18.02.2014
64. Berlinale 2014

Size matters, who cares?

Black Coal, Thin ice
Hat wieder keiner gesehen, oder wie? Golderner-Bär-Gewinner
Black Coal, Thin ice
(Foto: Fortissimo Films)

Warum ich dem Berlinale-Wettbewerb fernbleibe: ein paar grundlegende Anmerkungen zum desillusionierenden Verstricktsein von Festivals – Berlinale-Rückschau, Teil 2

Von Dunja Bialas

Wer den Wett­be­werb links liegen lässt, macht dies meist aus einer bewussten Entschei­dung heraus. Ich habe tatsäch­lich mehrere Gründe für mein Schwänzen. Erstens: geht mir die Festival-Politik insgesamt wahn­sinnig auf die Nerven. Filme werden in der Hier­ar­chie von Welt-, inter­na­tio­naler, Europa-, Festlands-, natio­naler und regio­naler Premiere über die unter­schied­lich Festivals verteilt. Ein A-Festival wie die Berlinale definiert als Voraus­set­zung für die Teilnahme am Wett­be­werb das Über­lassen von Welt­pre­mieren. Mitein­ander konkur­rie­rende Festivals, sei es, weil sie zeitlich eng beein­ander liegen, wie Sundance, Rotterdam und Berlin, oder weil sie im Festival-Ranking genau darauf achten müssen, dass kein anderes ihnen den Rang abläuft, wie Berlin, Cannes und Venedig (und jetzt auch Rom), fahren demgemäß spitze Ellebogen aus, wenn es darum gilt, Welt­pre­mieren zu erkämpfen. Nicht weniger als die inter­na­tio­nale Bedeutung des Festivals wird hier in die Waag­schale geworfen. Aber auch abseits des Wett­be­werbs ergeben sich dadurch Embargos auf die Filme: Wer in Berlin gezeigt werden will, darf, um bei dem Beispiel zu bleiben, nicht in Rotterdam oder Sundance gelaufen sein. Weshalb der neue Film Airstrip von Emigholz Ende Januar nicht in Rotterdam zu sehen war, das eine Retro­spek­tive seines Werks zeigte, oder der Ur-Berliner Uli Schüppel seinen Afrika-Film Tranzania.Living.Room aufgrund von Verträgen mit Rotterdam nicht auf der Berlinale präsen­tieren konnte.

Dann: das Buhlen der Festivals um Stars, die Wich­tig­keit des Glamours. Solange die Presse sich noch wie hyste­ri­sche Fans von George Clooney beein­dru­cken lässt und darüber vergisst, Jour­na­listen gemäße Fragen zu stellen, wie ein SZ-Artikel über die Berlinale-Pres­se­kon­fe­renz offenbart, wird sich daran wenig ändern.
Auch die Sponsoren verlangen nach großen Namen. Sponsoren wiederum braucht man natürlich, um ein Festival groß zu halten, den anrei­senden Stars ein entspre­chendes Umfeld zu bieten und reprä­sen­ta­tive Empfänge, Blumen und Essen aufzu­fahren.
Und das Publikum geht ja allzu gerne, wie der Vorver­kauf zeigt, in die Filme, die ohnehin wenig später ins Kino kommen und die meist im Wett­be­werb laufen (wieso eigent­lich?). Und zwar in die großen Produk­tionen mit den bekannten Schau­spie­lern, wie zum Beispiel George Clooney. Dass sein Film von der Kritik besonders schlecht bespro­chen wurde, spielt keine Rolle.

Es ist kein Geheimnis, dass Dieter Kosslick seit Jahren immer größere Schwie­rig­keiten hat, die Filme zu bekommen, die er will. Fragt sich nur, was er will. Dabei muss es ihm natürlich auch um die großen Namen gehen, allein schon wegen der Sponsoren und der Medi­en­auf­merk­sam­keit (siehe oben). Aus der Not jedoch, bei vielen Wunsch­filmen ins Leere zu greifen (es gibt auch noch die zeitliche Nähe zum Oscar, die sich wiederum mit Einschrän­kungen verknüpft), zeigt die Berlinale seit langem auch soziales Weltkino, das dann meist, wie auch dieses Jahr, den Goldenen oder zumindest den Silbernen Bären gewinnt. Und hinterher hat wieder keiner den Film gesehen, weil alle auf die großen Erwar­tungen – und Namen – gesetzt hatten. Und was ist mit der Jury? Auch hier scheint es Probleme auf der Beset­zungs­couch zu geben.

Die Berlinale insze­niert sich im Wett­be­werb als Event. Dabei sein ist alles, außer für all die Film-Produk­tionen, die ihren Kalender so ausrichten, dass Cannes im Mai der Höhepunkt des Jahres ist. Dennoch: die Limou­sinen, die Boulevard-Presse, das Publikum, die Foto­grafen, der rote Teppich, das Hyatt, Kosslick und die Stars: Alle wollen aus der Berlinale etwas ganz Großes machen. Mindes­tens so groß und glamourös wie… Hollywood. Oder die Oscars!

Die Frage ist, ob es in diesem engen Geflecht von Filmen, Stars, Sponsoren und Publikum, mit der Festival-Konkur­renz und den inter­na­tio­nalen Beob­ach­tern im Rücken, ein Alter­na­tiv­kon­zept für den Wett­be­werb geben könnte. Letztes Jahr gab es Anzeichen, die Grenzen für die unter­schied­li­chen Sektionen durch­lässig zu machen und zum Beispiel Miguel Gomez in den Wett­be­werb zu holen. Dieses Jahr war der Grenz­gänger wohl Dominik Graf. Am Ende bleibt bei allem zu fragen: Was würde Kosslick wollen, wenn er sich nur richtig trauen würde?
Vorher aber müsste es heißen: Size matters, who cares?