Frankreich 2014 · 94 min. · FSK: ab 0 Regie: Jean-Paul Rouve Drehbuch: David Foenkinos, Jean-Paul Rouve Kamera: Christophe Offenstein Darsteller: Michel Blanc, Annie Cordy, Mathieu Spinosi, Chantal Lauby, William Lebghil u.a. |
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Leichtfüßig, aber ehrlich berührend |
Viel hätte es sicher nicht gebraucht, um aus der Adaption eines Romans von David Foenkinos eine banal-rührselige Generationen-Dramödie zu machen, die den Zuschauer mit platten Weisheiten zuschüttet. Regisseur und Drehbuchautor Jean-Paul Rouve, der in Frankreich auch als Schauspieler erfolgreich ist, bringt allerdings das Kunststück fertig, hinlänglich bekannte Einzelteile zu einem leichtfüßigen, aber ehrlich berührenden Filmerlebnis zusammenzufügen. Gewichtige Themen wie Tod, Sinnsuche und Liebe finden darin beinahe selbstverständlich ihren Platz, ohne dass sie mit übertrieben großer Geste verhandelt würden.
Alles beginnt mit der Beerdigung von Romains (Mathieu Spinosi) Großvater, die der leicht verplante Literaturstudent mehr oder weniger verpasst, da er zunächst den falschen Friedhof ansteuert. In der Folgezeit tun sich in der Familie des jungen Mannes diverse Probleme auf: Vater Michel (Michel Blanc) hadert bei jeder Gelegenheit mit dem Übergang ins Rentnerdasein. Mutter Nathalie (Chantal Lauby) kann ihren selbstmitleidigen Gatten nicht mehr ertragen. Und Oma Madeleine (Annie Cordy) ist entrüstet, dass ihr Sohn Michel und dessen verschrobene Brüder sie ungefragt in ein Altenheim abschieben. Als die rüstige Dame kurzerhand das Weite sucht, liegen die Nerven bei Romains Vater vollends blank. Der Student hingegen begibt sich auf eine Reise in die Normandie, nachdem er eine Postkarte seiner Großmutter erhalten hat.
Was alle Protagonisten eint, ist eine gehörige Portion Orientierungslosigkeit. Und das, obwohl sie ganz unterschiedlichen Generationen entstammen. Romain hat seinen Platz im Leben noch nicht gefunden, fungiert ironischerweise jedoch als ruhender Pol und Mittler zwischen den Parteien. Michel wird seiner alltäglichen Routine beraubt. Nathalie wünscht sich ihren alten Ehemann zurück, der spontan und begeisterungsfähig war. Und Madeleine will auf der Zielgeraden noch einmal ihren Kindheitserinnerungen nachhängen. Unterschiedliche Sorgen und Ängste werden – freilich in verdichteter Form – angerissen und ergeben ein recht lebendiges Bild des Konfliktherdes „Familie“. Auch, weil die prächtig harmonierenden Darsteller ihre sicherlich nicht klischeefreien Rollen mit viel Leidenschaft ausfüllen und dem Film so die nötige Wahrhaftigkeit verleihen. Hervorheben muss man insbesondere den französischen Komödien-Star Michel Blanc, der den frustrierten Ex-Postbeamten zwar als pedantischen Neurotiker anlegt, ihn aber dennoch liebenswürdig erscheinen lässt.
Während der große Handlungsbogen etwas forciert daherkommt und mehrfach das Prinzip Zufall bemüht, überzeugt Rouves Tragikomödie vor allem in den vielen kleinen Momenten, die das Leben in all seiner Absurdität zeigen. Ob auf der Polizeistation nach dem Verschwinden Madeleines oder bei Romains Ankunft in der Normandie, immer wieder bricht eine pointierte, manchmal sogar äußerst bissige Situationskomik hervor, die die ernste Grundierung der Ereignisse auflockert, nicht aber trivialisiert. Bedeutsam ist wohl auch, dass der Regisseur das zum Teil herrlich skurrile Nebenfigurenpersonal – er selbst ist als trinkfreudiger Hotelier zu sehen – geschickt in den Hauptstrang einbindet. Kleine Geschichten scheinen hier und da auf und setzen dezent-bereichernde Zwischentöne.
Mitnehmen kann man aus der Romanverfilmung Zu Ende ist alles erst am Schluss – der deutsche Titel ist leider viel aufdringlicher als das französische Pendant „Les souvenirs“ („Die Erinnerungen“) – vor allem eins: Ohne Krisen, Umwege und Turbulenzen ist das Leben nicht zu haben, Hilfe und Zuversicht machen sich manchmal aber gerade dort bemerkbar, wo man sie am wenigsten erwarten sollte. Eventuell sogar an einem völlig unpersönlichen Durchgangsort wie einer Tankstelle.