Deutschland 2024 · 138 min. · FSK: ab 12 Regie: Karoline Herfurth Drehbuch: Monika Fäßler, Karoline Herfurth Kamera: Daniel Gottschalk Darsteller: Karoline Herfurth, Anneke Kim Sarnau, Emilia Schüle, Emilia Packard, Nora Tschirner u.a. |
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Gemeinsam statt einsam... | ||
(Foto: Warner) |
Schon der erste Teil von Karolin Herfurths „Schön“-Filmen – Wunderschön (2021) – war eine Überraschung, und das mit 1,7 Millionen Besuchern nicht nur an den Kinokassen. Mit viel feministischem Herzblut war dieser Film fast so etwas wie eine Zeitreise in die zweite Welle des Feminismus der 1968er Jahre und die etwas später entstandenen Filme von Helke Sander. Herfurth, die ja eigentlich bekannt für ihr weitgefächertes schauspielerisches Œuvre ist, berichtete mit komödiantischem Einschlag über persönliche und familiäre Verhältnisse, Frauenschicksale aus allen Generationen, von der Schülerin bis zur kurz vor der Rente stehenden, frustrierten Ehefrau, und nicht nur von Geschlechterverhältnissen, die unter die Räder kommen, sondern auch von erodierenden Freundschaftsbeziehungen und Familienverhältnisse zwischen Müttern und Töchtern. In Einfach mal was Schönes (2022) konzentrierte Herfurth sich ebenso episodisch auf ein unkonventionelles Paar, das irgendwie versucht, den normalen Geschlechterverhältnissen und den Erwartungshaltungen der Gesellschaft zu entkommen.
In Wunderschöner – das deutet der Titel natürlich auch schon an – kehrt Herfurth zu ihrem Multipersonal-Setting zurück und schafft gewissermaßen eine 2.0- Version von Wunderschön bzw. eine Fortsetzung, denn zahlreiche Figuren aus Wunderschön tauchen auch hier auf, natürlich um ein paar Jahre und Erfahrungen gealtert. Gealtert ist allerdings auch die Gesellschaft, die Grabenkämpfe zwischen den Geschlechtern und Generationen sind schärfer und fast schon ein Spiegel der parteipolitischen Debatte unseres gespaltenen Deutschlands kurz vor der Bundestagswahl Ende Februar 2025.
Statt die Spaltung zum Thema zu machen, interessiert sich Herfurth allerdings für die Zusammenführung, die Heilung der versehrten deutschen Gesellschaft. Doch zuvor zeigt sie den Schmerz in all seinen Nuancen, zeigt über ihr hervorragend geführtes Ensemble (u.a. Anneke Kim Sarnau, Emilia Schüle, Nora Tschirner, Emilia Packard, Friedrich Mücke, Godehard Giese und natürlich Herfurth selbst), dass Reden die einzige Option ist, um wieder zusammenzufinden, zeigt aber auch die Grenzen. Dabei streift sie so ziemlich alle Themen, die relevant sind. Sie erzählt vom ewigen Austarieren weiblicher Handlungsspielräume, der Reproduktion alter Beziehungsstereotypen durch die jüngste Generation, sie inkludiert das Thema Prostitution und die nie enden wollenden Hierarchien zwischen den Geschlechtern, die sich über die Prostitution natürlich am stärksten ausbilden.
Das kommt zwar immer wieder sehr thetisch und damit aktivistisch daher und ist tatsächlich keine große Filmkunst, doch schafft Herfurth wie schon in Wunderschön durch eine subtile Einbindung von komödiantischen Elementen immer wieder eine Leichtigkeit, die dem Ernst der Theorie dann auch etwas Spielerisches verleiht, dabei jedoch nie in eine deutsche Daddelkomödie wie Generation Beziehungsunfähig oder Es ist nur eine Phase, Hase abgleitet, Filme, die ähnliche Themen verhandeln, sich dann aber für die tiefsten Abgründe deutscher Komödienkultur entscheiden.
Herfurth geht stattdessen konsequent den Weg ihres feministischen Episodenreigens, macht aus Bad Boys Good Boys und aus Stupid Girls Brilliant Girls, sie macht aus Männern gebrochene, aber lernfähige Menschen und aus Frauen Leitfiguren, die vor allem lernen, solidarisch zu denken und zu handeln und mit allen solange zu reden, bis so etwas wie eine Katharsis entsteht. Aber sie öffnet auch Räume, schafft Leerstellen, die nicht einfach nur überraschen, sondern den feministischen Diskurs aktualisieren und Wunderschöner deshalb auch nicht einfach nur ein Fortsetzung, sondern eine Aktualisierung von Wunderschön ist.
Vor allem gelingt es Herfurth dann auch die anfangs fast schon zu üppig angelegten, episodischen Lebens- und Leidenslinien am Ende souverän zusammenzuführen. Natürlich bedeutet das auch, dass am Ende nicht etwa ein ambivalentes Ende, sondern ein Happy End steht und in einem großen Gartenfinish noch einmal deutlicher wird, dass wir hier mit einem sehr ausgewählten, sehr wohlhabenden Segment unserer Gesellschaft konfrontiert werden, das natürlich ganz und gar nicht als Spiegel für die deutsche Gesellschaft herhalten kann und darf. Aber immerhin zeigt Herfurth im Kleinen, wie es aussieht, wenn über offene Konfrontation Wunden geheilt werden und alle glücklich zur nächsten Bundestagswahl gehen und damit hoffentlich auch die richtigen Parteien wählen werden.