69. Berlinale 2019
Erotik, Endzeit und Exzess |
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»The Shadow Play«: der allerbeste Film der Berlinale | ||
(Foto: Dream Factory) |
»Er trinkt aus. Wie schön es wäre, tagein, tagaus einfach nur dazusitzen und in den Garten zu starren. Besser noch wäre es, aufs Wasser zu starren. Ein Teich. Das ist es. Bogumil soll einen Teich anlegen. Herrlich. Er gönnt sich ein Glas 'Schmiere', wie Campari-Orangensaft bei ihm heißt. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.«
Heinz Strunk: »Der Goldene Handschuh«, S. 68
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Noch zwei Tage Kosslick. »Mit seiner Unterstützung der Internationalen Filmfestspiele Berlin unterstreicht das ZDF die Bedeutung der vorgestellten kritischen Themen und würdigt großartige filmische Umsetzungen und schauspielerische Leistungen.«
Als Großsponsor der Berlinale tritt das ZDF gern auf. Gleichzeitig zu solchem Sponsoring sind die Ausgaben
der Sender für Ankäufe von Filmen der Berlinale oder von Cannes, Venedig, etc. in den letzten Jahren eklatant zurückgefahren worden. Das wichtigste Argument, mit dem die Sender gegen den Einkauf votieren, lautet Sparzwänge und fehlendes Geld.
Ausgewogene Filmkultur findet im Programm des ZDF kaum noch statt.
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Das Gesamtbudget der Berlinale liegt nach meinen Informationen bei 26 Millionen Euro. Der Bund erhöhte seinen Anteil am Gesamtbudget um eine halbe Million auf 8,2 Millionen Euro. 2020, zum 70. Jubiläum der Berlinale unter neuer Leitung soll es noch mal eine halbe Million Euro mehr sein.
Etwa 40 Prozent des Gesamtbudgets sind öffentliche Gelder. Dazu kommen etwa 5 Mio. durch Sponsoring, u.a. vom ZDF, von Glashütte, L’Oreal, Audi und anderen. Etwa 4,6 Mio. werden durch
Einnahmen vom European Film Market erwirtschaftet, 2,2 Mio. durch Ticketverkäufe, 2 Mio durch Drittmittel z.B. vom Auswärtigen Amt und Goethe-Institut (z.B. für Reisekosten der Filmemacher etc.) und 1,2 Mio durch Gebühren für Akkreditierungen.
Der bisher nicht eröffnete neue Berliner Flughafen kostet die Steuerzahler zur Zeit 35.680.000 Millionen, pro Monat.
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Ein spontaner Aufstand, Bürger rebellieren, gegen steigende Mieten, menschenverachtende Investoren und Gentrifizierung, auch hier, inmitten einer Millionenstadt im China von heute.
Der Chinese Lou Ye erzählt eine verhakte Geschichte: vier Personen, eigentlich sechs stehen im Zentrum: Zwei Frauen und zwei Männer, die in einem komplizierten Beziehungsspinnennetz miteinander über Jahrzehnte verwoben sind.
Einer ist Bauunternehmer mit Verbindungen zur Mafia, der andere ein politischer Beamter, die ihm Tore öffnet und Wege ebnet. Dessen Frau hat mit dem Bauunternehmer eine Affäre, der wiederum wird von einer Ex-Geliebten erpresst.
Eines Tages fällt der
Beamte vom Dach, und ein Polizist beginnt zu ermitteln. Je mehr er herausfindet, umso mehr rückt auch die Tochter des Bauunternehmers ins Zentrum, und eine unidentifizierte Leiche in einem Wäldchen neben der Autobahn.
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Der Regisseur Lou Ye ist seit rund 20 Jahren einer der interessantesten Filmemacher Chinas, und sogar noch vor dem allerdings noch etwas bekannteren Jia Zhangke der aufregendste Regisseur seiner, der »sechsten Generation« des chinesischen Kinos. Die »sechsten Generation«, das sind die Realisten, deren Wahrheit dokumentarisch gesättigt ist. Bei Lou Ye sieht das allerdings ganz anders aus, als bei Jia Zhangke. Der stellt Dokumentarisches und Fiktion nebeneinander, Lou Ye verwebt sie bis zur Unsichtbarkeit.
In seinem neuen Film The Shadow Play erzählt Lou Ye in atemberaubenden, flirrenden überaus sinnlichen Bildern anhand seiner Figuren eine Geschichte Chinas zwischen 1989 und heute. Sie handelt von Macht und Moral, Kapital und Korruption, Erotik und Exzess.
The Shadow Play ist der allerbeste Filme der Berlinale. Ein Film Noir und Psychothriller aus dem China von heute.
Grandioses Kino, das bezaubert, fasziniert, Denken und Fühlen des Zuschauers begleitet und einen tagelang nicht loslässt.
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Die besten Filme der Berlinale laufen in diesem Jahr in der Sektion »Berlinale Panorama«. Wo der Wettbewerb monothematisch auf inhaltistische Weltverbesserungsfilme setzt und noch durch mehr formale Einfalt anödet, als sonst, da ist die größte Sektion der Berlinale nicht nur gewohnt vielfältig. Sie bietet vor allem auch jene Filme, in denen eine starke Ästhetik mit überraschenden Geschichten und Figuren einhergeht.
Die Stärke mag damit zu tun haben, dass man neuerdings
beim Panorama Filme aus Sundance zeigt. Weltpremierenzwang war gestern.
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Dort lief auch Monos von Alejandro Landes. Ein faszinierender Film, ein zweites, ganz tolles Highlight. Der Film spielt in Kolumbien, muss er aber nicht, so universal wie er ist, könnte er auch woanders spielen, wo Armeen einen schmutzigen Krieg gegen den Terror führen. Das spielt nur eine Nebenrolle, bildet aber den Hintergrund. Tatsächlich kann man an Joseph Conrads »Herz
der Finsternis« und dessen Verfilmung Apocalypse Now denken, aber auch an Herr der Fliegen von William Golding.
Eigentlich geht es hier um eine Gruppe, die paramilitärisch organisiert ist, acht Jugendliche, der älteste vielleicht 20, die kämpfen irgendwo in den Bergen gegen einen so gut
wie immer unsichtbaren Feind.
Es geht vor allem um die innere Dynamik der Gruppe. Sie haben eine Kuh, die müssen sie bewachen, die gibt ihnen nämlich Milch. Aber als sie einmal Pilze essen und ziemlich stoned sind, ist die Kuh am Ende tot. Wer ist dafür verantwortlich? Es gibt einen Prozess der Selbstzerfleischung und eine wirkliche Reise in ein inneres Herz der Finsternis – und das in atemberaubenden psychodelischen Bildern.
Kino, wie es sein muss, gerade auf einem Festival wie der Berlinale. Hier im Panorama sieht man, das Kino vor allem Form ist.
(to be continued)