72. Filmfestspiele Cannes 2019
Cannes On Speed 02: Pariser Unterschicht |
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Ladj Lys Les misérables | ||
(Foto: Alamode) |
Les misérables, der zweite Film im Wettbewerb von Cannes, spielt natürlich an auf Victor Hugo, hat aber mit dessen vielfach verfilmten Roman nur gemeinsam, dass auch der Film von Ladj Ly von den Pariser Unterschichten handelt. Zweimal fällt beiläufig Hugos Name.
Alles spielt heute, an ein paar Sommertagen kurz nach dem Sieg der Franzosen bei der Fußball-WM im vergangenen Jahr: Eine Einheit von drei
Polizisten streift im Wagen durch die Banlieues. Wir lernen vor allem mit ihren Augen das Viertel kennen, die verschiedenen ethnischen Gruppen, die Banden, die Erwachsenen, die strafunmündige Kinder für ihre Geschäfte instrumentalisieren. Dann eskalieren die Dinge, und als die drei Polizisten einen Fehler machen und dann noch ein paar, um den ersten zu vertuschen, werden sie selbst zu Gejagten.
Dies ist einer jener Filme, in dem sich Menschen dauernd anschreien, Kamera und Schnitt arbeiten mit den Mitteln des übersteigerten Realismus – Close-Ups, Rissschwenks, mal Wackelkamera, mal schnelle Schnitte – um »Echtheit« zu suggerieren. Die Intensität gelingt, allerdings auf Kosten der Genauigkeit. So ist dieser Film weder ein präzis beobachtetes Sozialportrait, noch richtig funktionierendes Genrekino. Immerhin ein Film, der einen für Augenblicke am Zustand der Gesellschaft verzweifeln lässt. Genau dieses Gefühl will Ladj Ly wahrscheinlich auch herstellen.