21.05.2019
72. Filmfestspiele Cannes 2019

Der Kunst des Kinos auf der Spur

»Making Waves: The Art of Cinematic Sound« von Midge Costin - Cannes Classics
Making Waves: The Art of Cinematic Sound von Midge Costin
(Foto: Ain’t Heard Nothin' Yet / GoodMovies Entertainment / Busterfilms)

Making Waves: The Art of Cinematic Sound von Midge Costin geht der Tonspur nach. Zumindest der aus Hollywood

Von Sedat Aslan

Dass das Festival du Cannes ein guter Ort für cinephile Doku­men­ta­tionen ist, ist bekannt. Jedes Jahr werden außerhalb der Haupt­reihen unter dem Label »Cannes Classics« neben restau­rierten Meis­ter­werken auch Filme gezeigt, die der Kunst des Kinos auf die Spur gehen. Man erinnere sich etwa an The Eyes of Orson Welles, Auf der Suche nach Ingmar Bergman oder Hitchcock/Truffaut.

Auch tech­ni­sche Aspekte des Filme­ma­chens sind regel­mäßig Thema dieser Doku­men­ta­tionen. Midge Costin ist lang­jäh­rige Ton-Editorin, hat mitt­ler­weile hierfür auch eine Professur an der USC School of Cinematic Arts inne und es sich zum Ziel gemacht, über das oft vernach­läs­sigte Thema des Tons im Film aufzu­klären. Ihre erste Regie­ar­beit Making Waves: The Art of Cinematic Sound behandelt in 94 Minuten dessen Chro­no­logie – Meilen­steine des Filmtons werden verknüpft mit der tech­ni­schen, film­his­to­ri­schen und poli­ti­schen Entwick­lung. Dabei beschäf­tigt sie sich inten­siver mit den wich­tigsten Prot­ago­nisten, und gibt einen Einblick in die einzelnen Etappen und Gewerke, die am fertigen Sound beteiligt sind.

Die Machart des Films entspricht dem derzeit gültigen Standard für ameri­ka­ni­sche Dokus, neue Interview-State­ments werden mit Tonnen von schnell geschnit­tenem Archiv­ma­te­rial durch eine Erzäh­ler­stimme verbunden. Was dröge klingt, ist in Wirk­lich­keit der wahr gewordene Traum jedes Cineasten, denn es ist absurd, wen die Filme­ma­cherin vor die Kamera bekommen konnte, von Steven Spielberg über George Lucas zu David Lynch ist die Crème de la Crème Holly­woods mit ihren Filmen vertreten. Auch die zentralen Figuren für die Entwick­lung des Sound­de­signs kommen ausgiebig zu Wort: Walter Murch (Apoca­lypse Now), Ben Burtt (Star Wars) und Gary Rydstrom (Toy Story) werden mit ihren jeweils bahn­bre­chenden Arbeiten portrai­tiert. Große Regis­seure scheinen sich mit groß­ar­tigen Sound­de­si­gnern zu umgeben, lernt man. Außerdem: die Stimme von Chewbacca ist die eines sehr ausdrucks­rei­chen Bären beim Ködern mit einem Stück Brot.

Der Film ist unver­hohlen unkünst­le­risch, er versteht sich als Unter­hal­tung mit Lern­ef­fekt. Im letzten Drittel etwa wird man durch die Etappen des Sound Designs, von der Dialog­auf­nahme am Set bis zur abschließenden Mischung, geführt. Danach kann jeder nach­voll­ziehen, was für ein großer Anteil an kreativer Arbeit in der Tonebene steckt, bis sie zu dem wird, was George Lucas behauptet, nämlich zu fünfzig Prozent des Film­erleb­nisses. Insofern erfüllt der Film seine Ziele voll­kommen, es ist ein kurz­wei­liger und lehr­rei­cher Ritt. Man vermisst bei der über­wäl­ti­genden Anzahl an Film­bei­spielen aller­dings welche, in denen eine irri­tie­rende, eben nicht immersive Tonebene vorherrscht, oder auch mal etwas, das nicht aus den USA stammt. Auf gewisse Art und Weise feiert der Film eben auch das Hollywood-Kino. Es gibt Sequenzen, bei der geradezu schamlos Klassiker an Klassiker anein­an­der­ge­reiht werden, die wie die Hommage-Montagen bei der Oscar­ver­lei­hung wirken. Aller­dings haben sie dieselbe lästige Qualität, jedem Film­freund kurz eine wohlige Gänsehaut zu bescheren, weil man mit irgend­einem der Schnipsel doch etwas Tieferes verbindet.