GB/USA 2025 · 117 min. · FSK: ab 18 Regie: David Ayer Drehbuch: Sylvester Stallone, David Ayer Kamera: Shawn White Darsteller: Jason Statham, Jason Flemyng, David Harbour, Michael Peña, Arianna Riva u.a. |
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Das Leben ist eine Baustelle... | ||
(Foto: Warner) |
Neu klingt das alles natürlich nicht: ein ehemaliger Soldat der englischen Armee, der als Bauleiter in Chicago arbeitet, wird durch die Entführung der Tochter seines Chefs an seine alten Qualitäten erinnert. Und weil er weiß, dass die Polizei in solchen Fällen nichts auszurichten weiß, folgt er nicht nur seiner Erinnerung, sondern auch den Spuren der jungen Jenny (Arianna Rivas), um sie wieder nach Hause zu bringen und tötet dabei, was ihm in den Weg kommt und wen er als „böse“ klassifiziert.
Das klingt nicht neu, weil es nach dem klingt, was das sogenannte Vigilante-Genre bisher schon produziert hat. Geschichten über einfache Menschen, die nach einem Angriff auf sich, Freunde, die Familie oder Gesellschaft das Recht in ihre Hand nehmen und sich an den Tätern oder gleich der ganzen Gesellschaft rächen, damit wir sch(l)ussendlich wieder in einer besseren Welt aufwachen können. Sei es Michael Winners »Klassiker« Death Wish (Ein Mann sieht rot, 1974) mit Charles Bronson, Martin Scorseses Taxi Driver (1976) mit Robert de Niro, Arthur Penns Target (1985) mit Gene Hackman und Matt Dillon, Michael Douglas in Joel Schumachers Falling Down (1993) oder in den letzten Jahren dann neue oder reaktivierte Franchise-Formate wie Keanu Reeves in John Wick (ab 2014), The Equalizer 2 (2018) mit Denzel Washington oder die eigentliche Überraschung der letzten Jahre, Ilya Naishullers Nobody (2020), der so wie die originellen Ableger Silent Night (2023) von John Woo und Farang (2023) von Xavier Gens dem Genre neue Akzente verliehen haben. Im Kern sind sie zwar allesamt moralisch fragwürdige Angriffe auf unsere Zivilgesellschaft und Demokratie, befreien uns aber gleichzeitig von unserer Angst, dem Bösen nicht widerstehen zu können und zu schwach zu sein. Es sind Stellvertreter unserer selbst, die dann am stärksten werden, wenn unsere Gesellschaft am schwächsten und unsere Ängste am größten sind.
Diese therapeutische Dosis bietet auch David Ayers mit A Working Man an, der Ayers erst im letzten Jahr platzierten The Beekeeper (2024) sehr ähnlich ist. Auch dort wird ein seine einfache Arbeit und Kontemplation liebender Held (so wie im Beekeeper ebenfalls von Jason Statham
verkörpert) aus der Reserve gelockt, weil ihm der vertraute Rückzugsort genommen wird. Doch anders als im Beekeeper sind es in A Working Man keine Telefonbetrüger, sondern die in den USA erfolgreich operierende russische Mafia, die den Frieden von Levon Cade stört. Und ganz so friedlich steht es um Levon auch nicht. Er ist von seinen Kriegseinsätzen traumatisiert und
hat seine Frau verloren, die sich wegen schwerer Depressionen umgebracht hat. Er hat nur noch seine Tochter, die vom Vater seiner Frau großgezogen wird und einen alten Kameraden und natürlich seinen Chef, dessen Familie auch seine Familie ist. Ein wirkliches Zuhause gib es jedoch nicht. Levon lebt in seinem gut ausgestatteten Pick-up.
Auch deshalb ist die Suche nach Jenny wichtig für Levon. Er will nicht nur sie nach Hause bringen, sondern auch sich selbst. Und so ist es dann auch:
wir sehen einem versehrten Menschen dabei zu, wie er andere versehrte Menschen tötet und statt dabei selbst irgendwann zu sterben, zunehmend gesundet.
David Ayers inszeniert diesen Parforceritt ohne großen Humor und ohne Ironie. Die Gewalt und das Sterben sind explizit und realistisch, weshalb A Working Man wohl auch sein FSK 18-Rating erhalten hat. Doch das macht Ayers Film, an desen Drehbuch mit Silvester Stallone ein weiterer Meister der Selbstjustiz mitgeschrieben hat, keinesfalls schlechter, denn wie weitgefächert Sterben möglich ist, wird hier fast schon wie in einer Versuchsanordnung demonstriert. Dabei fällt ein wenig beunruhigend auf, dass das, was gerade politisch in den USA passiert – die Aushebelung queerer und woker Elemente – in Working Man noch ein wenig forcierter passiert, denn jene Russen, die ein wenig queer und schräg auftreten, erhalten eine Sonderbehandlung beim Sterben. Doch zum Glück ist es nicht mehr als das, sterben die hetero-normativen Irren am Ende auch, sofern sie denn durch das Böse dieser Welt korrumpiert worden sind.
Was bleibt und leben darf, ist, wie so oft im amerikanischen Kino der Gegenwart, die Familie. Immerhin ist das in A Working Man nicht nur eine weiße Familie oder die klassische Herkunftsfamilie, sondern eine sehr unkonventionelle Großfamilie. Damit ist, zumindest in Ayers Film, die Heimat und unser Zuhause so weit gefächert wie die vielen Arten zu sterben.