Belgien/F/D 2020 · 82 min. · FSK: ab 0 Regie: Toby Genkel, Xavier Giacometti Drehbuchvorlage: André Jobin, Claude de Ribeaupierre Drehbuch: David Freedman, Xavier Giacometti Musik: Guillaume Poyet |
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Den Anderen verstehen lernen | ||
(Foto: Leonine) |
Großer Adlers: »Das ist meine schönste Feder. Sie ist für dich!« Yakari: »Oh! Die Feder aus meinem Traum!« Großer Adler: »Viele Abenteuer warten auf dich, Yakari. Versuche weiter, mir ähnlich zu sein!« – Derib + Job, Yakari und Großer Adler / Yakari Bd. 1
Wer die auch heute noch in den Kinderabteilungen der Stadtbibliotheken liegenden ersten 26 Bände des großen Comic-Klassikers Yakari in die Hände nimmt, ahnt, welche Bedeutung dieser Comic hatte und immer noch hat: zerlesen, angeknittert, von ungelenken Patschhänden zugefettet und doch immer wieder mit neuen Plastikumschlägen geschützt, haben diese erstmals in Deutschland 1977 bei Carlsen erschienen Bände ganze Generationen von Kindern und Jugendlichen überdauert. Zurecht. Denn der von Derib (Claude de Ribaupierre) in unnachahmlichen, in der Schule von Peyo (Die Schlümpfe) geschulte Zeichenstil verband sich kongenial mit den Szenarios von Job (André Jobin), in denen ein kleiner Indianerjunge der Sioux lernt mit Tieren zu sprechen und zu leben und unzählige Abenteuer erlebt. Dieser wahr gewordene Hippie-Traum zeigte jedem Kind von früh auf, was ganzheitliches Leben bedeuten kann und dass man Abenteuer am besten übersteht, wenn man mit der Natur und nicht gegen sie arbeitet.
Das mag sich ein wenig zu theoretisch und didaktisch lesen, doch wer einmal einen Yakari-Band gelesen hat, weiss, dass die Magie dieses Klassikers ähnlich gut funktioniert wie die alten Märchen, oder gute Familienfilme – sie erzählen einfache Abenteuer, die komplexen Hintergründe darf erkennen, wer sich dafür interessiert. Wie erfolgreich Yakari ist, zeigte sich dann auch an den fürs Fernsehen aufbereiteten Serien, deren zweite 2005 produziert wurde, und deren 12-minütige Folgen ab 2008 auch bei Kika zu sehen war und seitdem in gnadenlosen Wiederholungen rauf und runter gezeigt werden.
So wie die Serie richtet sich auch der Kinofilm unter der Regie von Toby Genkel und Xavier Giacometti nach den ursprünglichen Comics aus. Deribs Zeichenstil wie auch Jobs Szenarien sind immer noch zu erkennen, nur die klar gegliederten, nach den Comic-Bänden ausgerichteten Folgen, sind in der europäischen Großproduktion zu einem neuen Amalgam verschmolzen worden. Spätere Bände wie der über die Wanderung der Bisons wurde vorgezogen und Großer Adlers Auftritt in eine neue Dramaturgie eingebettet, an die dann auch gleich die Beziehung zu Yakaris Pferd Kleiner Donner anknüpft. Die, die Yakari kennen, wird diese erzählerische Freizügigkeit kaum stören, da sie die für den Langfilm notwendige Dramaturgie erst ermöglicht. Und jene, die Yakari noch nicht kennen, dürften der Empathiefreude und Neugier von Yakari ebenso erliegen wie die Leser und die Aficionados der Serie. Denn schließlich werden auch andere Helden wie Bär und Lindenbaum sorgfältig eingeführt.
Vor allem aber ist der behutsamen Regie von Genkel und Giacomettie hoch anzurechnen, dass sie ihre Action-Möglichkeiten wie etwa bei der Begegnung mit den Puma-Jägern äußerst dezent ausspielen, die Handlung immer wieder verlangsamen und auf die Kernaussage Yakaris fokussieren – eine auch heute noch beeindruckende »Empathieschule« für Tier und Mensch, die spannender, schöner und berührender kaum sein kann und selbst Erwachsene mit ihrem pädagogischen Zauber therapeutischer Ratgeber sein sollte.