USA 2011 · 95 min. · FSK: ab 18 Regie: Adam Wingard Drehbuch: Simon Barrett Kamera: Andrew Droz Palermo Darsteller: Sharni Vinson, Nicholas Tucci, Wendy Glenn, AJ Bowen, Joe Swanberg u.a. |
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Ernüchternde Erkenntnis: Das Böse kommt nicht nur von außen. |
Ein Liebespaar in einem abgelegenen Haus. Unbemerkte Eindringlinge mit grotesken Tiermasken. Der Mann kommt aus der Dusche. Zuerst erblickt er seine tote Freundin, dann den mit Blut geschrieben Schriftzug You're Next. Es ist das letzte, was er in seinem Leben sehen wird. Szenenwechsel. Ein Ehepaar feiert zusammen mit seinen vier Kindern und deren Partnern seinen 35. Hochzeitstag auf einem abgelegenen Anwesen. Die Stimmung ist schlecht. Die Geschwister können selbst zu diesem Anlass nicht von ihren gegenseitigen Animositäten ablassen. Plötzlich finden alle Streitereien ein abruptes Ende, als ein Pfeil durch eine Fensterscheibe geschossen kommt und sich in den Kopf eines der Streithähne bohrt. Bald darauf verziert ein mit Blut geschriebener Schriftzug eine Wand...
Der amerikanische Slasher hat sich über lange Zeit als derart innovationsresistent erwiesen, dass Wes Craven 1996 mit Scream die vielfältigen Klischees des Genres selbst zum Thema gemacht hat. Doch das postmoderne Spiel der Scream-Reihe kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle üblichen Zutaten des Genres auch in diesen Filmen enthalten sind. So konnte Craven noch 2011 mit Scre4m, dem bereits vierten Teil der Serie, abermals großes Aufsehen erregen, indem er erstmalig tatsächlich alle Genre-Regeln außer Kraft setzte. Zugleich häufen sich in den letzten Jahren die Beispiele für Slasher, die nicht bloß die allseits bekannten Bausteine des Genres neu kombinieren, sondern tatsächlich die Grundstruktur variieren. Einer der ersten und bis heute besten Filme dieser Art ist Jonathan Levines All the Boys Love Mandy Lane (2006).
Ein jüngeres Beispiel ist Ryuhei Kitamuras No One Lives (2012), der bereits in seinem Titel erkennen lässt, dass er ähnlich wie You're Next gelagert ist. Anders, als in dem in seinem Herzen erzkonservativen Genre üblich, bestraft in diesen neueren Slashern keine geheimnisvolle tödliche Macht unmoralische Verfehlungen wie vorehelichem Sex oder Alkohol- und Drogenkonsum. In beiden Filmen sind es deshalb auch keine unbedarften Teenies, sondern zum Teil sehr abgebrühte Erwachsene, in deren Haus der Tod eindringt. Hierbei ist die Grenze zwischen Angreifern und Opfern äußerst unscharf. In No One Lives wird eine Familie von Verbrechern überfallen und in You're Next erscheinen die Eindringlinge mit der Zeit humaner, als so manches Familienmitglied.
Wenn man die Auffassung teilt, dass sich gerade in Horrorfilmen die zumeist ins Unterbewusste verdrängten kollektiven Ängste und Traumata einer Epoche ungefiltert ihre Bahn ins Bewusstsein brechen, dann stellt sich die Frage, was solch ein Paradigmenwechsel innerhalb einer der letzten filmischen Bastionen des erzkonservativen amerikanischen „Bibel Belts“ zu bedeuten haben könnte. Fast könnte man meinen, dass sich innerhalb von „God’s Own Country“ langsam und schleichend die Erkenntnis breit macht, dass das Böse nicht nur im Außen zu finden ist und dass deshalb eine Abschottung gegen die Unbill dieser Welt auf die Dauer nicht funktionierten kann. Gerade bei You're Next drängt sich solch eine Interpretation förmlich auf. Auch in der jüngeren Weltgeschichte war es ja oft ungenügend zu wissen, was irgendwo auf dem Globus passierte, ohne ebenfalls zu wissen, wer es finanzierte.
Doch auch fernab solcher letzten Endes doch ein wenig spekulativen Interpretationen hat Adam Wingards Film wesentlich mehr zu bieten, als nur die wunderbar morbiden Tiermasken der Angreifer. You're Next ist ein souverän fotografierter und sehr atmosphärischer Slasher, der gerade für Kenner des Genres so manche kleine und größere Überraschung parat hat. Der Film spielt mit den Erwartungen des Zuschauers ebenso sein Katz-und-Maus-Spiel, wie die Tiermaskenträger mit den im Haus Eingeschlossenen. Es ist jedoch nicht alleine die Tatsache, dass viele Schocks zu einem unerwarteten Zeitpunkt und auf eine nicht erwartete Weise kommen. Die gesamte Versuchsanordnung ist in You're Next ein gutes Stück raffinierter, als in der üblichen Slasher-Stangenware. Zudem verbindet der Film auf gekonnte Weise Spannung und Horror mit einem oft grotesken schwarzen Humor. Das Ganze gipfelt in einer garstigen Schlusspointe, die man allerdings bereits von weit her kommen sieht. Das ist jedoch nicht weiter tragisch, denn schließlich will auch Innovationsbereitschaft wohl dosiert sein.