28. DOK.fest München 2013
A River Changes Course |
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A River Changes Course: Noch auf dem richtigen Kurs? | ||
(Foto: the film collaborative) |
Von Natascha Gerold
Nein, Tiger, Bär und Elefant gibt es in diesem Dschungel Kambodschas nicht mehr. »Heute haben wir keine Angst mehr vor wilden Tieren, sondern vor den Menschen«, sagt eine weibliche Stimme aus dem Off, während die Kamera ein Stück abgeholzten Waldes abtastet. Die Aussage deckt sich mit den Nachrichten: Wie der britische Guardian erst vor kurzem berichtete, wurden zwecks Kautschukanbau Wälder gerodet und Eigentum der Reisfeldbauern okkupiert – mit ausdrücklicher Erlaubnis der kambodschanischen und laotischen Regierungen und, unter anderem, finanziert von Deutscher Bank und Weltbank.
Im Juni und November wechselt der Fluss Tonle Sap in Kambodscha seine Fließrichtung. Doch für die Khmer, dem kambodschanischen Volk, gibt es kein Zurück mehr. Bei der globalisierten Invasion geht es aber nicht nur um die Vernichtung von Existenzgrundlagen in einem der ärmsten Länder Südostasiens. Das kambodschanische Volk verliert immer mehr ihre Identität, schlussfolgert Regisseurin Kalyanee Mam in A River Changes Course: Angesichts des überfischten Tonle Sap sind Fischer keine Fischer mehr, niemand kann mehr dem selbstständigen Reisanbau oder dem so detailgenau gezeigten Handwerk der Rattan-Produktion so wie einst nachgehen. Schuldenfallen, in die die Menschen durch Preisanstiege für Lebensmittel oder Medizin getrieben werden, wirken wie ein zusätzlicher Elendskatalysator, der Familien zerreißt: Kinder müssen zugunsten jüngerer Geschwister auf die Schule verzichten, Jugendliche ihr Elternhaus verlassen, gehen in die Textilfabriken oder arbeiten weit weg auf den Feldern von Großkonzernen – mit nur einem Ziel: So schnell wie möglich wieder nach Hause zurückzukehren, um der Familie weiterzuhelfen.
Mam kennt die globalisierten Marktmächte und die Mechanismen der internationalen Finanzindustrie allzu gut, zeichnete sie doch für die Kamera beim ebenfalls hervorragenden Dokumentarfilm The Inside Job verantwortlich. In A River Changes Course lässt sie die Betroffenen deutlich zu Wort kommen und zeigt ihr Heimatland – in dem viele Menschen aus dem Westen so gerne einen angenehmen Urlaub verbringen – in höchster Not.
A River Changes Course Di., 14.05., 20:30 Uhr,Völkerkundemuseum
www.dokfest-muenchen.de