China/Südkorea 2002 · 118 min. · FSK: ab 0 Regie: Chen Kaige Drehbuch: Chen Kaige, Xiao Lu Xue Kamera: Hyung-koo Kim Darsteller: Ru-yun Tang, Peigi Liu, Hong Chen, Zhiwen Wang u.a. |
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Die Schöne und der Geiger |
Der 13jährige Xiao ist ein begabter Geigenspieler und hat zahlreiche Wettbewerbe gewonnen. Deshalb beschließt sein Vater Liu Cheng, mit dem Jungen aus der Provinz nach Peking zu ziehen, wo er Unterricht nehmen soll. Im Wettbewerb um die Aufnahme an der Musikschule wird Xiao allerdings nur Fünfter – nicht, weil sein Spiel nicht gut genug gewesen wäre: die Eltern des Siegers haben einfach mehr Geld in die Förderung des Konservatoriums gesteckt.
Doch Liu Cheng überredet den widerstrebenden Professor Jiang, dem Jungen Privatunterricht zu geben – und nimmt jeden Job an, nur um die Stunden zu bezahlen. Der Professor, introvertiert bis zur Ruppigkeit, und sein Schüler Xiao entwickeln über die gemeinsame Sehnsucht nach der Vollkommenheit der Musik eine Freundschaft, die gefährdet scheint, als Liu Cheng einen neuen Lehrer engagiert: Um nicht nur das Können, sondern auch den Erfolg Xiaos zu sichern, gewinnt er den einflussreichen Professor Yu. Doch beim Vorspielen zeigt Xiao, dass es für ihn wichtigeres gibt als seine Geige. Seine Zuneigung gilt der jungen Nachbarin Lili, die materielle Werte über Romantik stellt und sich ihre Amouren bezahlen lässt.
Eine Geschichte vom Erwachsen werden und vom Zusammenprall der alten Gesellschaft mit dem neuen, verwestlichten China, in dem von Erfolg (Prof. Yu, dargestellt von Regisseur Chen Kaige) bis zu Liebe alles käuflich scheint. Und eine Geschichte von den Opfern, die Menschen einander bringen. Denn der Altruismus ist der eigentliche Antrieb des Films.
Chengs Lebensziel ist Xiaos Erfolg, ein Ziel, dass um so heroischer verfochten scheint, je mehr wir über die Geschichte des Jungen erfahren, dessen Mutter ihm nichts als eine Geige hinterlassen hat. Doch die Opfer des Vaters werden dem Jungen zur Bürde, als neben die Liebe zur Musik die Schwärmerei und Freundschaft zu Lili tritt und als er den geschätzten Freund und Lehrer Jiang für den karrierefördernderen Professor Yu verlassen soll. Xiao fühlt sich verstoßen und unverstanden und hält seinen Vater für dumm. Deshalb setzt er für Lili seine musikalische Zukunft aufs Spiel, halb aus Protest, halb aus eigener Selbstlosigkeit.
Als es darum geht, Xiao trotzdem bei Professor Yu unterzubringen, zeigt Lili, dass es auch für sie wichtigeres als Geld gibt. Sie hilft Cheng bei seinen Bemühungen, selbst als der Junge dafür mit einer weiteren Schülerin zum Professor ziehen muss. Denn der weiß, welche Fäden er ziehen muss, um die Schüler später gut unterzubringen und setzt auf die Konkurrenzsituation, um seine Schützlinge zum Üben anzuspornen. Aber das Gefühl für die Musik, das sein früherer Lehrer fördern konnte, geht Xiao in dieser kalten Umgebung verloren. Erst allmählich wird ihm klar, was sein Spiel seinem Vater bedeutet.
Mit Spannung verfolgt man den neuen Lebensabschnitt, der für Xiao beginnt, und gerührt wechselt man mit ihm durch eine Unzahl von Emotionen, unterstützt von ausführlich zelebrierten, erlesenen (natürlich!) Streicherkonzerten. Da stört es wenig, dass vor der ersten Liebe mitunter die Vater-Sohn-Geschichte verschwindet, das zwischen Gesellschaftskritik und Bedeutung der Kunst auch noch das Wesen von Liebe und Freundschaft behandelt werden muss und die Einsamkeit des Menschen, dass also die Schwerpunkte der Erzählung ständig wechseln. Denn auch wenn es sich hier bei aller Schönheit der Bilder, bei aller Eindringlichkeit um kein Meisterwerk handelt: hin und wieder lässt man sich im Kino ganz gerne zeigen, dass es doch noch einige wirklich gute Menschen gibt.