65. Berlinale 2015
Große Raupe Nimmersatt |
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Auch mal Buch und jetzt ein Film: Hugo Cabret | ||
(Foto: Paramount Pictures Germany GmbH) |
Begeistertes Klatschen, mitten in einem gemütlichen Wohnzimmer, mit weichem rostrotem Ledersessel, dahinter eine Leselampe wie aus einem von Loriot gezeichneten Biedermann-Paradies, dahinter eine Bücherwand, leider mit verdächtigen Leerstellen, eher wie bei Ikea ausgeliehen, als bei einer Leseratte. Und dann in der anderen Ecke – ein Fernseher!
So stellt sich die Berlinale offenbar den typischen Leser vor – oder jedenfalls dekoriert sie so die Bühne zur Veranstaltung »Books at Berlinale«. »Books at Berlinale«? Was soll denn das sein? Gut, es gibt immer Buchverfilmungen, oft von recht seichten Vorlagen, wie gerade des Soft-Sado-Maso-Pornos Fifty Shades of Grey.
Aber dies ist etwas anderes, hier werden kommende Filme zusammengebastelt. Henning Adam, einer der Leiter des Coproductions-Markts erklärt das Konzept:
»Uns ist auch tatsächlich ganz wichtig, dass wir in der Auswahl immer ganz unterschiedliche Stoffe haben. Also auch Stoffe, die ein größeres Budget erfordern und vielleicht nur von größeren Produktionsfirmen überhaupt nur erwogen werden können. Aber auch Stoffe, die für jeden zugänglich sind, wo die Schwelle nicht so hoch ist, die man also ohne ein großes Budget machen kann«
Das heißt also: Verlage und Agenten »pitchen« Bücher, die erst noch verfilmt werden sollen, sie preisen sie meistbietend an, wie sonst Drehbuchautoren ihre Stoffe. Im Grunde ist die Berlinale eine einzige große Fashion Week – alle wollen posen und anpreisen, alle stehen hier auf einem Laufsteg, ob mit oder ohne roten Teppich.
411 Filme laufen in diesem Jahr auf den Internationalen Berliner Filmfestspielen – kein Mensch kann das alles ansehen. Aber das reicht noch lange nicht. Denn die Berlinale ist vor allem ein großer Markt. Und hier wird längst nicht nur mit Filmen und ihren Rechten gehandelt, sondern auch mit Büchern.
Eine derjenigen, die dieses Jahr auf die Berlinale eingeladen wurde, ist Anette Knoch, Verlegerin des »Literaturverlags Droschl«. Für sie war dieser erste Auftritt auf einem Festival ein aufregendes Erlebnis: »Es ist total spannend... Es ist ein großes Publikum; die elf vorgestellten Filmstoffe sind so unterschiedlich und jeder hat sie so grandios vorgestellt. Ich bin total neugierig, welches davon seinen Durchbruch haben wird. Weil man hat den Eindruck, jedes hat Potential und jedes spricht ein so unterschiedliches Segment an: Es gibt Kinderbücher, es gibt Literatur, es gibt Science-Fiction, Fantasy, Mystery – alles da.«
Anette Knoch hat Aberland vorgestellt, den gerade erst erschienen Roman der jungen Schriftstellerin Gertraud Klemm, erläutert die Verlegerin: »Es geht um die ewige Thematik der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf und um diese bürgerliche Rolle, aus der die Frauen rauswollen und sich oft nicht trauen. Das ist es im Großen und Ganzen.
Und um einen Tonfall – das ist glaube ich das, was Aberland unterscheidet: Es ist ein politisch unkorrekter und auch
frecher Tonfall, und der bringt auch den Witz rein.«
Wie blickt die Filmindustrie auf Buchstoffe? Bestimmte Vorlieben und Schwerpunktsetzungen erlaubt man sich kaum: Auch hier regiert ein harter Markt über persönliche Interessen und Leidenschaft. Spricht man mit Produzenten, dann geht es Filmemachern natürlich um internationale Verwertbarkeit, um Spannung.
Beliebt sind Elemente der Kolportage und des Genres, auch die Möglichkeit eine Serie aus dem Stoff zu entwickeln. So wurde etwa Storm Sisters vorgestellt und die sogenannte Pitchline hierfür spricht bereits Bände: »Spice Girls meets Piraten der Karibik«.
Es geht um fünf, natürlich sehr unterschiedliche, sehr sehr originelle Girlies aus dem 18. Jahrhundert, die Piraten werden. Wenn es nach den Machern geht, wird Storm Sisters der »Blockbuster der 2020er Jahre« werden.
Etwas ernster Pretty Girl 13, in der die Geschichte aus der Sicht eines 13-jährigen Mädchens erzählt wird, die von einer Pfadfinderreise ins Elternhaus zurückkehrt – und dort erfahren muss, dass sie drei Jahre lang verschwunden war, und bereits 16 Jahre alt ist.
Beides klingt spannend, teilweise tiefgründig und ist eindeutig auf eine jüngere Zielgruppe ausgerichtet. Auch der Trend zum Feminismus, zu aktiven heldenhaften Frauenfiguren wird hier bedient. In dieser feministischen Note treffen sich diese beiden Romane auch mit Aberland. Trotzdem sind die Aussichten auf anspruchsvolle Stoffe im Kino zur Zeit nicht überragend.
Sieht man die bei »Books at Berlinale« verfilmten Bücher dann irgendwann auch auf der Berlinale? Das ist die große Frage. Henning Adam ist da selber noch etwas unschlüssig: »Im Zentrum der Berlinale des Berlinale Coproduction Market sind eigentlich Filmprojekte, die in der Entwicklung sind, und die Partner suchen, damit das Projekt fertig gestellt werden kann, die schon zu Teilen finanziert sind. Und dafür suchen wir potentielle Partner, machen sehr sehr viele Meetings – und
dann ist das natürlich ein Projekt, das in einem viel weiteren Stadium der Entwicklung ist – da kann man das schneller nachvollziehen.
Hier bei den Büchern ist es oft so, dass es oft Jahre um Jahre braucht und wir dann tatsächlich versuchen, das nachzuvollziehen, was dann passiert, aber dass das jetzt für die Berlinale fruchtbar gemacht werden soll – das wäre wünschenswert, aber das ist nicht unbedingt unser Ziel.«