71. Filmfestspiele Cannes 2018
Die Stunde der Osteuropäer |
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Sergeij Loznitsas Donbass eröffnete in Cannes die Nebensektion »Un Certain Regard« |
»In Poland you were a man. Here you are different.«
aus: Cold War
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Auch die wichtigste Nebensektion, »Un Certain Regard«, wird offiziell von Direktor Thierry Frémaux eröffnet. Sechs erste Filme laufen in dieser offeneren Reihe der »Sélection Officielle«. Bei der Eröffnung stellte Frémaux zunächst die Jury vor, vor allem den Jurypräsidenten: »Benicio del Toro ist cinephil – und außerdem ein Manipulator.« Er liebe Jean Vigo und hoffentlich mache er bald eigene Filme.
Del Toro fand noch schönere Worte: »Egal wo ein Film herkommt – we
see ourselves, when we watch a movie, we escape, we will escape, when we watch... to find ourselves in the 18 movies we will see.«
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Der Eröffnungsfilm kam dann von Sergeij Loznitsa, Russe de sang et d’esprit, et avec un passeport ukrainien, wie Frémaux höchstpersönlich vorstellte. Respektieren muss man, dass der Film erst vor sechs Wochen abgedreht wurde. Ein bisschen wurde das aber auch als Erklärung zur Schau gestellt, damit schlüssig begründet ist, warum Loznitsas knalliger Film im Gegensatz zu seinem letzten Spielfilm nicht in den Wettbewerb geladen wurde.
»Ich will in Cannes
sein«, sagte der längst in Berlin lebende Loznitsa auf der Bühne, auf die er mit fünfzehn Leuten gekommen war.
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»Why are you so sourfaced. Ich hab die Gesichter satt« – so der allererste Satz, als wolle der Regisseur manchen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen.
Donbass bietet keine geschlossene Handlung, sondern eine Aufeinanderfolge lose zusammenhängender Szenen, die alle irgendwann im Winter im Donbass-Becken spielen, jener mehrheitlich russisch bevölkerten Region,
die sich von der Ukraine abgespalten hat und seitdem in heftige Kämpfe mit der Kiewer Zentralregierung verstrickt ist. Die Szenen sind mal nahezu naturalistisch, mal eine offene Farce mit Elementen schriller Satire, clownesker Slapstick oder schmerzhaft-unangenehmer Übertreibung: Einem Journalisten wird ein Kübel Exkremente über den Kopf gekippt, ein ukrainischer Soldat wird an einem öffentlichen Pranger fast gelyncht, Laiendarsteller spielen Opfer für die
Fernsehnachrichten und dergleichen mehr – was all diese Szenen vereint, ist erkennbare Misanthropie, in der alle Menschen als hässlich und amoralisch erscheinen, und die sehr einseitig und unkritisch pro-ukrainisch auf die Dinge blickt.
Andererseits wundert man sich angesichts der US-Südstaatenflagge und anderer Symbole, mit welcher Nonchalance Loznitsa auf die Dinge blickt.
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Aus Polen kommt Pawel Pawlikowski. Sein Cold War, Favorit bei vielen an den ersten Tagen, fügt sich vor allem der Kunstkonvention.
Der Film erzählt einerseits wortwörtlich vom Kalten Krieg, andererseits von einem Komponisten und einer Sängerin, die sich in einem Propagandamusikchor kennenlernen. Das wird ihre Liebesgeschichte über knapp zwei Jahrzehnte, doch sie bleibt
trocken, die sehr distanzierte Amour Fou behauptet. Ich jedenfalls glaube kein Wort, finde alles Konzept-Kunst und eitles Filmemachen.
Am Schluss wieder die übliche Miesepetrigkeit des osteuropäischen Films, verbunden mit dem Selbstmitleid der Polen. Selbstmord, aber bitte nach katholischer Hochzeit. Die Botschaft? Hätten das alle machen sollen?
(to be continued)