Deutschland 2023 · 103 min. · FSK: ab 0 Regie: Felix Binder Drehbuch: Marc Meyer Kamera: Sonja Rom Darsteller: Ava-Elisabeth Awe, Felix Nölle, Ronald Zehrfeld, Lavinia Wilson, Alwara Höfels u.a. |
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Warum nicht noch mutiger und frecher? | ||
(Foto: Constantin Film) |
Gibt es Lebewesen im Weltall? Wenn ja, können wir Kontakt mit ihnen aufnehmen? Dieser Gedanke lässt die elfjährige Billie (Ava-Elizabeth Awe) und den gleichaltrigen Dino (Felix Nölle) nicht mehr los. Die beiden haben sich auf dem Schrottplatz von Dinos Eltern kennengelernt. Dort baut der aufgeweckte Junge mit Gehbehinderung in einem alten Bus ein Radioteleskop auf. Die Halbwaise Billie, die mit ihrem Vater Alex (Ronald Zehrfeld) in den Sommerferien gerade umgezogen ist, hilft ihm dabei. Alex tritt in einer neuen Schule eine Stelle als Physik- und Mathematiklehrer an. Schnell stellen die Kinder fest, dass sie sich für das Weltall und außerirdisches Leben begeistern. Mit einem Teleskop horchen sie ins All und zeichnen sonderbare Tonsignale auf. Sie vermuten, dass es sich um Nachrichten von Außerirdischen handelt. Doch niemand will ihnen glauben oder helfen, die Signale zu dechiffrieren.
Kurzerhand schreibt Billie an die Europäische Weltraumorganisation ESA, für die ihr Vater und ihre Mutter, die bei einer Weltraummission ums Leben gekommen ist, früher gearbeitet haben. In dem Brief bittet sie um Hilfe bei der Entschlüsselung. Prompt werden die Kinder nach Kourou eingeladen. Im ESA-Weltraumhafen in Französisch-Guyana stellt die Missionsleiterin Dr. Boshley (Lavinia Wilson) die beiden zwar bloß, sie entwenden aber aus deren Geheimlabor einen schwebenden Stein, den sie spontan mitnehmen. Auf der Flucht landen Dino und Billie zufällig in einer unbemannten Forschungsrakete, die ins All fliegt. Um sich zu retten, müssen sie die Raumsonde zunächst selbst zur Weltraumstation ISS steuern.
In seinem zweiten langen Spielfilm erzählt der Regisseur Felix Binder, der sich vor allem durch die Erfolgsserie »Club der roten Bänder« und den darauf beruhenden Kinofilm Club der roten Bänder – Wie alles begann (2019) einen Namen gemacht hat, die abenteuerliche Geschichte einer engen Freundschaft zwischen seelenverwandten Kindern. Erfreulich ist, dass die Mainstream-Produktion sich ausnahmsweise mal nicht auf eine etablierte Erfolgsmarke stützt, sondern auf ein Originaldrehbuch von Marc Meyer.
Der spannende Kinder- und Familienfilm, dessen Story an den Sci-Fi-Teenagerfilm Space Camp (1986) von Harry Winer, an Contact (1997) von Robert Zemeckis sowie an Arrival (2016) von Denis Villeneuve anlehnt, erzählt auf Augenhöhe der Kinder und nimmt ihren Wissensdurst ernst. Gemeinsam emanzipieren sie sich von den Eltern, indem sie ohne deren Erlaubnis eine Abenteuerreise antreten und unfreiwillig zu (Super-)Helden werden. Damit avancieren sie zu starken Identifikationsfiguren für kindliche Sehnsüchte. Weitere filmische Anspielungen finden sich zu den Steven-Spielberg-Genreklassikern Unheimliche Begegnung der dritten Art (1977) und vor allem E.T. – Der Außerirdische (1982).
Die kurzweilige Kombination aus Kinder-und Familienfilm sowie Sci-Fi-Abenteuer ist zwar in einem realen Setting angesiedelt, setzt aber in großem Umfang auf Over-the-Top-Elemente wie den kuriosen Raketenflug ins All und die märchenhafte Begegnung mit Aliens. Binder zeigt bei der eskapistischen Erzählung Mut zu großen Kinobildern und bombastischer Musik. Solide Spezialeffekte und eine agile Kamera tragen zum Eindruck eines kurzweiligen Family-Entertainment-Films bei, der aber zugleich Werte wie Freundschaft und Mut, Forschergeist und familiären Zusammenhalt feiert.
Der Großteil der Erzählung wird von den beiden Nachwuchstalenten Ava-Elizabeth Awe und Felix Nölle getragen, die mit natürlichen Auftritten und großer Spielfreude überzeugen. Awe (Jahrgang 2010) ist hier in ihrer ersten Langfilmrolle zu sehen, während Nölle (Jahrgang 2011) schon in mehreren Kurzfilmen und Serien und dem Kinofilm Lauras Stern (2021) mitgewirkt hat. Unter den erwachsenen Darstellern sticht Alwara Höfels hervor, die als Dinos prollige Mutter Silke zeigt, wie kraftvoll und durchsetzungsstark eine besorgte Mutter für ihr Kind kämpfen kann.
Angesichts der Fülle von Hindernissen, die die Kinder (und ihre Eltern) zu überwinden haben, mutet die Nebenhandlung um die Verschwörung der klischeehaft gezeichneten Nebenfiguren Grey und Silver (Ludwig Trepte und Anatole Taubman) überflüssig an. Die beiden tollpatschig-fiesen Agenten wollen noch mehr schwerelose Materie wie den schwebenden Stein finden und schrecken nicht davor zurück, den Raketenflug zu sabotieren.
Der große Schwachpunkt von Wow! Nachricht aus dem All sind die vielen Logiklöcher, die Meyer und Binder in Kauf nehmen. Wieso bemerken die Kontrollsysteme und Ingenieure nicht, dass die Rakete plötzlich ein Übergewicht von 72,5 kg hat? (So viel wiegen die beiden Kinder.) Warum gibt es in einer unbemannten Kapsel Raumanzüge für Kinder? Und weshalb hat die unbemannte Rakete überhaupt Sauerstoff an Bord? Und man darf hinzufügen: Wenn die Inszenierung die Plausibilität schon mehrfach überstrapaziert, warum geht sie dann nicht in die Vollen und tritt noch mutiger und frecher auf?