Cinema Moralia – Folge 165
Plüsch und Bier, das rat ich dir – Netflix und Weinstein, das lass sein! |
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Stream ich noch, oder guck ich noch Talkshow? Der Netflix-Produktion Meyerowitz Stories geht die Puste aus. Foto: Netflix | ||
(Foto: Netflix) |
Was ist ein Telefonfilm? Im italienischen Kino in den fünfziger Jahren nannte man so jene Filme für die breite Masse, die billig produziert waren, und in denen die Figuren, statt vor spektakulären Schauplätzen am Telefon miteinander redeten.
Heute gibt es wieder Telefonfilme. Es sind jene Werke für die Masse, die man nicht genau sehen muss. Hören reicht, denn sie sind nicht mehr für die große Leinwand gemacht, es genügt vollkommen der kleine Bildschirm des Smartphones. Mehr
gibt es nicht zu sehen.
So sind ziemlich oft die Filme, die Netflix produziert. Noah Baumbachs Meyerowitz Stories zum Beispiel, ein mit vielen Stars besetzter, trotzdem sehr langweiliger, weil verlaberter Film über eine dysfunktionale Familie, die die ganze Zeit miteinander streitet.
Weitaus besser, zugegeben ist Okja, der Film eines koreanischen
Kultregisseurs, in dem ein künstlich erzeugtes Superschwein vor den Zugriffen der Lebensmittelindustrie gerettet werden soll. Die Industrie finanziert Industrie-Kritik. So, liebe Leser, funktioniert moderner Kapitalismus!
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Diese beiden Filme sorgten im Mai, bei den Festspielen von Cannes, für einen Skandal. Denn sie liefen im Wettbewerb und wurden von Netflix produziert – allerdings gar nicht fürs Kino. Netflix, das ist bekanntlich der smarteste unter den neuen Raubfischen im verschlafenen Karpfenteich der europäischen Filmbranche.
Ein Streamingdienst, aber nicht irgendeiner. Sondern eine Firma, die im Gegensatz zum großen Konkurrenten Amazon, aber auch zu Mubi und den vielen anderen
kleineren dem Kino direkt den Kampf ansagt. Man wolle das Kino ersetzen, es sei von vorgestern, verkünden die selbstbewusst lächelnden Netflix-Herren in den grauen Anzügen.
Ein neues Medium ruft zu einem Vernichtungsfeldzug gegen ein altes Medium auf.
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Mal abwarten, ob ihnen das wirklich gelingt, denn bislang – Millionen Abonnenten hin oder her – macht Netflix Miese und lebt nur von Erwartungen, sprich: vom täglich neu verbrannten Börsenkapital.
Und die vielen Abonnenten haben sie vor allem durch Dumpingpreise – für neun Euro einen ganzen Monat lang gucken, bis der Arzt kommt – das ist keine reale Finanzierung. Netflix hat verkündet, dass es im kommenden Jahr achtzig eigene Spielfilme herausbringen
will. Im dritten Quartal dieses Jahres behauptet Netflix weitere 850.000 Abonnenten in den USA und außerhalb 4,45 Mio. gewonnen zu haben. Trotzdem verdient man auch mit diesen Größen noch nicht jene acht Milliarden Dollar, die Netflix 2018 allein für Eigenproduktionen ausgeben will.
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Überhaupt: die Finanzierung. Wer bezahlt denn die Filme, die auf Netflix laufen? Die europäischen Steuerzahler. Denn Selbstproduziertes wie Okja und die Meyerowitz Stories sind die große Ausnahme. Die meisten Filme die Netflix zeigt, sind angekauft.
Deutsche Förderung hat Netflix bisher noch nicht erhalten. Die einzige Serie in Deutschland ist bisher »Dark« und
hat keine Förderung bekommen. Ein Unterschied ist auch, dass Amazon dem Produzenten Rechte lässt, Netflix aber nicht. Warum sollten nun ausgerechnet im Mekka des Kinos, in Cannes, solche Häretiker und Feinde des Kinos noch eine Bühne und den roten Teppich ausgerollt bekommen?
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Nach dem Eklat in Cannes im Frühjahr tobt jetzt ein neuer Streit. Jetzt greift Netflix auch die Filmförderung an. Netflix will nicht zahlen. Im Gegensatz zu allen anderen, zu öffentlichen und privaten Fernsehsendern, aber auch im Gegensatz zu anderen Streamingdiensten weigert sich Netflix, seinen Anteil wie gesetzlich vorgeschrieben in den gemeinsamen Topf der Filmförderung einzuzahlen.
Aber Filmförderung basiert auf Partnerschaft: Alle zahlen ein, unabhängig davon,
wieviel sie herausbekommen. Aber nur wer einzahlt, darf Förderung bekommen. Logisch, oder?
Genau gegen dieses Modell hat Netflix jetzt geklagt: Vor dem Europäischen Gerichtshof wollen die Amerikaner ihre Beitragspflicht kippen – verhandelt wird ab Donnerstag.
Es ist ein Grundsatzprozess: Sollte Netflix Erfolg haben, kann man sicher sein, dass sich auch andere auf das Urteil berufen, und sich weigern zu zahlen.
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Einstweilen ist dieser Streit aber auch eine wunderbare Chance für Politiker und Verbandslobbyisten, um sich in Szene zu setzen. Schon im Februar nutzte Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Gelegenheit, um auf »Netflix und Co.« einzudreschen. Aber schöne Sonntagsreden über Filmkultur, Abgabepflicht und Gerechtigkeit verstellen mehr, als sie zeigen. Denn mit Netflix hat man einen wunderbaren Bösewicht, einen schillernden Schurken, den man für alle Übel der Filmwelt verantwortlich machen kann.
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Denn Netflix ist nicht schuld, wenn es dem deutschen Kino heute schlecht geht – das sind eher die eingefahrenen Gewohnheiten der Kinobetreiber und Filmverleiher, eine erstarrte deutsche Filmlandschaft, in der die Lobbys und Verbände alles schön geregelt und aufgeteilt haben, eine erzkonservative Altbranche, die ihre Hausaufgaben nicht macht, die gern mit dem Finger auf Brüssel, auf Amerika und auf Unternehmen wie Netflix zeigt – in diesem Fall sogar zu recht
– die allem Neuen aber misstrauisch bis feindselig gegenübersteht.
Erst vor drei Jahren wollten mutige Filmstudenten mit ihrem preisgekrönten Film Love Steaks so etwas Neues ausprobieren, und den Film zeitgleich im Kino und im Internet starten – die Verbände liefen Sturm, und das Experiment wurde abgeblasen.
Viele andere Filmemacher erzählen ähnliches – der Befund
ist klar: Viele Film-Verleiher sind von gestern, viele Kinobetreiber von Vorgestern.
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Unterstützt wird eine solche fortschrittsfeindliche Haltung von Gesetzen, die Filme zwingen, im Kino zu laufen, lange bevor sie auf DVD oder im Fernsehen vermarktet werden dürfen.
Auch wenn sie im Kino keiner zeigen will. Die Folge ist die Filmschwemme, die jetzt alle beklagen.
An die kann ich nicht glauben – dazu weiter unten.
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Mit einer solchen Haltung aber wird man in einer sich verändernden Filmöffentlichkeit auf Dauer jedenfalls nicht überleben. Der Wettbewerb der Streaming-Dienste mit dem Kino hat längst begonnen. Allein auf YouTube kann ich tausende hervorragender Kinofilme kostenlos sehen, die nicht leicht oder gar nicht auf DVD zu haben sind. Klar ist die Qualität im Kino unvergleichlich gut. Aber besser den Film überhaupt sehen zu können. Und besser einen guten Film in schlechter Qualität auf
YouTube als einen schlechten im Kino.
In Zukunft gehören YouTube und Streaming und zeitversetztes Fernsehen genauso zum Alltag wie das Kino. Es genügt also nicht festzustellen, dass Streaming dem Kinobesuch schadet. Denn zuviel Geld und zuviel Talent fließen inzwischen in die Streaming-Produktion, als dass man sie weiterhin ignorieren könnte.
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Alle Filmemacher und anderen der deutschen Filmbranche sollten sich selbst befragen und überprüfen: Warum habt ihr Netflix abonniert? Warum nicht heute noch abbestellen, und besser erst mal alle DVDs angucken, die noch eingeschweißt im Regal stehen. Und, wenn es schon Streaming sein muss – warum nicht Mubi? Oder sogar Amazon? Boykottiert Netflix – das sind die Bösen.
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Wenn der Europäische Gerichtshof also Netflix Grenzen aufzeigt, ist das gut und richtig. Aber es darf uns über die hausgemachten Probleme nicht hinwegtäuschen.
Sonst endet das deutsche Kino eines Tages wie die fettgemästeten Schweine im Netflix-Film Okja: Auf der Schlachtbank!
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Welcher hier mitlesende deutsche Filmemacher hat gute Erfahrungen mit einer Netflix-Zusammenarbeit gemacht? Bitte melden, Diskretion garantiert. Ich behaupte aber, dass es keinen einzigen gibt.
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Kinostars scheint es nicht mehr zu geben in Deutschland. Die wahren Stars, das sind heute die Moderatoren des Fernsehen, nicht die Gäste: »Maybritt Illner«, »Markus Lanz«, »Anne Will«, »Maischberger«, »Precht«, »Scobel«...
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»Die Kinosituation kann man gar nicht isoliert diskutieren«, sagte Michael Kötz bereits zu Beginn der Veranstaltung. So ging es denn danach einen halben Tag lang nicht nur um den Ort Kino, sondern um die Lage des deutschen Films, um sein Publikum und seine Macher bei den »Inselgesprächen«, einem Gesprächsforum, zu dem Kötz, der Leiter des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen im September geladen hatte. In vertrauter Runde, ohne Publikum, diskutierten da Fachleute verschiedener Branchenfelder über »die aktuelle Lage des Kinos im Arthouse-Bereich«. Schon diese notgedrungen etwas gewundene Formulierung deutete die Schwierigkeiten an, mit denen die deutsche Kinoszene konfrontiert ist. »Arthouse« meint ein sehr disparates Feld von Filmangeboten, die prinzipiell beachtenswert sind, aber keineswegs immer einem Kunstanspruch genügen.
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Den Ton hatte Kötz mit einem smart-provokativen Artikel für das normalerweise belanglose Branchenheftchen »Blickpunkt Film« vorgegeben. Überschrieben mit »Rettet das Kino!« sagte dieser dem Kino den baldigen Untergang voraus, sofern es sich nicht neu erfinde: Das Kino insgesamt sei bedroht, »an den falschen Stellen subventioniert und an ebenso falschen Stellen nicht subventioniert«. Als das Kino sich vor wenigen Jahren auf DCP, »die Technik des Internets«, umstellte, sei das
der Anfang vom Ende gewesen. Seit man Filme in gleicher Qualität auch auf dem Computer und daheim sehen könne, habe das Kino den eigentlichen, technisch bedingten Grund seiner Existenz verloren. Denn »alles, was keinen konkreten Grund für seine Existenz hat, das besteht nur noch in der Vorstellung weiter.« Daher müsse sich das Kino komplett neu erfinden. Konkret forderte Kötz auch in Ludwigshafen eine umfassende öffentliche Subvention von solchen Kinos, die sich auf Filmkunst
konzentrieren. Häuser für Massenware müssten davon unterschieden werden, ähnlich wie man Opern subventioniere, nicht aber Musical-Theater.
Freilich: Wenn das Kino zur Oper wird, wird es auch zum elitären Luxus – ausgerechnet jenes Medium, das seit seiner Erfindung Ende des 19. Jahrhunderts alle Schichten auch jenseits von Bürgertum und Adel verband, und tatsächlich die gesamte Gesellschaft im Dunkel des Kinosaals versammelte.
Womöglich ist Kötz, ehemaliger Filmkritiker
und seit Jahrzehnten Direktor der Filmfestivals von Mannheim-Heidelberg und Ludwigshafen, aber einfach ein Idealist – und so nutzte er seine Position als unabhängiger Festivalleiter, um die Rezepte seiner beim Publikum erfolgreichen Festivals zumindest gedanklich auf den Alltag zu übertragen. Gemeinsam überlegten die Teilnehmer, wie man die Euphorie eines beim Publikum beliebten Filmfestivals mit seinem Eventcharakter auf den grauen Kinoalltag übertragen
könnte.
Was brauchen die Kinos, um Publikum anzulocken, dauerhaft zu binden und wirtschaftlich gut überleben zu können? Und wo liegen die größten Gefahren?
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Ein beliebtes Argument zur Erklärung der wirtschaftlichen Probleme der Branche ist die gern wiederholte Behauptung der »Filmschwemme«. Tatsächlich kamen in der Hochzeit des »Neuen deutschen Films« etwa 150 Filme pro Jahr ins Kino, jetzt sind es über 600. Erdmann Lange von Mannheimer Atlantis-Kino berichtete, man habe zwar gleich viele Besucher, aber viel mehr Filme, pro Film sinken also die Zuschauerzahlen.
Hier wurde ihm vom Gastgeber scharf widersprochen. »Wenn wir weniger
Filme haben, haben wir auch weniger Gründe um ins Kino zu gehen«, so Kötz. »Nein: Wir müssen die Haltung des Publikums verändern, wir müssen die Neugier verändern. Die Reduktion der Filme ist der sicherste Weg in den Untergang, auch wenn es wie eine Rettung aussieht.«
Dies unterstrich auch der Berliner Produzent Florian Koerner von Gustorf: »Es wird nie wieder weniger Filme geben. Wir müssen Wege finden, um Filme länger im Kino zu halten.«
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Tatsächlich erscheint die nicht nur unter Kinobetreibern gern zitierte These der »Filmschwemme« bei genauerem Hinsehen wie eine Ausrede. Denn warum soll eine Erhöhung des Angebots eigentlich ein Problem für Kinobetreiber sein? Man könnte darin ja auch die Chance sehen, sich genau jene Titel auszusuchen, die fürs eigene Haus und Publikum passend sind. Tatsächlich aber sind viele Kinos gar nicht mehr Herr ihrer selbst. Sie können nicht autonom entscheiden, sondern werden oft durch – de facto – Knebelverträge und ähnliche, nicht immer sehr transparente und den gesetzlichen Richtlinien oft widersprechende Forderungen von den übermächtigen Verleihern gezwungen, bestimmte Filme wider das eigene bessere Wissen zu spielen. Zu recht verwies Lange zudem darauf, dass »etliche Filme rein aus Fördergründen auf die Leinwände gedrängt werden, obwohl sie dort keine Perspektive haben.« Doch noch einmal: Wenn dem so ist – warum muss er selbst solche chancenlosen Filme eigentlich spielen? Schließlich wurden gerade Programmkinos einst ja genau deshalb gegründet, weil man sich von den Pressionen der »Altproduzenten« der Filmindustrie unabhängig machen wollte.
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»Das Problem der Publikumsentwicklung ist auch ein soziodemographisches. Wir verlieren die Jüngeren. Um die Leute unter 20 zu erreichen, brauchen wir Filmbildung und ästhetische Herausforderungen.«
Auch Stefan Paul, Kinobetreiber des Tübinger Arsenal-Kino und Geschäftsführer des gleichnamigen Filmverleihs ist etwas resigniert überzeugt: »Die junge Generation haben wir schlichtweg verloren.« Der »kulturelle Ort Kino« gehe selbst in einer vor allem
kulturwissenschaftlich orientierten Studentenstadt wie Tübingen »an der normalen Studentenschaft vorbei«. Angesichts immer geringerer Zuschauerzahlen pro Filmtitel fordert Paul zudem: »Wir brauchen mehr Leinwände, um die vielen Filme alle zu zeigen.« Paul verwies auf Erfolge, die er in seinem Kino vor allem »mit regionalen Filmen, Themenfilmen, zusammengefasst: Zielgruppenfilmen« erlebt.
An diesem letzten Punkt stimmte Paul auch Jürgen Lütz vom Düsseldorfer Rex und
Odeon-Kino (und ebenfalls mit »Film Kino Text« ein unabhängiger Verleiher) zu. Zugleich ist Lütz optimistischer in Bezug auf das jüngere Publikum: »Man muss einfallsreicher sein und mehr Möglichkeiten anbieten, um das junge Publikum zu halten. Junge Leute kommen zum Beispiel gern in OmU-Vorstellungen.«
Lütz griff Pauls Gedanken einer Erweiterung der Leinwände auf. »Was wir dringend brauchen, ist ein Nachspielkino. Die Leute brauchen drei, vier Wochen, bis sich ein Film
herumgesprochen, hat und in den Köpfen der Entschluss reift, ins Kino zu gehen.« Hierhin sollten vor allem Subventionsgelder geleitet werden.
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Wie weit ist die Ausstattung der Kinos renovierungsbedürftig? Im Prinzip ist zwischen einem Kellerraum mit Bier aus der Dose und der neuen Mode einer »Kino-Lounge« mit Plüschsesseln und Drei-Gänge-Menü alle Erfolgsmodelle möglich. »Es muss nicht schick sein, sondern echt und authentisch«, so Schauspielerin Julia Jentsch, »Das Haus sollte etwas mit den Leuten zu tun haben, die es betreiben, und denen, die hingehen.«
Skeptisch war hier Florian Koerner, der auf die weitaus
moderne Kinolandschaft in Großbritannien verwies: Das Programm in seiner Kombination aus Kino, spezifischen Filmtiteln, einem Ort, an dem man sich gern aufhält, und Warenangebot klappt da besser. Programmkinos sollten nicht aussehen wie ein Multiplex. Man muss hier alte Gebäude in einen sozialen Ort umfunktionieren, wo im Zweifelsfall auch nachgespielt wird – dann hat man ein Festival im Kleineren.
Das Kino müsse jedenfalls wieder zum »Wohlfühlort« werden, so
Paul, »es ist wichtig, dass wir das Kino als kulturellen Ort besser fördern.« Mehrere Kinobetreiber kritisierten die »antiquierten Richtlinien« der Förderung: Kopienanzahlen zu fördern sei ein Modell aus dem analogen Bereich, genauso der Zwang, geförderte Filme auch dann mit einer Mindestkopienzahl im Kino zu spielen, wenn diese im Ergebnis weder den Ansprüchen der Förderer, noch denen von Verleih und Kino genügen. Andererseits würden Dokumentarfilme oft nur ungenügend
gefördert, obwohl diese gut im Kino laufen.
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Die Förderer sieht Jürgen Lütz auch an ganz anderer Stelle in der Pflicht, ihrem Auftrag gerecht zu werden: Warum gibt es kein Kinoangebot für 20-Jährige? Warum haben wir in Deutschland nicht die Filme, die sich Jugendliche im Kino angucken? Die Filmfinanzierungsstrukturen in Deutschland sind auf die 50-70-jährigen Zuschauer der koproduzierenden Fernsehsender ausgerichtet – und die Entscheider sind auch so alt.
Gegen solche negative Gegenwartsdiagnosen setzte
Michael Kötz zum Abschluss noch einmal auf Optimismus: »Die Sender verlieren selbst ihr Publikum, die Vereinsamung in der Gesellschaft steigt – warum soll es nicht so sein, dass die 20-Jährigen in fünf Jahren massenhaft ins Kino gehen, und die Gemeinschaftserfahrung Kino neu entdecken.« Wir müssen nur wollen.
(to be continued)