Cinema Moralia – Folge 90
Hauen und Stechen im deutschen Festivalbetrieb... |
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Die deutsche Reihe in München ist besser geworden: Vanessa Jopps Lügen und andere Wahrheiten, Premiere in München. | ||
(Foto: Wild Bunch Germany GmbH / Central Film Verleih GmbH) |
»München ist eine Ganztagslüge – aber eine die sich lohnt.«
Klaus Lemke
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Das Münchner Filmfest ist toll. Das Ludwigshafener »Festival des Deutschen Films« aber auch. Man muss die beiden Festivals nicht vergleichen, denn sie sind auch völlig verschieden. Ich finde Ludwigshafen besser, aber das sage ich normalerweise nicht öffentlich, denn da ich für Ludwigshafen arbeite, schreibe ich normalerweise nichts darüber. Denn ich bin Partei. Aber da bin ich nicht der Einzige, ist mein Eindruck, und darum muss man in diesem Fall mal auf ein konkretes Beispiel aufmerksam machen, das, so scheint mir, auch etwas Grundsätzliches erzählt über die Lage des sogenannten Qualitätsjournalismus.
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Zuvor aber eine kurze Erklärung, warum ich Ludwigshafen für das bessere Festival halte: Ludwigshafen macht mit in diesem Jahr 55 Filmen über 60.000 Zuschauer, München mit über 150 Filmen etwa das Gleiche. Wenn es um nackte Zuschauerzahlen geht, sind die Verhältnisse also klar. Andererseits laufen in Ludwigshafen deutsche Filme, die es naturgemäß beim Zuschauer leichter haben, in München ausländische Filme. Da sind die Kinos eben manchmal leer. Dafür ist München aber auch öffentlich gefördert (Der Zuschuss Münchens für sein Filmfest beträgt allein schon eine Million Euro. Dazu kommen Gelder vom Freistaat und natürlich Sponsoren), Ludwigshafen vor allem privat. In Ludwigshafen stehen die Filmemacher im Vordergrund; in München die Fernsehredakteure und Fernsehsender und Verleiher und Produzenten. Die Industrie. Kunst spielt die zweite Geige, aber das muss den normalen Zuschauer, der einen Film angucken will, nicht kümmern. Fernsehfilme zeigen eh beide Festivals, ohne auf den immer wieder erkennbaren ästhetischen Unterschied die Rücksicht zu nehmen, die sie könnten.
In München gibt es viel mehr Geld, viel mehr »Branche«, viel mehr Partys und Drumherum. Dafür riskiert man beim Filmfest aber ziemlich wenig. Man zeigt so viel Filme, dass sie sich auch in vier Wochen keiner angucken kann, anstatt auszuwählen. Immerhin ist in den letzten Jahren die deutsche Reihe viel besser geworden, und München bemüht sich auch um mehr echte Premieren.
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Man muss beide Festivals also gar nicht vergleichen. Sie können gut nebeneinander friedlich koexistieren, sie werden sich um ein paar deutsche Filme streiten, und oft hat da München – leider! – die Nase vorn, weil sich Produzenten und Verleiher mehr fürs Weißwurstfrühstück des FFF und den Bavaria-Empfang interessieren als für 1200 Zuschauer – normale Menschen, nicht Branche – bei einer einzigen Kinovorstellung.
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Wenn aber ein anderer vergleicht, und wenn er das so tut wie der Münchner Journalist Jörg Michael Seewald in der vergangenen Woche, dann muss man ihm widersprechen.
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Wenn einer binnen acht Tagen gleich drei Texte übers gleiche Thema schreibt, muss ihm ja wohl das Herz ziemlich überlaufen. Text eins erschien in der FAZ am 23.6.; Text zwei im Tagesspiegel am 26.6.; Text drei wieder in der FAZ.
In diesen Texten sagt Seewald mit vielen Worten immer das Gleiche; München ist besser als Ludwigshafen. Man muss einfach diese Texte lesen, – wenn man die innere Langeweile denn überwinden kann –, in denen sich der Journalist darüber mokiert, dass Picknickkörbe 19.90 plus 10 Euro Pfand kosten, bloß weil es in
München gar keine Picknickkörbe für zwei Personen gibt, Pfand aber sehr wohl, sogar für die Gäste der vielen fürs gemeine Publikum geschlossenen Partys, dann wird jeder begreifen, wes Geistes Kind der Mann ist. Und dann kann jeder auch seine eigenen Gedanken darüber anstellen, bei wem sich der Mann mit solchen Texten möglicherweise beliebt machen will.
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Aber es gibt zwei Formulierungen, auf die muss man antworten: »Wer sich Zeit nimmt, die Abspänne in Ruhe zu schauen, wird da auch die üblichen Verdächtigen wieder treffen: Jochen Kölsch für arte, Monika Lobkowicz vom WDR, Bettina Ricklefs vom BR und Brigitte Dithard vom SWR.«
Fast jeder deutsche Film, das weiß Seewald, der vor allem über Fernsehen schreibt, offenbar nicht, wird von TV-Sendern coproduziert. Vielleicht liest er ja mal die Abspänne der (nicht nur deutschen) Filme in München.
Seewald glaubt an den gestiegenen Stellenwert des Münchner Filmfests, Branchenkenner meint er, glaubten an München als »die Nummer Zwei hinter Berlin in Deutschland«. Wer glaubt, wird selig.
Dann aber zitiert er den früheren Filmfestchef Andreas Ströhl, unter dessen Ägide die Bedeutung des Filmfests deutlich abnahm: »Eigentlich haben wir bislang jeden Film bekommen, den wir haben wollten.« Wenn dem so wäre, müsste Ströhl sich schämen, was er alles für Filme nicht gewollt hat.
Aber natürlich stimmt das nicht. In jedem Jahr erzählen einem Filmfest-Mitarbeiter, was sie nicht bekommen haben. Das ist auch ganz klar, das gehört zum Geschäft. Geht allen so. Aber warum dieses Münchner Maulheldentum? Pfeifen im Festivalwald?
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Seewalds parteiische Texte sind kein Einzelfall. Seewald, so muss man vermuten, hat es offenbar nötig, andere zu bashen um München überhaupt loben zu können. Am 17.7.2013 musste die FAZ eine Richtigstellung von Frauke Greiner, der Pressechefin der Berlinale drucken. Dort heißt es: »Im Artikel ›Mehr als ein »Tatort« darf das Ganze nicht kosten‹ (F.A.Z. vom 28. Juni) zitiert der Autor Jörg Michael Seewald die Leiterin des Filmfests München Diana Iljine mit ›... wir haben keine fünfzigtausend oder hunderttausend Euro über, um eine Catherine Deneuve einzukaufen wie etwa Berlin.‹ Der Autor fügt an: ›So viel Seitenhieb darf dann doch sein. Längst überstrahlt die Berlinale mit ihren vielen Stars das Münchner Filmfest...‹ Offensichtlich hat der Journalist die Aussage von Frau Iljine nicht hinterfragt beziehungsweise überprüft, sie aber gerne als ›Seitenhieb gegen die Berlinale‹ betitelt. Hier bedarf es einer Richtigstellung: Catherine Deneuve hat im Februar 2013 ihren Film Elle s'en va im Berlinale-Wettbewerb vorgestellt. In diesem Jahr wie auch schon bei ihren vorherigen Berlinale-Besuchen hat die Berlinale dafür kein Honorar für Frau Deneuve bezahlt. Dies gilt ebenso auch für alle anderen Festivalgäste der Internationalen Filmfestspiele Berlin.«
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Der Mann mag aber offenbar die Formulierung von den Seitenhieben. In der FAZ steht jetzt auch: »Einen Seitenhieb auf die Konkurrenz aus München«. Relax man! Hoffentlich gibt ihm der FFF morgen ein Weißbier aus.