"Do you miss him?" fragt Christian Bauer. Der Regisseur
steht irgendwo auf einem Chicagoer Hausdach mit Blick auf
die Skyline und auf jene Lücke, die das Haus hinterlies,
in dem sein Freund Allen wohnte. Allen, der Kameramann mit
dem er sieben Filme drehte. Die Frage gilt einem weiteren
engen Freund von Allen. Dieser schweigt, lächelt unglücklich,
nestelt an seinem Fotoapparat herum. Er findet keine Worte
für das, was in ihm vorgeht. "Mir geht es genauso",
sagt Bauer. "Darum verstecke ich mich hinter der Kamera."
Und dann tritt er aus seiner Verschanzung heraus und macht
den Schritt vor das Objektiv. Es gibt Filmmomente, die vergisst
man nicht.
Allen Ross verschwand 1995. Seither fehlt von ihm jede Spur.
Sein Vater hört nichts mehr von ihm. Seine Bankkonten
bleiben unberührt. Freunde fürchten das Schlimmste.
Doch ein Rest von Hoffnung ist geblieben. Christian Bauer
findet keine Ruhe. Seine Recherchen führen ihn auf die
absonderlichsten Fährten: UFO-Glaube und Vampirismus,
abstruse Verschwörungstheorien und Sektenwahn.
Dies ist ein zutiefst persönlicher Dokumentarfilm. Derartige
Filme hangeln immer an einem Abgrund entlang: Sie riskieren,
die Distanz zu verlieren und sich in den persönlichen
Belangen zu verstricken, während der Zuschauer außen
vor bleibt. Christian Bauer ist das Kunststück gelungen:
Er nimmt den Zuschauer mit, der mit ihm hofft und bangt und
verzweifelt. Denn die Themen, um die es hier geht, sind universell
wie ein Roman von Tolstoi: Freundschaft und Identität,
Zorn, Angst und Schmerz, vor allem Schmerz. Denn die Reise
ist auch ein Abschiednehmen, ein schrittweises Akzeptieren,
dass der letzte Film von Allen schon im Kasten ist. "Trauer
hat ihre eigene Zeit", sagt Bauer. Nach und nach entdeckt
er, wie wenig er von dem Mann weiß, mit dem er so viel
Zeit verbracht hat, dem er so nahe zu stehen glaubte. Geblieben
sind Allens Filme und sein flüchtiges Spiegelbild in
einer Scheibe, das nur der entdeckt, der den Film in Zeitlupe
laufen lässt.
Schließlich steht der Regisseur auf einer riesigen
Müllhalde. Möwen kreischen über der trostlosen,
planierten Ebene. Liegt irgendwo hier Allens Körper,
für immer verschüttet unter Tonnen von Unrat? "Dies
ist das Ende meiner Suche", sagt Bauer und weiß
noch nicht, was ihn erwartet.
Am Ende erzählt er einem Rechtsanwalt von den ungeheuerlichen
Entdeckungen, die er gemacht hat. Doch der schüttelt
nur bedenklich das Haupt. Anwälte sind eben vorsichtige
Menschen. Doch dann sagt er: "Allen Ross muss wirklich
ein prima Kerl gewesen sein, wenn so viele Menschen sich solche
Mühe geben, ihn zu finden. Ich wäre ihm wirklich
gern begegnet." Und so ging es auch mir.
Nani Fux
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