65. Berlinale 2015
Alles was der Fall ist |
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Golden Kingdom spielt in Burma, wurde vom Amerianer Brian Perkins gedreht, und von der deutschen Kamerafrau Bella Halben in herausragenden, dichten Bildern beeindruckend eingefangen. | ||
(Foto: crew united) |
Vier junge Mönche in Burma, irgendwo im Dschungel. Nachts hört man die Geräusche der Tiere, aber die vier, die noch Kinder zwischen acht und 14 Jahren sind, haben keine Angst. Denn ein goldener Buddha bewacht sie und ihren Tempel, beschützt vor den Geistern der Welt. Ihr Erzieher ist ein weiser alter Mönch. Doch eines Tages muss der Alte weg, auf eine Reise in die ferne Stadt.
Nun sind sie auf sich gestellt. Die Angst nimmt zu, es gibt kleine soziale Rivalitäten, der sehr menschliche Konflikt zwischen Freiheitsdrang und Disziplin, Glück und Glaube quält die Kinder. Und in die Geräusche der Vögel und des Waldes mischen sich andere: Granaten, Schüsse – die Spuren des Bürgerkriegs
Golden Kingdom spielt in Burma, wurde vom Amerianer Brian Perkins gedreht und von der deutschen Kamerafrau Bella Halben in herausragenden, dichten Bildern beeindruckend eingefangen.
Dieser Film ist einer Höhepunkte unter den Jugendfilmen auf der diesjährigen Berlinale.
Kinderfilmfest – das war einmal. Heute sagt man »Generation« oder besser noch »Generation«. Auch die ehrenwerten Beschränkungen durch pädagogische Absichten hat man längst abgelegt – und weil der eine Teil der Sektion sich »Generation 14 plus« nennt, ist auch dem letzten klar: Hier laufen nicht nur 33 Filme aus 19 Ländern, hier laufen Filme für Erwachsene, für junge wie ältere. Weil die Reihe sich zugleich all den lästigen Zwängen verweigert, die Welt- oder mindestens Europapremieren verlangen, weil sie keine Stars braucht und kein »Event« sein muss, keine schwul-lesbischen oder experimentalistischen Erwartungen erfüllen muss, hat sich die »Generation« in der letzten Dekade zu einer echten Alternative zu Wettbewerb, Forum und Panorama gewandelt, zu einer vierten Hauptsektion, in der einfach gute Filme laufen, junge frische Figuren und Themen, die es bei genauem Hinsehen in sich haben.
Golden Kingdom ist dafür ein Paradebeispiel. Sogar ab zehn Jahren empfohlen ist dieser ernsthafte, atemberaubende, so meditative wie gegenwärtige Film.
14+, so wie die Sektion, heißt ein Film aus Russland, von Andrey Zaytsev. Auch er hervorragend, aber ganz anders – nicht weltfern innerlich, sondern erhitzt und poppig aus dem Hier und Jetzt. Er erzählt von der ersten Liebe zweier Teenager, vom Leben in den tristen Trabantenstädten am Rande der Metropole. Das Regiment der Wohnblocks haben unterschiedliche Banden, also scheinen Vika und Alex nicht zusammenzukommen. Aber die Liebe überwindet vieles, und so ist 14+ ein tolles Melodram und eine spannende Innenansicht der russischen Gesellschaft jenseits von Putin und den Pussy Riots.
Auch Terrorismus ist ein Thema. In diesem Fall der in Kanada in den Sechziger und Siebziger Jahren: Corbo heißt der fesselnde Film von Mathieu Denis, der erzählt, wieso der 16-jährige Jean Corbo zum Untergrundkämpfer wird: aus Liebe schließt er sich jener sezessionistischen Terrorgang an, die einst für die Abspaltung der französisch-kanadischen Provinz Quebec einen blutigen Kampf führte.
In der Generation geht es um alles, was der Fall ist, in unserer Welt: junge Mädchen in Afghanistan, die lernen wollen. Vier Teenager in einem Bergdorf in Südafrika, die erwachsen werden müssen, um Vergewaltigung an der Schule und um ein Mädchen im San Francisco der 1970er, die endlich ihr »erstes Mal« erleben will. Die Generation entpuppt sich in diesem Jahr als die mit dem Panorama beste Berlinale-Sektion: Weil sie die freieste ist, nicht borniert, plump politisierend, nie moralisierend. Weil man hier einfach dem offenen Leben begegnet in all seinen Facetten.