Cinema Moralia – Folge 74 Teil 2
Die Vernichtung des Filmerbes droht |
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La grande bellezza: Großer Abräumer beim Europäischen Filmpreis | ||
(Foto: DCM Film Distribution GmbH) |
Genies setzen sich immer durch, hieß es letzte Woche in der Süddeutschen. Wobei gerade das Feuilleton der SZ ja oft wie der Gegenbeweis zu dieser These wirkt. Aber um so mehr muss man einen wirklich nachgerade genialen Text loben, der ebenfalls vorige Woche in der SZ zu lesen war. Unser Lieblingskritiker Fritz Göttler schrieb dort ganz offen darüber, dass er noch niemals in New York war. Vor allem outete er sich, dass er gar nicht dahin will, weil er die Stadt längst kennt – aus dem Kino natürlich. Und dort sieht sie besser aus als in natura. Darum hat man keine Lust hinzufahren. »Die Wirklichkeit der Stadt liegt darin, dass sie Projektionsfläche bleibt«, schreibt Göttler, »den einzigartigen Eindruck des Fremden und des Heimischen möchte ich nicht der Zerstörung durch die Wirklichkeit aussetzen.«
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Wer SPD-Mitglied ist und noch nicht abgestimmt hat, den kann man nur auffordern, es schleunigst zu tun – bis morgen Abend muss die Stimme bei der SPD sein. Stimmen sollte man m.E. unbedingt mit Nein. Dies nicht allein aus staatspolitischen Gründen, nicht nur, weil diese größte Koalition aller Zeiten, die jetzt droht, als Ausdruck gewordene Alternativlosigkeit bereits als solche der politischen Kultur schadet. Die staatspolitische Verantwortung fordert von der SPD gerade, eine Konstellation abzulehnen, bei der die Republik von einer Elefantenkoalition aus über 80 Prozent der Bundestagsabgeordneten regiert wird – denn gerade in Krisenzeiten braucht das Land eine starke Opposition. Und warum sollte man das Monopol auf eine linke Opposition um Gregor Gysi überlassen?
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Gerade in Fragen von Bildungs- und Kulturpolitik droht von der GroKo Ungemach. Denn der Koalitionsvertrag bedeutet Politik auf Kosten der Zukunft und der zukünftigen Generationen, und ist das Dokument einer No-future-Haltung: Hier konnte sich die SPD mit keiner einzigen ihrer zentralen bildungspolitischen Forderungen durchsetzen. Zwar sind laut Vertrag angeblich Bildung, Wissenschaft und Forschung »Kernanliegen« der Koalition. Aber es gibt kein Ganztagsschulprogramm,
die Bafög-Erhöhung fällt ersatzlos weg, ebenso die verlässliche Verbesserung der Finanzierung der Hochschulen, die die SPD gefordert hatte, darin im Gleichklang mit dem Wissenschaftsrat, der eine Steigerungsrate in Höhe des Inflationsausgleichs plus 1 Prozent für dringend erforderlich. Alles bleibt unkonkret. Das Gerede von der »Bildungsrepublik« bleibt hohle Rhetorik.
Die Vorratsdatenspeicherung soll festgeschrieben werden. Die Netzneutralität ist nicht
gesichert. Im Urheberrecht wird die dringend nötige fair-use-Regelung, die Bagatellen straffrei stellt, noch nicht mal erwähnt. Einmal mehr zeigt sich leider, dass die SPD mehrheitlich schon immer ein problematisches Verhältnis zur Freiheit hatte.
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Kultur ist in Deutschland zwar Ländersache, aber immer wieder gibt es Fälle, wo sich Bund und Ländern zusammentun, weil das ganze Land gefordert ist. Solch eine gemeinsame Anstrengung ist jetzt im Kino nötig. Das fordert eine Petition, die seit einigen Tagen durch die deutsche Filmszene geistert und nun im Netz unterzeichnet werden kann.
»Unser Film-Erbe ist in Gefahr!« warnt jetzt eine ganze Reihe von renommierten Filmwissenschaftlern, Archivaren und anderen Experten, die
sich damit an die neu entstehende Bundesregierung wendet und dringend zum Handeln auffordert.
Die inzwischen über 1500 Unterzeichner machen in der Resolution, die sie als Denkanstoß verstehen, auch sehr konkrete Vorschläge zur Rettung alter Filmklassiker. Natürlich geht es um Geld und um die Ausstattung, auch die organisatorischen Grundlagen der Archive – die allesamt viel schlechter ausgestattet sind, als Bibliotheken oder Kunstmuseen. Aber wo genau liegt
eigentlich das Problem?
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Metropolis – Fritz Langs Filmklassiker aus dem Jahr 1927 ist so etwas wie die »Mona Lisa« des Kinos, nicht nur des deutschen. Im Gegensatz zur »Joconde« galt aber lange ein großer Teil des Filmorginals als verschollen: Erst vor wenigen Jahren tauchten die meisten der fehlenden Teile wieder auf – nicht etwa in Deutschland sondern in Buenos Aires, wo in der dortigen Cinemathek eine
Kopie erhalten war.
So konnte Metropolis restauriert werden – einerseits eine sehr gute Nachricht, andererseits aber eine schlechte, weil die Gelder mehr als knapp sind, und vielen Archiven selbst das Notwendigste fehlt. Das Bundesarchiv etwa kann noch nicht einmal seine laufenden Kosten decken, und zur Zeit kann das Archiv selbst eine seiner ureigenen Aufgaben –
Filmwissenschaftlern Kopien für die Forschung zur Verfügung zu stellen – nicht erfüllen, weil die zuständige Archivarin im Mutterschutz ist.
Daran zeigt sich, was nicht nur Eingeweihte wissen: Film ist nach wie vor ein Stiefkind der Kulturpolitik.
Während Bund und Länder fast mit Links 500 Millionen Euro dafür locker machen, dass das zerstörte Berliner Stadtschloss als völlig künstliches neues Gebäude wiederauferstehen darf, lässt die Bundesrepublik ihr Kinoerbe
verrotten.
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Die Verfasser der oben erwähnten Petition weisen auf die desaströse finanzielle Ausstattung der Archive hin, und auf die schändliche Missachtung dieser wertvollen, oft unersetzlichen Bestände durch die Kulturpolitik in Bund und Ländern. Filme zerfallen, weil Film aus chemischen Material besteht, das erhalten und erneuert werden muss.
Die vom Bund getragene Murnau-Stiftung kennt ihre eigenen Bestände nicht – weil das Geld fehlt, diese Bestände überhaupt nur zu erkunden.
Ihrem Auftrag zufolge ist die Murnau-Stiftung für das komplette deutsche Filmerbe bis 1945 zuständig. Ihre finanzielle Ausstattung ist aber geringer als der Etat eines Kleinstadtmuseums.
Eine Schande für ein Land, in dem das Kino mit erfunden wurde.
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Man weiß derzeit noch nicht einmal, ob in den Archiven der Murnau-Stiftung womöglich drei komplette, gut erhaltene Film-Kopien von Metropolis lagern, weil die Stiftung keinen Etat hat, um die nicht ganz billig zu habenden Experten in ihre Archive zu schicken. Und billige Hilfskräften will man das nicht überlassen, zu heikel ist die Aufgabe – und zu gefährlich. Denn alte Filme bestehen aus
Nitro-Material, sind also hochbrennbar – und da gibt es im Land der Verordnungen natürlich eine nicht unberechtigte, mehrseitige Dienstanweisung, wie mit dem brennbaren und giftige Gase entwickelnden, wertvollen Filmmaterial umgegangen werden soll.
Im Zeitalter der so Walter Benjamin, »technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks« ist ausgerechnet die technische Filmkunst davon bedroht, dass der größte Teil der Originale zerfällt und damit eben nicht mehr
reproduziert werden kann. Das Filmerbe stirbt.
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Was tun? Die Unterzeichner der Petition fordern eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern und aller Archive. Sie vergleichen die Lage mit unserem Nachbarn: Frankreich stellt für die Digitalisierung und Umkopierung seines Filmerbes in sechs Jahren 400 Millionen Euro bereit. In Deutschland gibt es im gleichen Zeitraum nur 12 Millionen. Einen ersten Erfolg können die Unterzeichner schon verbuchen. Im Koalitionsvertrag ist erstmals überhaupt und erstaunlich konkret von der
»Erhaltung des filmischen Kulturgutes« die Rede. Dies sei eine gesamtstaatlich-nationale Aufgabe.
Der Kampf um diese Aufgabe und für das deutschen Filmerbe hat aber erst begonnen. Noch droht der Zerfall.
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Man kann die Petition unter folgender Link-Adresse unterzeichnen:
www.change.org/de/Petitionen/unser-filmerbe-ist-in-gefahr
Zusammen mit vielen Kollegen und Verbänden, darunter dem Verband der deutschen Filmkritik möchte ich hiermit alle Leser auffordern, zu unterzeichnen.
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Wie schlecht, wie sauschlecht das deutsche Fernsehen doch ist! Schon in Fragen des »gesunden Menschenverstandes«. Man muss sich nur einmal die Website der ARD angucken. Es ist schwer, dort überhaupt das aktuelle Fernsehprogramm zu finden. Aber wozu geht man sonst auf die Website eines Fernsehkanals?
Wenn das alles das Einzige wäre. Manchmal ist man ja noch als
Journalist unterwegs. Die ARD war trotzdem nicht in der Lage, ihren eigenen Dokumentarfilm über Willy Brandt rechtzeitig zur Besprechung zuzuschicken. Und bei der offiziellen Vorstellung des Films im Hauptstadtstudio der ARD waren nur ARD-Funktionäre und Brandt-Veteranen zugegen, die aktiven Journalisten konnte man an zwei Händen abzählen. Ich hatte nur die letzte halbe Stunde des Films gesehen, weil ich zufällig im Haus war.
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Die letzte Bastion der DDR ist der RBB. Bei dieser sogenannten Rundfunkanstalt kamen alle DDR-Fernsehjournalisten unter, die nicht so arg politisch belastet waren, dass es offen peinlich wurde. Dafür wickelte man nach der sogenannten »Wende« den RIAS und den SFB ab, zwei Bastionen des freien Westens – einer dieser vielen Kuhhandel, die die Bundesrepublik inzwischen teilweise in eine gesamtdeutsche Ostzone verwandeln. Von Merkel und Gauck rede ich jetzt nicht, sondern
von einem einfachen Anruf am vergangenen Freitag.
Dort wollte ich ein Studio buchen, was ich gelegentlich tue, wenn ich im Auftrag eines Radiosenders einen Beitrag produzieren will. Man bucht dann das Hauptstadtstudio, weil es logistisch am günstigsten liegt, zentral in Berlin-Mitte. Wenn das voll ist, was vorkommen kann, fragt man beim Deutschlandfunk. Erst wenn das auch besetzt ist, kommt der RBB dran. Denn der Sender in der ganz im Westen gelegenen Masurenallee im
Expressionismusbau der Zwanziger Jahre, der von Goebbels in »Haus des deutschen Rundfunks« umgetauft wurde, hat bei freien Autoren einen sehr schlechten Ruf – warum, erlebte ich an diesem Freitag. Alle drei Telefonnummern der »Dispo«, wo allein man Studios buchen kann, waren um 12.30 Uhr unbesetzt – jeweils sprang ein Anrufbeantworter an.
Vierter Anruf bei der Zentrale. Der gute Mann dort weiß von nichts, als ich es ihm klarmache, vermittelt er mich in die Chefetage zur
Sekretärin der Programmdirektion. Die ist auch etwas überrascht, meint, da wisse »unten offenbar einer nicht Bescheid« und stellt mich wieder zu einer der Disponummern durch – wo das Tonband anspringt. Zum zweiten Mal bei der Zentrale. ich bitte darum, mit dem Schaltraum verbunden zu werden. Zehn Minuten in der Warteschleife, dann wieder in der Zentrale. Er hat offenbar mit dem Schaltraum geredet, dort könne man mir nicht helfen, nein durchstellen könne er mich nicht.
Inzwischen bin ich unfreundlicher, und nur der Ton hilft mir dahin, dass ich in irgendeiner Stelle lande, wo immerhin ein Mensch statt eine Maschine am anderen Ende der Leitung sitzt. Die Frau ist nett, kann aber auch nicht helfen, obwohl sie angeblich zehn Minuten »im Haus« herumgelaufen ist, und Kollegen suchte. Sie nennt mir einen »Herrn Günther, der hat heute Dienst«. Sie gibt mir sogar seine Mobilnummer, denn unter dem Diensttelefon ging auch bei ihr nur der Anrufbeantworter
an. Muss ich erwähnen, dass ich Herrn Günther auch an seinem Mobiltelefon nicht erreicht habe?
Am Ende hatte ich Glück, weil im Hauptstadtstudio ein Kollege ausfiel.
Aber der wichtigere Eindruck: Eine Geschichte wie von Kafka – im RBB sind Planwirtschaft und Totalitarismus noch am Leben. Und wes Geistes Kind die Entscheider dort sind, demonstriert die Endlostelefonwarteschleife: Hallo Brandenburg! Hallo Berlin! Willkommen. Wir berichten, was in Ihrem Kiez so
passiert, wir blicken hinter die Kulissen und erzählen ihre Geschichte.
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Was passiert eigentlich, wenn ein Attentat auf die Bundeskanzlerin verübt wurde und jemand ein Studio zur Berichterstattung braucht? Am Freitagmittag sollte das besser nicht passieren – sonst bekommen das der ARD-Hörer erst am Montagmorgen mit.
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Europa, das wissen wir alle, ist mehr als der Euro, mehr als der Friede nach vielen Kriegen, ist auch mehr als die Europäische Union und das Rauchverbot. Es ist das Geflecht von Geschichten, die wir uns immer wieder erzählen. Don Quixote, Don Juan, Hamlet, Grimms Märchen...
Aber heute ist Europa vor allem Krise. Welche Rolle spielt da das Kino und der Europäische Filmpreis, der am Samstag zum 26. Mal verliehen wurde? Könnte vielleicht die Kino-Kultur Europa retten? Der Europäische
Filmpreis, den manche sogar den europäischen Oscar nennen, ist jedenfalls eine tolle Idee – zumindest in der Theorie. In der Praxis leider weniger. Er ist nicht besonders bekannt, geschweige denn populär, er hat keine große Wertigkeit – noch nicht einmal bei den Filmemachern selber.
Keiner demonstrierte das besser, als der Italiener Paolo Sorrentino. Er gewann zwar am Samstag vier Preise, war aber persönlich nicht nicht mal da, und zeigte so, wie egal ihm diese
Auszeichnung durch die Kollegen ist.
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Damit bestätigte er nicht nur, dass der Europäische Filmpreis eben noch lange kein Oscar ist, er bestätigte auch gleich all die Einwände der vielen Kritiker seines Films, die La grande bellezza derb und vulgär, und eines Kunstpreises überhaupt unwürdig befanden.
Überhaupt tat die zum Gähnen langweilige Veranstaltung, die einmal mehr von der unerträglichen Anke Engelke moderiert
wurde, und die Preise, die die Mitglieder der Europäischen Filmakademie per Massenabstimmung an sich selbst vergeben, in diesem Jahr alles dafür, dass es nicht besser wurde.
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Das Kino von Gestern oder eher noch Vorgestern hat gewonnen – Opas Kino, dass der Autorenfilm einst abschaffen wollte, das aber über das Hintertürchen des Populismus und der nur an wirtschaftlichem Erfolg interessierten Filmförderer nun umgekehrt gerade den europäischen Autorenfilm abschafft.
Das Kino von morgen gewann allenfalls Nebenpreise, wie der spanische Film Blancanieves, Pablo Bergers Schneewittchenversion im Toreromilieu, der gerade im deutschen Kino läuft, und mit einem Kostümpreis abgespeist wurde. Oder wie Oh Boy von Jan Ole Gerster, der die Auszeichnung als bester Debütfilm erhielt – der einzige deutsche Beitrag im Rennen. Oder die gewagte dreistündige Comicverfilmung Blau ist eine warme Farbe des französischen Regisseurs Abdellatif Kechiche, der nächste Woche ins Kino kommt. In Kechiches Filmen wimmelt es nur so von Anspielungen auf das europäische Kulturerbe, auf Voltaire, Marivaux und Sartre – aber die Akademisten beeindruckte das wenig – und am Samstag ging der Film leer aus.
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Das was das europäische Kino wirklich ausmacht, der Autorenfilm, der nicht notwendig immerzu lustig, aber immer intelligent ist – der wurde nur durch die Alten repräsentiert: Der über 80-jährige Ennio Morricone, die 70-jährige Catherine Deneuve und der Spanier Pedro Almodovar – sie sind es, die Europas Kino groß machen.
Was man aber an Sorrentinos Abwesenheit ebenso merkte wie daran, dass weder Deneuve noch Almodovar noch irgendein anderer Stargast für Interviews zur
Verfügung standen – sondern nur für kleine Pressekonferenzen, die manche Teilnehmer und Medien dann als »Exklusiv-Interview« verkaufen – das ist die fehlende Identifikation der Filmgemeinde mit diesem Preis und der europäischen Kinoidentität, für die er stehen will. Es fehlt das Engagement der Filmemacher, die zur Zeit eher die Europäische Filmakademie brüskieren.
Der europäische Film kann offenbar nicht besser sein als der Gesamtzustand von Europa: Wir
sind zerrissen, unsicher, ängstlich, gewiss nicht im Aufbruch oder gar beim Durchbruch zu neuen Ufern. Die Künste spiegeln das, aber zur Zeit fehlt ihnen das Potential zur Veränderung.
Aber es stimmt auch, dass angesichts des Auseinanderdriftens der europäischen Länder nicht der Film die Politik braucht, sondern die Politik den Film und überhaupt die Kultur, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen.
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Auch »nicht hilfreich« (Angela Merkel) für den Wert des Preises ist die Tatsache, dass Arte, in der Wahrnehmung des Publikums der europäische Kulturkanal Nummer eins, seine Übertragung weiter reduziert hat. Live sendet man aus Straßburg schon lange nicht mehr, diesmal aber noch nicht mal wie bislang datumsversetzt zur Primetime, sondern erst um 23.10 Uhr in einer, sagen wir mal: gewöhnungsbedürftigen Kurzform.
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Alles in allem verlieren gerade Unterstützer des Prinzips »öffentlich-rechtliches Fernsehen« gerade den Glauben an die Idee des Öffentlich-Rechtlichen. Alles, wofür diese Sender gegründet wurden, wird von ihnen preisgegeben. Nicht von den meist guten Redaktionen, sondern von den Karrieristen, die ihnen auf Direktorenposten vorsitzen. Da ist nichts reformierbar. Neulich meinte ein Redakteur, natürlich nicht zitierbar: Diese Leute wären nicht da wo sie sind, wenn sie nicht so wären, wie sie sind.
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Das stimmt und das bedeutet: Wir brauchen dringend Unternehmungen von unten und von der Seite, die die Idee des Öffentlich-Rechtlichen auf ihre Urspünge und ihren Kern zurückführen. Das Internet bietet hierzu alle Chancen. Es kann Medium der Aufklärung sein, wenn wir es aktiv zu einem solchen machen.
Es bedeutet auch: Die jetzt tonangebenden Leute in den Fernsehsendern müssen weg. Und sie werden nur verschwinden, wenn wir alle gegen sie revoltieren. Die Filmemacher und
Redakteure unterhalb der Chefebene durch gezielte Sabotage und durch konsequentes Durchstechen (Verraten) aller Geschichten, die Gebührenzahler durch Boykott.
Sabotage und Verrat sind die Tugenden unseres Zeitalters.
(To be continued)
Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beobachtungen, Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kinogehers.