Die wundersame Welt des Louis Wain

The Electrical Life of Louis Wain

Großbritannien 2021 · 111 min. · FSK: ab 12
Regie: Will Sharpe
Drehbuch: ,
Kamera: Erik Wilson
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Claire Foy, Andrea Riseborough, Toby Jones, Sharon Rooney u.a.
Filmszene »Die wundersame Welt des Louis Wain«
Romantisch und märchenhaft...
(Foto: STUDIOCANAL)

Godfather of Katzenbücher

In Will Sharpes Biopic wird das Leben des exzentrischen britischen Katzenzeichners Louis Wain märchenhaft englisch bebildert und melodramatisch vertont

Liebe A.,

heute schreibe ich dir wegen eines Films, den du unbedingt anschauen musst! Der neue Cumber­batch kommt in die Kinos, für dich als selbst ernannte »Cumber­bitch« natürlich ein Fest. Sei nicht traurig, dass es mit dem Oscar als bestem Haupt­dar­steller wieder nicht geklappt hat. Es war ja eh ein blödes Jahr wegen der Will Smith-Sache, Cumber­batchs Sieg hätte allen aber natürlich die nach der Ohrfeige peinliche Dankes­rede von Smith erspart. Nun gut, zurück zum Film. Welche histo­ri­schen Persön­lich­keiten hat er nicht schon verkör­pert, dein Lein­wand­held! Er war William Pitt (Amazing Grace), Thomas Edison (Edison – Ein Leben voller Licht), Alan Turing (The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben), Stephen Hawking (Hawking – Die Suche nach dem Anfang der Zeit) und Julian Assange (Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt), sicher habe ich was vergessen – nun spielt er also in Die wunder­same Welt des Louis Wain von Will Sharpe den briti­schen Künstler Louis Wain (1860-1939), der vor allem durch seine Katzen­bilder berühmt wurde und den du, als England-Vereh­rerin, viel­leicht sogar kennst. Und diese Rolle, das ist hoffent­lich kein Spoiler für dich, liegt ihm total. Exzen­triker kann er einfach, da ist er am besten, das Wissen wir nicht erst seit seiner Sherlock Holmes-Inter­pre­ta­tion. Mir persön­lich gefällt er aller­dings auch sehr in der kleinen Rolle als Charlie Aiken in Im August in Osage County. Aber der aktuelle Film mit ihm versucht, durch und durch englisch zu sein, ange­fangen von der prägnanten Erzähl­stimme von Olivia Colman, die du ja auch sehr schätzt seit den Serien BROADCHURCH und THE CROWN. Und auch der sonstige Cast der Haupt­dar­steller ist very british, my dear. Und erst die liebevoll ausge­stat­teten Inte­ri­eurs und Kutschen­szenen – ganz wie in einer Jane Austen-Verfil­mung.

Das Biopic beginnt in London, wo der bereits erwach­sene Louis Wain als frei­schaf­fender Künstler versucht, für seine fünf Schwes­tern und seine Mutter zu sorgen, indem er vor allem Tier­zeich­nungen für Zeitungen anfertigt. Obwohl: erwachsen im herkömm­li­chen Sinn ist der exzen­tri­sche Wain beileibe nicht, denn er lebt ganz in seiner eigenen Welt, in der vor allem sein Interesse für die Elek­tri­zität (engli­scher Origi­nal­titel: The Electrical Life of Louis Wain) vorherrscht. Wie ein Blitz schlägt dann auch die Liebe zur neuen Gouver­nante Emily Richardsen (Claire Foy) bei ihm ein. Leider eine ganz und gar unstan­des­ge­mäße Partie, schon allein aufgrund des Alters­un­ter­schiedes der 10 Jahre älteren Frau. Für Fans wie dich: Hier darf Cumber­batch mal so richtig tief in die mimische Verliebt­heits­kiste greifen (sekun­den­langes Starren, verle­gener Toll­pat­schig­keit-Slapstick, unge­schickte Küsse etc.), ist ja eh ein roman­tisch-märchen­hafter Film. Und Claire Foy, ja auch eine THE CROWN-Akteurin!, spielt die zunächst etwas steife Emily, welche Freude am Kind im Manne findet und sich in den skurrilen Einzel­gänger verliebt. Alles Weitere will ich nicht verraten, schau es dir an! Nur so viel: Die beiden werden heiraten – against all odds – und eine Katze haben, die Peter heißt – wie süß ist das denn! – und er wird fast nur noch Katzen zeichnen. Und die Musik wird schwelgen und ihr Lieb­lings­platz in Hampstead wird vom Filmset zum gemalten Bühnen­bild und es wird drama­tisch und stopp, mehr nicht. Also, du wirst den Film lieben, er ist für dich gemacht!

Du kennst meinen Geschmack, für mich war es für einen Biopic insgesamt zu kitschig-süßlich, viel­leicht besser in einem Double Feature zusammen mit einem Ken Loach- oder Mike Leigh-Film zu ertragen, aber den Anfang habe auch ich genossen (bevor alles in Melo­dra­matik davon­schwimmt), der hatte Schwung und Leich­tig­keit und die Liebes­ge­schichte bis zur Heirat mochte ich auch: Das Duell der bös-strengen Schwester und konser­vativ-tratschsüch­tigen Nach­bar­schaft gegen die jungen Liebenden – einfach schön, wie in Titanic. Und als Sahnehäub­chen, oder in diesem Fall besser Clotted Cream auf die Scones, gibt es noch obendrauf einen Cameo-Auftritt von Nick Cave (immerhin aus dem Common­wealth) als H. G. Wells. Ist doch nett, oder?

Bleib gesund, liebe Grüße
Christoph