69. Berlinale 2019
Ich war im Kino, aber... |
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»Ich wollte daran erinnern, dass es ein Film ist.« | ||
(Foto: Piffl Medien) |
»Bogumil zählt einige Methoden zur Schädlingsbekämpfung auf. 'Man kann Buttermilch in die Löcher gießen, das behagt dem Maulwurf nicht. Oder Fischköpfe hineinlegen. Oder Chlorwasser, dann kommen die Regenwürmer raus und der Maulwurf hat nichts mehr zu fressen. ... Man kann auch Hundekot reinschütten. Oder leere Dosen an Stangen binden, die machen dann einen Lärm, der die Maulwürfe vertreibt. Oder aus Holunderblüten einen Sud kochen, drei Tage gären lassen und dann -'«
Heinz Strunk: »Der Goldene Handschuh«, S.65
Spielen, nicht nur Fußball, aber auch Tennis, ist ein Miteinander. Wenn man Vorlagen bekommt, sich welche erkämpft, diese dann aber nicht verwandeln kann, dann verliert man das Spiel.
So ungefähr geht es der Regisseurin Angela Schanelec mit ihrem neuen Film mit dem etwas rätselhaften Titel: Ich war zuhause, aber... Sie tritt nicht in einen Dialog, sondern monologisiert und
dekretiert, redet an den Fragestellern vorbei, so wie die Figuren in ihrem Film. Sie ist wie eine Tänzerin, die einem dauernd auf die Füße tritt. Ob aus Absicht oder unabsichtlich, ist dann egal, irgendwann macht es keinen Spaß mehr.
Es ist aber ein Tanz, was zwischen Filmemacher und Kritiker, Film und Zuschauer idealerweise passiert: Eine Bewegung, ein Stück Kommunikation. Diese Kommunikation ist erst einmal der selbstverständliche Zustand. Wenn sie nicht stattfindet,
sollte es besser einen Grund geben.
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Wieder ein Berlinale-Film, in dem keiner lacht, kaum je einer lächelt. Berliner Mittelklasse, man fährt Fahrrad, 10 Gänge, silber.
Eine Mutter unter Druck. Am Rande des Nervenzusammenbruchs. Aber warum eigentlich? Ihr Sohn ist nach dreitägigem Verschwinden doch wieder nach Hause gekommen.
Kinder die in Reimen reden. Warum? Sie proben Shakespeares »Hamlet« im Schultheater, aber sie blicken und agieren dabei nicht so wie Kinder, sondern wie in Trance, mit leerem Blick, wie Angehörige einer Sekte, wie Wesen von einem anderen Stern. Wie der Esel, dem man ganz am Ende dabei zuguckt, wie er anderen Menschen zuguckt.
Menschen, die miteinander sprechen, ohne sich anzuschauen. Warum? Vielleicht hat jemand zuviel Straub-Filme gesehen.
Für Schanelec-Verhältnisse ist das dennoch ein Action-Film.
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Die Bilder sind starr und statisch. Das ist keineswegs die natürliche Haltung der Kamera, sondern eine Entscheidung der Regisseurin.
Schanelec ist die Fundamentalistin jener Ästhetik, die man sich angewöhnt hat, »Berliner Schule« zu nennen.
Sie erzählt nicht, sondern zeigt. Szenen, Skizzen, Momente, die lose verbunden sind, manchmal nichts miteinander zu tun haben, manchmal schon.
Der Film zeigt eine Frau, deren Mann, ein Theaterregisseur, mit dem sie zwei Kinder hat,
vor zwei Jahren gestorben ist.
Es ist damit Angela Schanelecs bisher autobiographischste Arbeit, denn auch sie hatte zwei Kinder mit einem Theaterregisseur, mit Jürgen Gosch, der vor bald zehn Jahren gestorben ist.
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Es gibt ein paar wenige lustige Momente, etwa in der Szene, in der die von Maren Eggert im Übrigen ganz großartig gespielte Hauptfigur, das Alter Ego der Regisseurin, über Kino redet, über Wahrheit und Lüge im Schauspiel, und dabei genau die Argumente vorbringt, die man gern gegen Schanelecs Filme einwendet:
Die Regisseurin liebt Eggert spürbar. Und darum gelingt es, dass bei ihr der Funke überspringt. Mit anderen Schauspielern, am auffälligsten mit Lilith Stangenberg und Devid
Striesow kann sie spürbar so gar nichts anfangen. Noch nie blieb Stangenbergs unglaubliches Potential derart ungenutzt. Einfach links liegen.
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Alles was als »Geschichte« in anderen Rezensionen behauptet wird, ist eben behauptet und angelesen, nicht im Film. Skizzen, zwischen denen die Figuren geschwollen daherreden. Dies ist kein naturalistischer Film, »Naturalismus« lautet eher das Missverständnis gegenüber Schanelecs Filmen, sondern totale Künstlichkeit.
Dann aber: »Ich glaube nicht, dass irgendwer versteht, was er nicht auch empfunden hat.«
Und mit Bresson, sorry hat das auch nicht viel zu tun, außer dass
halt ein Esel vorkommt. Und bei jemandem wie Schanelec schreien die Lieblinge der Berliner Schule dann »Bresson«. Wenn bei Oliver Stone ein Esel vorkommt, schreit das niemand. Plumpe Reflexe. Fehlendes Hinschauen. Ersatzhandlungen.
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Nervig. Ein unfassbar arroganter Film. Ich möchte das Elitäre, den hohen Anspruch im Kino verteidigen. Und gerade darum kann man diese Arroganz nicht unkommentiert durchgehen lassen. Denn sie ist kontraproduktiv und zerstört gerade den Anspruch.
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»Denn wer Schanelecs Filme scheut, der scheut das Kino.« behauptet nun Spiegel-Online. Uiuiui. Offenbar hat’s da ein Film nötig, mit ganz großem Kaliber verteidigt zu werden.
Aber hier tritt Kritikerinnenarroganz der Regisseurin zur Seite – ich möchte mir, Frau Kollegin, nicht den Zutritt zum Kino
verbieten lassen, weil ich diesen Film für schlecht halte.
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Man kann über diesen Film nicht schreiben, ohne über die Regisseurin zu reden. Wie bei jedem echten Autorenfilm sind Autor und Film hier nicht zu trennen.
Angela Schanelec hat eine faszinierend störrische Art. Das kann sinnvoll sein, genau wie ihre Sprödigkeit, und auch ich finde diese Attitude überaus reizvoll, aber es fehlt der Charme, der dazugehören müsste, damit sie auf Dauer erträglich bleibt.
Auf der Pressekonferenz fällt von Anfang an vor allem auf, was für eine unglaublich defensive Art zu reden sie an den Tag legt. Schanelec sagt immer nur, was sie nicht macht, was sie nicht will, was sie nicht tut.
Naserümpfend kommentiert die Deutsche die Fragen der Presse. Das ist ihr gutes Recht, darum geht es nicht. Aber wer zwingt sie, eine Pressekonferenz zu geben? Terrence Malick macht das auch nicht. Es ist nämlich auch die Zeit der Fragesteller, mit der Schanalec schludrig und unfair umgeht. Niemand besucht eine Pressekonferenz, weil ihn nicht irgendetwas interessiert.
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»Ich werd' das ganz bestimmt nicht interpretieren.« Das verlangt ja auch niemand. Antworten würden schon genügen. Aber Schanelec versteht es nicht, Angebote zu machen. Sie versteht es auch nicht, Angebote anderer zu erkennen und aufzugreifen.
Auch das wäre nicht schlimm. Schanelec allerdings erweckt den Eindruck, als sei sie tatsächlich gar nicht in der Lage und auch nicht willens, zu verstehen, was Zuschauern in ihrem Film Schwierigkeiten bereiten könnte.
»Es ist für mich eigentlich ganz einfach...« versucht sie zu erklären. Mag sein, aber sie müsste doch begriffen haben, dass es anderen nicht so geht. Sie könnte also sagen: »Es ist für mich eigentlich ganz einfach, aber ich erkenne, dass es anderen nicht so geht, darum teile ich mit Euch mal ein paar meiner Gedanken.«
Ihre geradezu sozialneurotische Art macht es schwierig, unvoreingenommen zu reagieren.
»Für mich ist die Art zu arbeiten, eine sehr natürliche«, sagt sie. Ok. Aber warum? ist die Frage. Schanelec variiert nur den Satz: »Es ist, wie es ist.« Das ist zu wenig.
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So ist es zum Beispiel »Käse«, um mal einmal Schanalecs Diktion zu benutzen, wenn die Regisseurin doziert, die Kamera stünde erstmal still: »Erst mal, wenn man die Kamera anmacht, dann steht sie ja. Der Anlass, sich zu bewegen, kommt aus der Szene.«
Als ob das ein göttliches Gesetz wäre, in das der Mensch normalerweise nicht eingreifen darf. Die Kamera steht aber nur still, weil es ihre Entscheidung ist und so ist es keine Majestätsbeleidigung, bei der Regisseurin
nachzufragen, warum sie so entschieden hat.
Wenn sie nämlich entschieden hätte, sie auf einen Dolly zu setzen, auf einen Kran oder die Schultern des DOPs, wenn sie sich für eine Steadycam entschieden hätte, stünde die Kamera nicht still, sondern wäre von Anfang an bewegt.
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Sie alle reden wie Angehörige einer Sekte: »Ich wollte daran erinnern, dass es ein Film ist.« Noch so ein unfassbarer Satz. Bitte? Wir sind alle bescheuert, ja? Liebe Angela Schanelec, Du hättest besser ein Theaterstück gemacht, aber jetzt ist es ein Film geworden, ich bin auch am Berlinale-Tag sechs nicht eingeschlafen, obwohl es ein Film von Dir war. Aber im Kino schlafen, heißt dem Film vertrauen, hat Michael Althen gesagt. Und Dir vertraue ich nicht. Schon weil Du ernsthaft glaubst, mich daran erinnern zu müssen, dass es ein Film ist.
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Ich war zuhause, aber... formuliert eine sehr entschiedene Position gegen alles Erzählen, gegen jede Konvention. Das ist manchmal wunderschön in seinen Bildern, und oft interessant. Aber die Wichtigtuerei des Ganzen ist völlig unnötig.
In der Härte, in der Konventionen und Normen verweigert werden, legt allerdings wiederum etwas sehr Normatives, Belehrendes. Wenn man gegen
normierte Ästhetik ist – ich bin es, Schanelec behauptet es, zu sein – dann kann man nicht der normierten einfach nur eine andere Norm entgegensetzen.
Ihrem Publikum gegenüber hat Schanelec in etwa die Haltung einer Kindergärtnerin, die mit ihren Anvertrauten langsam die Geduld verliert.
Man möchte dieses Elitäre, den hohen Anspruch im Kino verteidigen. Aber gerade darum reißt die Arroganz, die dieser Film ausstrahlt, alles was er aufbaut, gleich wieder ein.
Ich war zuhause, aber könnte leicht und flirrend und beschwingt sein. Er ist es leider nicht.
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»Kann sich irgendwer hier nicht für Esel interessieren?« Ja! Ich interessiere mich nicht für Esel. Und Angela Schanelec ist ja auch keine Tierfilmerin geworden.
(to be continued)