Deutschland/Ungarn/F 2010 · 112 min. · FSK: ab 16 Regie: Benedek Fliegauf Drehbuch: Benedek Fliegauf Musik: Max Richter Kamera: Péter Szatmári Darsteller: Eva Green, Matt Smith, Lesley Manville, Peter Wight, Tristan Christopher u.a. |
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Stiller Klon-Fiction-Film |
Eine seltsame Melancholie und Ruhe, etwas Aseptisches prägt von Anfang an die Atmosphäre. Es ist die Reinheit einer Perfektion, wie man sie besonders aus Science-Fiction-Filmen kennt. Tatsächlich: Auf den ersten Blick spielt Womb zwar in der Gegenwart, doch bald ist klar, dass es sich um die nahe Zukunft handelt. Das Neue an ihr ist unaufdringlich, aber zentral: Man kann Menschen klonen, und technisch wie ethisch scheint dies kein größeres Problem mehr. Es gibt einen modernen Klassiker, an den Womb in dieser Unaufdringlichkeit des Unfassbaren erinnert: Andrew Niccols Gattaca von 1997 – auch dies ein stilles, sonderbar trauriges Science-Fiction-Psychodrama, und ein fesselnder Film, der lange nachwirkte.
An der Nordsee in den Ferien lernen sie sich kennen: Rebecca und Thommy, Sie sind etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt, an der Schwelle zum Erwachsensein. Sie verlieben sich, und ihre Liebe ist zwar noch unschuldig, aber doch bereits so erwachsen, dass sie sich versprechen, aufeinander zu warten, und sich irgendwann wiederzusehen, obwohl Rebecca mit ihrer Mutter erstmal nach Tokio zieht. Zehn Jahre später kommt sie zurück, und es ist, als sei dieses Paar höchstens ein paar Tage getrennt gewesen.
Der ungarische Regisseur Benedek Fliegauf hat ohne Frage eine besonderes, pathetisches Bild von der Liebe. Für ihn sind diese Liebenden einfach fraglos vom Schicksal füreinander bestimmt – da gibt es nichts mehr dran zu rütteln. Um so schlimmer, wenn dann das Schicksal ungnädig hinterrücks zuschlägt: Denn nur kurze Zeit nach ihrem Wiedersehen, kommt Thommy bei einem Autounfall ums Leben.
Doch Rebecca, von Beruf Forscherin, ist auch eine Kämpferin. Sie nimmt den Kampf mit dem Schicksal auf. Und weil die Handlung dieses Films in der nahen Zukunft spielt, ist inzwischen die Klontechnologie weit genug entwickelt, um auch Menschen zu kopieren, und so lässt Rebecca aus Thommys Überresten einen neuen Thommy klonen.
Womb ist ein Film über die Natur der Liebe. Liebende sind bekanntlich Fleischfresser. »Ich habe Dich zum Fressen gern«, sagen sie; und wenn man an die gelegentliche Redewendung denkt, dass man sich als Liebende das begehrte Gegenüber »einverleiben« will, mit ihm verschmelzen, dann gibt es für diese Redeweisen kaum präzisere Bilder, als jenes, das Fliegauf findet: der Schwangerenbauch einer jungen Frau, die ihren Geliebten selbst in ihrem eigenen Leib austrägt – das Kind ist gewissermaßen zugleich auch sein eigener Vater als dessen Klon.
Anti-Gentechnik-Fundamentalisten mögen sich empören ob solch eines Gedankenspiels – aber für sie und für Empörung überhaupt ist Womb nicht gemacht. Dies ist das Gegenteil allen Thesenkinos, keine hitzige Dialogschlacht über ethische Dilemmata, kein hysterisches Drama über die Risiken der Biotechnologie, sondern eher ein Gedankenspiel über Männlichkeit und Weiblichkeit, ein subtiler ödipaler Albtraum um Mutter-Sohn und Frau Mann-Beziehungen, an dem Sigmund Freud sein großes Vergnügen hätte. Denn als der Sohn geboren wird, heißt er auch wiederum Thommy, er wird an Mamas Brust gestillt, von ihr gebadet, schläft in ihrem Bett – und es ist bei alldem ganz klar, dass Rebecca ihrem Sohn mehr als Mutterliebe entgegenbringt, in ihm nicht nur das Ebenbild ihres Geliebten sieht, sondern dessen Wiedergeburt.
Die so schöne wie kluge Eva Green, die mit in Bernardo Bertoluccis Dreamers vor acht Jahren zum Weltstar wurde, in den letzten Jahren aber nie an dieses fulminante Debüt anknüpfen konnte, spielt diese Rebecca mit intelligenter Zurückhaltung überaus facettenreich, als Mädchen, als junge Frau, als ältere Mutter eines Erwachsenen.
Benedek Fliegauf findet für diese auch auf den zweiten Blick befremdliche, aber fraglos faszinierende Geschichte immer wieder originelle Bilder. Diese sind nahezu perfekt gestaltet, und ihre Schönheit erinnert ein ums andere Mal an Malerei aus dem neunzehnten Jahrhundert: Landschaftspanoramen und Porträts; dann wieder an die Photographien von Henri Cartier-Bresson und Robert Doisneau. Scheinbar beiläufig, in Wahrheit hochstilisiert, aber nie so, dass sie ihr Gemachtsein zur
Schau stellten, ihre Künstlichkeit selbst zum Thema machten, sind sie geprägt von gelassener Klarheit, dabei zugleich voller Freude an der Beobachtung. »Meditativ« nennt man so etwas gern. Weil die japanische Kultur in diesem Fall eine Rolle spielt, könnte man auch an japanische Ästhetik denken, an das Große, das sich im Kleinen, das Allgemeine, das sich im Beiläufigen zeigt. Was besonders auffällt: Wie »rein« diese Bilder wirken.
Sie sind die richtige, gemäße Form für eine
Geschichte, die nicht gut ausgehen kann. Am Ende der Reise von Rebecca und Thommy steht ein weiterer Tabubruch, der für Rebecca keiner ist. Ein Abgrund, aber zugleich auch eine seltsame, aber nachvollziehbare Vorstellung von Glück.