seinen Freunden. Es gelang ihm renommierte Darsteller wie Laura Tonke, Eva Löbau und Samuel Fintzi Lust zu einem »No Budget«-Projekt zu machen, und so fuhr er trotzdem und drehte einen Film, der genau diese eigene Situation – ein geplatzter Dreh vor dem Hintergrund der Fußball-EM zum Thema machte.
Das Ergebnis ist vieles auf einmal: Einer der lustigsten Filme des Kinojahres, die Geschichte eines mehrfachen Kulturclashs, eine kluge Selbstreflexion des Kinos, und ein Kinofilm, der ganz auf die Improvisationskunst seiner Darsteller und des Kameramanns setzt.
Franz Müller, Jahrgang 1965 stammt aus Karlsruhe, und studierte zunächst bildende Kunst, unter anderem bei Gerhard Richter. Nach mehreren Kurzfilmen debütierte er 2003 mit dem Spielfilm (Kein) Science Fiction. Nach Die Liebe der Kinder ist Worst Case Scenario Müllers dritter Spielfilm. Dies ist eine bemerkenswert reife Komödie und ein kluger »Film im Film-Spaß. Im Zentrum steht Georg, der Regisseur: Ständig schwankend zwischen Selbstüberschätzung und Selbstzweifeln sitzt er zunächst wie ein begossener Pudel mit dem Filmteam auf einem Campingplatz in Danzig fest. Schnell aber gewinnt bei Georg der Trotz die Oberhand, und er versucht, aus der Situation das Bestmögliche zu machen, seine Arbeit und den Film selbst den gegebenen Umständen anpassen. Die verändern sich dauernd, und Georg muss kräftig improvisieren. Immer mehr Mitarbeiter verlassen den Set. Die Bewohner des Campingplatzes werden dagegen immer wichtiger – als Laiendarsteller und Statisten. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass Olga, Kostümbildnerin und die Exfreundin des Regisseurs schwanger ist – von ihm natürlich. Dabei hat sie sich längst schon mit einem polnischen Kameramann angefreundet.«
Gegen alle Widerstände will Regisseur Georg seinen Film fertigstellen. Schließlich ist Kino kein Kinderspiel. Von seinem ursprünglichen Konzept muss er aber immer mehr Abstriche machen. So erkennen Georg und wir Zuschauer mit ihm im Scheitern die Chance.
Und so entpuppt sich dieser Film als eine sehr nützliche Alltagslektion für Jedermann: Überleben im 21. Jahrhundert, das heißt: Aus den gegebenen Umständen das Beste zu machen. Vielleicht war es ja schon immer so. Aber wenn der Horizont von allen Lebenslügen freigeräumt ist, erkennt man das genauer. Ein »Worst Case Scenario« ist immer noch besser als gar kein Szenario.
Dies ist eine Hommage an die Kunst der Improvisation, die Mutter der Sensation. Zugleich ist dies eine Hommage an die Kunst der Schauspieler. Spürbar liebt Müller seine Darsteller, inklusive ihrer kleinen Neurosen und Ticks. Allen voran die wunderbare Laura Tonke. Einmal mehr ist Tonke in diesem witzigen Film erkennbar als eine der besten Darstellerinnen ihrer Generation. Hoffentlich gucken alle hin.