31. Filmfest München 2014
Gala, Glam & Gloria |
||
Hinter der tristen Landschaft verbergen sich die erfinderischen Bilderwelten von Jean-Pierre Jeunet: Die Karte meiner Träume eröffnet das 32. Fillmfest München – in 3D |
||
(Foto: DCM Film Distribution GmbH) |
Von Dunja Bialas
Es gibt wohl kaum einen weniger relevanten Vorwurf an ein Festival als: So viele Filme! So viele Reihen! Wer, bitte schön, soll sich das ansehen? Schon jetzt kann man verzweifelte Menschen mit Stressflecken im Gesicht das Programm durchblättern sehen, Anrufe gehen bei uns in der Redaktion ein, mit der Bitte nach Beratung.
Soll man nun auf die Hommage für Walter Hill setzen, dem »Rebellen aus Hollywood« (Filmfest München), dessen Filme überwiegend als Filmkopien im Filmmuseum
zu sehen sind? Hill hat neben dem berühmten Driver, dem vor drei Jahren Refns Remake Drive als stimmungsvoller Neo-noir folgte, astreines Genrekino gemacht, das sich aber immer gegen den Mainstream stemmte, anders war, anders berühren konnte.
Oder soll man lieber die Hommage für Klaus Lemke verfolgen, über den sich ähnliches sagen ließe? Lemke ist ein Großstadt-Cowboy, man könnte ihn auch »Film-Rebellen aus Schwabing« nennen, und hat in den den vergangenen Jahren aus Protest gegen abgelehnte Filme auf diversen Festivals öffentlich protestiert, Gegenvorführungungen gestartet, plakatiert. Oder die Festivals beschimpft, wie zuletzt die Berlinale: »Die Berlinale hat keinen Glamour. Den hat vielleicht Festivalchef Dieter Kosslick, wenn er mit Richard Gere abends mal essen geht.« Und nun lässt er sich auf eine Hommage ein, ausgerechnet in der Stadt, der er vor Jahren der Rücken, wenn auch nur halbherzig, kehrte. Lemke reiht sich damit in die Reihe der »dann doch noch« vom Filmfest gewürdigten Münchner Regisseure ein, mit Herbert Achternbusch, dem »Rebellen vom Starnberger See«, der 2008, noch unter Andreas Ströhl, eine Hommage bekam. – Lemke wird zu jeder seiner Vorführungen anwesend sein, was eine große Lektion in Sachen Straßenpflaster-Coolness verspricht. Mit dem Untertitel: Warum eigentlich wollen wir nicht erwachsen werden?
Schon letztes Jahr haben wir einen Hommagen-Overkill beim Filmfest beklagt. Als könne es sich nicht entscheiden, wen es ehren solle, als hätte es Angst davor, durch die Hommage des einen eine Art Visitenkarte zu zücken. Als wolle es auch im Hommagen-Publikumsspektrum niemanden nicht erreichen. Und so gibt es auch dieses Jahr noch eine weitere Hommage, »Tribute« genannt, was die Sache aber nicht ändert, für Willy Bogner, dem Bussi-Bussi-Münchner, dessen Winter-Kollektionen zum Après-Ski getragen werden. Bogner ist, so kann man sagen, der Erfinder des professionellen Skifilms. Sportliche Models stürzen sich bei ihm ästhetisch äußerst effektvoll inszeniert, in schicker Skikleidung und bei Pulverschnee und blitzblauem Himmel, die steilsten Hänge der alpinen Welt hinunter. Bogner ist der Leni Riefenstahl der Skiszene. Tolle Kamera, super aussehende Leute. Mit, das gereicht ihm zum Vorteil, sexy 70er-Jahre-Retro-Touch.
Und dann gibt es noch sage und schreibe eine vierte Hommage, an den Schweizer Filmproduzenten Arthur Cohn (Central Station, 1998, Die Kinder des Monsieur Mathieu, 2004), der auch vielen Dokumentarfilmen früh zu internationaler Beachtung verholfen hat (American Dream, 1990, Ein Tag im September, 1999). Gezeigt wird allerdings nur ein Film, den er produziert hat, Die Kinder der Seidenstraße, von 2008. Und er ist, ebenso wie die anderen geehrten Regisseure, »Star zum Anfassen«. An einem »Gala-Abend« kann man den Produzenten, wie es im Filmfest-Programmheft heißt, »hautnah« erleben. Auf Tuchfühlung gehen. Laudator der Gala wird Edmund Stoiber sein.
+ + +
Und schon sind wir mitten drin, im Glanz und Glamour. Vor drei Jahren wurde Diana Iljine zur neuen Chefin des Filmfest München ernannt, unter anderem aufgrund ihres Versprechens »mehr Glamour« an die Isar zu holen. Durchaus lohnenswert ist es in diesem Zusammenhang, sich an die Anfänge des Münchner Filmfests zu erinnern, das als Skandalgeschichte begann: »Da ließen sich also der Freistaat Bayern und die reklamesüchtigen Funktionäre seiner Hauptstadt ein glitzerndes Millionending einfallen und tauften es 'Münchner Internationale Filmwochen'«, schrieb die »Zeit« anno 1979, Jahre vor der ersten Ausgabe des Festivals. Und weiter: »Zum Direktor der Affäre wurde ein Herr bestellt, der sich mit internationalem Glamour auskennt: Alfred Wurm, der ansonsten für die Münchner 'Modewoche' zuständig ist und auch unter Wohlmeinenden nicht eben als Kino-Sachverständiger gilt.« Wurm setzte im ersten Jahr, in dem das Festival endlich stattfinden sollte, zusammen mit dem damaligen CSU-Oberbürgermeister Erich Kiesl, der den Münchnern das Filmfest infolge eines Wahlversprechens schenkte und dafür aus dem Stand 900.000 DM aus dem Stadtsäckel locker machte, eben diese 900.000 DM in den Sand. Glamour wurde hier als Münchnerische Angeberei und Jet-Set interpretiert, eine Villa wurde an- und wieder abgemietet (was allein schon 40.000 DM verschlang), es wurde von Cannes direkt nach New York geflogen. »Der teure Ausflug in die Filmwelt« titelte 1982 die »Süddeutsche Zeitung«.
Alles, ohne ein Konzept in der Tasche zu haben, und vor allem: Alles, während Wurm die gesammelten deutschen Filmemacher gegen sich hatte. Diese, weil sie nicht in die Besprechungen einbezogen wurden, gingen kurzerhand, 1979, nach Hamburg, um dort ein selbstorganisiertes Festival auf die Beine zu stellen: Das »Festival der Filmemacher«. Erst als Eberhard Hauff zum neuen Leiter des Filmfests ernannt wurde, der einer »von ihnen«, den Filmemachern war, entschärfte sich die Situation, und es gab immerhin Ansätze, mit den selbstorganisierten Gruppen zusammenzuarbeiten – das Kinderfilmfest ist ein Erbe davon.
Glamour, so könnte man resümieren, stand also in den Anfängen gegen Politik und Filmpolitik, die sich gegen den bayerischen Festival-Kini nicht behaupten konnten. Von diesem Weg ist das Filmfest in der Zeit seines Bestehens nicht abgewichen. Auch wenn es unter Ströhl etwas »hemdsärmeliger« wurde: Auch er stand immer unter dem Druck, nicht etwa, möglichst viele Gäste oder Filmemacher einzuladen (auch das Dokfest wartet übrigens für fast jeden Film mit einem Gast auf), nein, er musste sich immer der beliebten, unreflektierten Pressefrage stellen – die wiederum auf die jeweilige Festival-PR ansprangen –, welche Stars an die Isar kämen. Und: gibt es überhaupt einen Roten Teppich, der diesen Namen verdient?
Iljine hat den Vorteil, dass sie sich von Anfang an dem Glamour verschrieben hat (eine leicht sexistische Bemerkung unseres Alt-OBs lautete: sie sei sogar selbst schon Glamour genug, sie müsse nur lächeln – Frauenbeauftragte, wo seid ihr?). So muss sie nicht weiter darüber nachdenken, und kann das Programmieren ganz einfach dem altbewährtem Kuratoren-Team überlassen. Und sich um den »Glamour« kümmern.
+ + +
Aber auch die Fllme sind die Stars des Festival, bringen Gloria an die Isar: Wie jedes Jahr hat auch dieses Jahr das Filmfest München, das in seinem Reglement allein Deutschlandpremieren vorschreibt, auf den Festivals der Welt gefischt. Vor allem die Filme von Venedig, Rotterdam und natürlich Cannes sind auffällig präsent. Müßig hier, sie aufzuzählen. Ein wenig vermissen wir den programmatischen Wagemut, wie ihn einst der unbeirrbare Klaus Eder bewies, als er Filme aus dem peruanischen Dschungel zeigte. Das Münchner Filmfest setzt heute, klar, auf Qualität. Aber sollte uns nicht auch das Qualitäts-Kino dort suspekt werden, wo es dazu dient, ein Best-of-Festivals in Quantität zu bestücken? Wo sind die Diskussionen, Bestandsaufnahmen über das Weltkino, Befragungen zum Genre »Festivalfilm«? Ersteres wird sicherlich – hoffentlich – in den Diskussionen passieren. Letzteres würde den Festivalzirkus als insgesamt sich selbst immer wieder hervorbringendes Event zu sehr beleuchten, als dass man von dem Licht geblendet nicht lieber die Augen verschließen würde.
Mehr Informationen unter www.filmfest-muenchen.de