Cinema Moralia – Folge 103
Nicht löschbares Feuer? |
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Es war ein langer Winter: Protest der dffb-Studenten im Kunstpelz |
Eine Vorbemerkung, am 16.3.15: Noch nie wurde Cinema Moralia so spät fertig wie diesmal. Das liegt daran, dass in der letzten Woche rund um die Berliner DFFB die Dinge so dermaßen ständig im Fluss waren, dass man sie eigentlich nur mit Liveticker hätte abbilden können. Aber weder wollen wir das tun, noch habe ich Lust, permanente Updates per Twitter oder Facebook zu liefern. Nur fehlte in den letzten Tagen nicht nur die Zeit, um die Gedanken zu ordnen und hinzuschreiben, sondern es passierten auch dauernd neue Dinge, mit denen man als Berichterstatter nur mühsam Schritt halten konnte. So muss es Kriegsberichterstattern gehen und gerade die neuesten Eskalationen, die hier noch nicht stehen, sind schwer hinzunehmen. Es war noch schwieriger, als ein Filmfestival, wo es immerhin immer neue Filme sind, nicht ein wenn auch sprunghafter, so doch zusammenhängender Prozeß. Ich hätte gern mehr Zeit dazu gehabt. Insofern muss ich Sie, liebe Lester um Verzeihung für das Chaos bitten. Andererseits ist es ja auch vielleicht eine Tugend der »Cinema Moralia«-Texte, dass sie nicht nur die Befindlichkeit des Autors abbilden, sondern auch den Zustand dessen, worüber er schreibt.
»Die Herausforderung besteht darin, den Akt des Denkens mit der Hitze des Augenblicks in Einklang zu bringen. In der Kälte des Danach zu reflektieren führt nicht zu einer ausgewogeneren Wahrheit, sondern normalisiert die Situation und erlaubt uns, der Schneide der Wahrheit auszuweichen.« – Slavoj Zizek
Wenn sich jemand gleich zu Beginn fragt, warum es zum Teufel hier jetzt schon zum dritten Mal hintereinander um die DFFB geht, und das auch noch im Wochenabstand – liebe Leser, ich verstehe solche spontanen Gedanken, ja Widerwillen gegen das Thema sehr sehr gut –, dem kann man ganz einfach antworten: Weil es nicht um die DFFB geht. Jedenfalls nicht nur.
Sondern das, was gerade rund um die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) passiert, ist ein
Musterbeispiel, gewissermaßen die Blaupause dafür, wie in Deutschland Politik, nicht zuletzt Kulturpolitik gemacht wird.
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Zugleich ist es der wahre Irrsinn: Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich zum Beispiel an der lustigen Juristin Edith Forster. Die ist als Verwaltungsratschefin Interimsdirektorin der DFFB (gemeinsam mit Studienleiter Bodo Knapheide) und in der Wahrnehmung vieler DFFB-Mitarbeiter die Statthalterin von Björn Böhning, dem Berliner Senatskanzleichef in der DFFB.
Wie lustig Forster ist, sieht man daran, dass sie nur fünf Sätze brauchte, um mir tatsächlich mit der Polizei
zu drohen, wenn ich nicht meine Sachen zusammenpacke.
Davor war ich noch gar nicht dazu zu kommen, ihr zu sagen, dass ich ihren Wunsch respektiere, sondern war noch dabei zu erläutern, dass ich ja auf Einladung von Dozenten und Studenten gekommen war, wie übrigens andere Journalisten auch. Manche von ihnen blieben unerkannt, Hans-Georg Rodek und Claudia Lenssen wurden ebenfalls vor Veranstaltungsbeginn auf eher unfreundliche Art des Raums verwiesen.
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Falsch ist dieser Schritt sowieso, schon deshalb, weil die ganze DFFB-Situation längst kommunikativ außer Kontrolle geraten ist: Gerüchte und Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien und Irrtümer wabern durch die Republik bis nach Hamburg, Köln, Frankfurt und München, von wo aus man von Freunden, Bekannten, Kollegen angesprochen wird.
Machen wir uns nichts vor: Die DFFB ist zur Zeit die Lachnummer der Republik. »Was da abgeht ist der Hammer.« schreibt mir eine Dozentin, »Ich bin
fassungslos. Was ist denn das für ein Verfahren?«. Eine Regisseurin schreibt mir: »Die Zustände sind geradezu toll.« Ein Film-Redakteur: »Irrsinn!«
Man stelle sich nur einmal vor, ich wäre am Mittwoch einfach sitzengeblieben – das wäre natürlich auch von mir etwas kindisch gewesen. Aber die Verwaltungschefin hätte die Polizei geholt, und Presse von Beamten in Uniform aus der DFFB abführen lassen? Ein Eklat mit Fotos und anderem, provoziert von einer Juristin, die offenbar den
Anforderungen der Situation nicht gewachsen ist.
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Forsters Verhalten zeigt, wie blank die Nerven der Beteiligten liegen. Ich könnte es mir jetzt einfach machen, und alles hier auf eine Person schieben, die – sehr gelinde gesagt – nicht bei allen Mitarbeitern, Dozenten und Studenten der DFFB besonders beliebt ist. Von Schütte ernannt, fallen überaus unfreundliche Ausdrücke, die auf ihr Geschick, ihre Intelligenz, und ihre vermeintliche Fähigkeit zum Strippenziehen zielen, und keiner von denen, mit denen ich gesprochen
habe, meinte, dass sie oder er ihr vertraut.
Forster Verhalten steht aus meiner Sicht aber vor allem für die Instinktlosigkeit und Kommunikationsunfähigkeit der massgeblich Beteiligten in Senat und Kuratorium.
Egal, was man über die derzeitige Situation an der DFFB denkt, welche Entscheidung man für die Richtige hält, und wie man glaubt, dass nun verfahren werden solle – dies ein Kommunikationsdesaster ersten Ranges, und der dafür Verantwortliche, der
Senatskanzleichef Björn Böhning findet keinen Kompromiss, keinen Weg, die Situation unter Einbeziehung aller Beteiligten sachgerecht zu lösen.
Noch immer unterschätzen Böhning und sein Kuratorium die Situation. So provozieren Streiks und Klagen, viel Frustration und eine Hängepartie, die der Institution DFFB als Ganzes schadet.
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Das Verfahren, auf dessen Durchführung sich das Kuratorium weiterhin beruft, ist keineswegs »normal«. An der HFF München, um mal dieses Beispiel zu nehmen, wurden in den letzten zehn Jahren alle Professuren im Konsens berufen. Im Zeitplan und immer im absoluten Konsens mit den Studentenvertretern. Vor elf Jahren war einmal ein Kandidat der Studenten nur auf Platz zwei der Hochschule. Wenn also vielleicht Fehler gemacht wurden, wurden sie zumindest gemeinsam gemacht. Eine
unbestreitbare Qualität.
An der DFFB wird jeder Direktor mit neuem Verfahren gewählt. Weil schon der letzte, Jan Schütte, quasi von oben installiert worden ist, und das missglückte Verfahren danach nicht besser wurde, geben die Studenten diesmal nicht klein bei. Man muss nicht alles richtig finden, was sie tun, man kann ihnen eine gewisse Sturheit und Kompromisslosigkeit nicht absprechen, aber man kann sie verstehen. Sie haben gute Gründe. Und vergessen wir nicht: Mit Sturheit und
Kompromisslosigkeit kommt man als Filmemacher schon mal sehr weit.
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Ralph Schwingel ist zum Direktor ernannt worden. Ich glaube, er wäre ein guter Direktor, einer der aus der jetzigen Situation etwas Produktives machen könnte. Andererseits merkt er spätestens in diesen Tagen, auf was er sich wirklich eingelassen hat, besser gesagt: Was ihm das Kuratorium zumutet. Denn es ist ein Skandal, wie das von Böhning zu verantwortende Kuratorium in den letzten Monaten mit renommierten Filmemachern umgeht, von der DFFB ganz zu schweigen. Namen werden verschlissen, ohne Rücksicht auf Verluste. Zur Zeit ist man auf dem besten Weg, auch den guten Namen Ralph Schwingels, egal ob er nun Direktor werden wird oder nicht, zu beschädigen.
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Was für Ralph Schwingel spricht, ist nicht nur seine Erfahrung, die Filme die er gemacht hat, und die Tatsache, dass er sich – soweit ich das sagen kann – auch in den letzten Tagen als offener, integerer Mensch gezeigt hat, der gesprächsbereit und diskursfähig ist. Was für ihn spricht, ist auch, dass er offenbar Sinn für Talente hat, dass er Fatih Akin über Jahre aufgebaut hat, mit einer gewissen Hartnäckigkeit. Für ihn spricht aus meiner Sicht auch seine Biographie, die eine Biographie mit Brüchen ist. Die Tatsache, dass hier einer dem Filmbusiness auch einmal aus freien Stücken den Rücken gekehrt hat.
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Was gegen ihn spricht, ist nur das Verfahren seiner Ernennung. Und indem er sich darauf einlässt, kann er sich nicht einfach darauf berufen, er habe mit alldem nichts zu tun. Schön wär’s.
Wenn er die Position trotzdem annimmt, dann tut er das auch im Bewusstsein, dass dies eine Belastung sein wird. Man kann, ja muss hier natürlich sagen, dass es in der Politik – und dies ist Politik in Reinform – irgendwann immer eine Entscheidung dafür gibt, Kompromisse zu machen,
die nicht ideal sind. Die richtigen Kompromisse zu machen, gehört zur Verantwortung des politisch Handelnden. Reine Gesinnungsethik hat aus meiner Sicht mit Politik nichts zu tun.
Allerdings handelt im DFFB-Fall vor allem das Kuratorium verantwortungslos. Sie handeln in dem Sinn gesinnungsethisch, als dass sie ihre handlungsleitenden Prinzipien um jeden Preis kompromisslos durchziehen und durchsetzen wollen, dass sie nicht verstehen (wollen), dass es in der jetzigen
Situation verantwortungsvoll und dringend geboten wäre, die Situation zu entschärfen.
Man hätte Ralph Schwingel weitaus eleganter und verfahrenstechnisch korrekter ernennen können – zu aller Nutzen.
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Die DFFB hat eine großartige Tradition. Die DFFB ist immer eine Ausnahmeschule gewesen, eine Akademie für Filmkunst, eine Filmschule, an der eine andere Freiheit herrscht, als zum Beispiel auch an einer Universität. Die Studenten können froh sein, dass ihr Studium nicht in Module zerfällt, nicht durch Bachelor- und Masterabschlüsse in ein permanentes Examen verwandelt wird. Diese Verschulung ist nämlich der Preis für die größere Transparenz an den Hochschulen.
Wie keine
andere Filmschule, die ich kenne, ist die Stärke der DFFB die Ausbildung zum Eigensinn – wie die Studenten und manche Dozenten ja gerade beweisen.
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Einer der berühmtesten DFFB-Filme stammt von dem im Vorjahr verstorbenen Harun Farocki, dessen letzte Arbeiten gerade in einer Ausstellung in Berlin gezeigt werden. Der Film heißt: »Nicht löschbares Feuer«.
Man kann durch den Protest der Studenten und Dozenten an diesen Titel erinnert werden, und mit ihm die Energie des Herzens verbinden. Man kann aber auch die ganze, traurige gegenwärtige Lage an der DFFB so verstehen: Als ein Feuer, das nicht zu löschen ist.
(To be continued)
Ein Kommentar, der uns auf Facebook erreicht hat, und den wir hier unbedingt an unsere Leser weitergeben möchten:
»Das Verfahren um die Besetzung des Direktors ist sicherlich eine Farce, das Kuratorium hat sich und vor allem Ralph Schwingel keinen Gefallen getan. Was hier aber nie thematisiert wird. ist die andere Seite, nämlich der Verschleiß von Direktoren an der dffb seit einigen Jahren, eine teilweise sehr aggressiv geführte, nicht respektvolle Debatte durch die Studenten von denen einige alles mögliche wollen aber nichts geben und auch eine anständige Diskussionskultur – noch – nicht gelernt haben. Ich habe einige der Umbesetzungen mitbekommen und es war immer unerfreulich – nicht nur von einer Seite. Ralph Schwingel ist ein guter Mann für den Posten, ich hoffe dass dies Jenseits des Verfahrens an sich bei den Studenten ankommt und er nicht dafür abgestraft wird.« (Nina Pourlak, Regisseurin)