72. Filmfestspiele Cannes 2019
Es wird einmal in Cannes... |
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Referenz an die Kinogeschichte? Jim Jarmuschs »The Dead don’t die« | ||
(Foto: Universal Pictures) |
»In this peaceful town, on these quiet streets, something terrifying, something horrifying is coming...«
Trailer zu The Dead Don’t Die»Es liegt im Begriffe des Menschen, dass sein letztes Ziel unerreichbar, sein Weg zu demselben unendlich seyn muss.«
Johann Georg Fichte+ + +
Alles neu macht der Mai – zumindest in der Filmwelt gilt dieses Motto tatsächlich in jedem Jahr. Denn da finden seit inzwischen über 70 Jahren immer an der Cote d’Azur die Filmfestspiele von Cannes statt – das wichtigste Filmfestival der Welt und für nicht wenige ein »Mekka des Kinos«. Auch in diesem Jahr lockt Cannes mit großen Namen auf der Leinwand wie hinter der Kamera, die jedes andere Filmfestival vor Neid erblassen lassen. Trotzdem wird 2019 wie das
vergangene Jahr auch für Cannes wie für die gesamte Filmbranche ein weiteres Jahr des Umbruchs. Welche Richtung schlägt das Kino ein: Neue Auswertungsformen wie Streamingdienste und Finanzierungsprobleme sind genauso eine ökonomische wie eine ästhetische Herausforderung.
Heute Abend ist zur Eröffnung erst einmal Harmonie angesagt – ein alter Bekannter, der amerikanische Kult-Regisseurs Jim Jarmusch, präsentiert seinen neuen Film – eine Zombiekomödie.
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»Karneval der Tiere« – so heißt die Suite des französischen Komponisten Camille Saint-Saens, aus dem die Melodie des Festivaltrailers stammt, mit dem in Cannes traditionell jede Filmvorführung beginnt. Mit dem Parcours auf dem Roten Teppich ist es dann schon vorbei, Stars und ihre Regisseure und viele hundert Gäste sind im Blitzlichtgewitter der Photographen die 24 Treppenstufen ins riesige Premierenkino im Palais du Cinema hinaufgestiegen – und nun legt
sich erwartungsvoll gespannte Ruhe über den Saal in diesem Mekka des Kinos.
Ein bunter Karneval ist es tatsächlich, in jeder Hinsicht, was hier zwei Wochen lang an der Cote d’Azur stattfindet – und man liegt nicht falsch wenn man dieses Publikum aus ein paar Tausend Filmemachern, Stars, Einkäufern und Rechtehändlern, Kritikern und Boulevardjournalisten als einen Zoo aus seltsamen exotischen Tieren betrachtet.
Eröffnet wird am heutigen Dienstagabend mit einem Amerikaner, der ein alter Bekannter ist: Jim Jarmusch, Held des unabhängigen Kinos der 80er und 90er. Sein Film The Dead Don’t Die – die Toten sterben nicht – ist eine Komödie. Und zwar über die liebsten Untoten des Kinos, über Zombies!
Mit vielen Stars besetzt, wie Tilda Swinton, Chloe Sevigny, Bill Murray und Adam Driver,
scheint dies zumindest ein sicherer, zugleich schräger Kino-Spaß, und wohl auch eine Referenz an die Kinogeschichte.
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Solche Referenzen gibt es 2019 öfters. Der wohl meist-erwartete Film in diesem Jahr ist: Once Upon a Time... in Hollywood vom amerikanischen Starregisseur und immer noch nicht in die altersweisen Jahre gekommenen Regie-Enfant-Terrible Quentin Tarantino.
In seinem mit vielen Stars gespickten Film erzählt Tarantino eine fiktive Geschichte über zwei abgehalfterte Western-Stars, die
zugleich vor einem filmhistorischen Hintergrund stattfindet: Dem Aufbruch von New Hollywood in den 60er Jahren und der Mordwelle der Sekte der sogenannten Manson-Family im August 1969, vor 50 Jahren.
Aber in seinem letzten Cannes Auftritt Inglourious Basterds ließ Tarantino Hitler bei einem Attentat töten – wird also hier Sharon Tate überleben? Charlie Manson töten? Oder
von ihm schwanger werden? Alles ist möglich.
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Auch Terrence Malick, der geheimnisvollste Regisseur der Welt ist im Wettbewerb vertreten. Diesmal hat Malick unter anderem in Deutschland gedreht. Er erzählt die Geschichte des Franz Jägerstetter der aus Gewissensgründen den Kriegsdienst für die Nazis verweigerte, hingerichtet wurde und später von Papst Benedikt selig gesprochen.
Katholo-Kitsch, oder die Feier eines Widerständlers? Auch hier schwankt man zwischen Furcht und Hoffnung.
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Aber nicht nur die USA, auch Europa und Asien haben in Cannes traditionell einen großen Auftritt: einerseits die Alten Meister, die nicht immer schlechten, aber auch keineswegs immer spannenden älteren Herren, die schön öfters im Wettbewerb zu Gast waren. Wird der Franzose Arnaud Desplechin, einer der besten Filmemacher seines Landes, es wohl diesmal in seiner sechsten Wettbewerbsteilnahme schaffen, eine Goldene Palme zu gewinnen?
Andererseits ist Cannes gerade in diesem
Jahr entgegen allen Gerüchten weder frauenfeindlich, noch überaltert: Vier Regisseurinnen im Wettbewerb der 21 Filme, also ein Viertel – da muss niemand mehr »Geschlechtergerechtigkeit« einfordern. Denn es müssen ja auch die ersehnten Filme, und zwar die guten, überhaupt da sein. Gespannt wartet man auf die Werke der Österreicherin Jessica Hausner, der Französin Celine Sciamma und der Französin Mati Diop. Es gibt auch zwei Spielfilmdebüts, also zehn Prozent – mehr
kann man nicht verlangen, denn dies ist ja kein Nachwuchswettbewerb.
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Es ist die 72. Ausgabe dieses wichtigsten Filmfestivals der Welt. Wie gut dieser Jahrgang werden wird, wissen wir noch nicht, das müssen wir an den nächsten zwölf Tagen erst herausfinden.
Was wir aber schon jetzt sagen können: Der Umbruch der internationalen Filmszene geht weiter. Alte Zöpfe müssen abgeschnitten werden, eingesessene Branchenmitglieder müssen umdenken.
Nach wie vor aber ist das Kino und hier das Autorenkino der Maßstab für alles Übrige, für alles, was mit dem bewegten Bild zu tun hat – allen Unkenrufen zum Trotz, die sowieso oft von interessierter Seite stammen.
Die angeblich ach so gefährlichen Streamingplattformen bieten zwar neben viel Allerweltsware auch Faszinierendes – wie auch das Kino.
Daneben aber häufen sie derzeit vor allem Milliardenschulden an. Eines Tages wird man sie bezahlen müssen.
So oder so schmücken die Streamingdienste sich mit Kinoerfolgen und Kinoregisseuren, sie werben damit, dass sie Kino-Qualität erreichen würden, oder bestenfalls behaupten sie, das »bessere Kino« zu sein.
Auch in Cannes
läuft vieles von Amazon, Mubi, und Netflix – aber eben nicht im Wettbewerb. Da hat das Festival eine klare und verständliche Position: Dass es eben ein Kinofilmfestival ist und sich nicht selbst zugunsten der Amerikaner das Wasser abgräbt.
Trotzdem wird auch 2019 für Cannes ein Jahr des Umbruchs. Zu viele Fragen sind offen: Die Finanzierung der Filme, die Richtung, die das Kino ästhetisch einschlägt.
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»Die Toten sterben nicht« – beim Titel des Eröffnungsfilms denken manche Besucher vor allem an die alten und vor allem stilistisch in die Jahre gekommenen Stammgäste unter den Teilnehmern.
Ist man wirklich noch gespannt auf die neuen Filme von Ken Loach, den Brüdern Dardennes, von Almodóvar?
Die beste Antwort auf solche ketzerischen Fragen können die Filme selbst geben.
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Es wird einmal gewesen sein. Zwischen Futur perfekt und perfect future brodeln die Erwartungen. Cannes ist schon immer das Zentrum und der Jungbrunnen des Autorenkinos gewesen. Vieles spricht dafür, dass es auch in diesem Jahr so bleibt. Vollendete Zukunft.
(to be continued)